13 ༄
Er drehte sich nicht um, als er die Schritte im Sand hörte. Seine gesamte Aufmerksamkeit lag auf dem flachen Stein, den er in der Hand hielt und welcher im nächsten Moment auch schon übers Wasser flog. Fünf, sechs, sieben Mal kam er auf, bis er im Meer versank und eine Spur aus kleinen Kreisen auf der Wasseroberfläche hinterließ. Erst dann drehte er sich um.
Der Jüngere saß, wie vor zwei Tagen, auf der Bank und starrte mit großen Augen an ihm vorbei, als würde der Stein immer noch fliegen. Gedankenverloren musterte der Fremdling ihn und versuchte dessen Blick nachzuvollziehen, bis er schließlich seine Hände in den Jackentaschen vergrub und voranging. Auch seine Schritte waren deutlich im Sand zu vernehmen, als er das Wasser hinter sich ließ. Mit einem kaum hörbaren Seufzen sank auch er auf die Bank hinab und sah auf die ruhige See hinaus, die so still war, dass man fast meinen könnte sie hätte sich in der Zeit vertan. Für ihn war die Ruhe angenehm, für den Jüngeren jedoch schien sie pure Qual zu sein, denn ihm lag es merklich auf der Zunge.
"Es ist nicht schlimm. Vergiss es einfach", sagte der Rothaarige mit einer völlig neutralen Stimme, die nichts aus seinen wahren Gedanken verriet. Sofort erhob der Junge den Kopf und schluckte leise den Kloß hinunter, den selbst ein Blinder erahnen könnte. "Ich..", setzte er an, stoppte dann jedoch und suchte anscheinend nach den richtigen Worten, "ich hatte es vergessen, ich wollte wirklich kommen. Es tut mir leid.." Für eine kurze Weile sah der Fremde ihn aus dem Augenwinkel an. "Muss es nicht", sagte er dann schlussendlich und wendete sich wieder ab, "jetzt sitzt du ja hier, genau wie ich. Egal ob gestern oder heute."
Selbst in der einkehrenden Dämmerung konnte er deutlich erkennen wie dem Dunkelhaarigen ein Stein vom Herzen fiel und ein erleichtertes Lächeln auf seine Lippen trat. Verärgert war der Fremde nicht, jedoch hatte er eine gewisse Enttäuschung verspürt, dessen Ursache er sich selbst noch nicht so genau erklären konnte.
"Hast du vorhin Steine geworfen?"
Verwirrt schaute der Unbekannte wieder zu dem Jungen, der soeben die Stimme erhoben hatte. Ein paar seiner dunklen Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht, als jener den Kopf senkte und auf eine Antwort wartete. "Das Wasser ist ruhig heute, es eignet sich so am besten, um sie fliegen zu lassen", gab er daraufhin nur zurück und betrachtete ein paar der flachen Gesteine, die zum Grunde der Bank im Sand lagen.
"Hast du das denn gestern auch getan?", fragte er dann zögernd und der Fremde brummte nur als Zustimmung, ehe er sich zurücklehnte und den Jüngeren beobachtete. Seine Stimmung veränderte sich für den Bruchteil einer Sekunde und auch seine Gesichtszüge spannten sich für eine kurze Weile an, als wäre ihm etwas in den Sinn gekommen. Der Ältere schien etwas verwirrt über diesen Stimmungswechsel. Rein aus Höflichkeit fragte er nach einer gewissen Zeit doch noch nach, ob alles okay sei, woraufhin Jeongguk sofort aufsah, nickte und bejahte. Wenn man ihn sich jedoch ganz genau ansah, so bemerkte der Fremdling, sah man ihm deutlich an, dass ihn etwas beschäftigte.
"Du hast mir noch gar nicht deinen Namen verraten..", sagte er dann plötzlich zögerlich und vertrieb somit den Blick des Rothaarigen von sich selbst. Deutlich bewusst über diese Tatsache verzog der Mann keine Mimik und wanderte mit seinen dunklen Augen über die Strickjacke, die seinem Gesprächspartner locker über die Schultern fiel. "Ich weiß", waren somit auch die einzigen Worte, die er ihm mitteilte. Er wusste, dass Jeongguk ihm diese Aussage nicht aus reiner Feststellung genannt hatte, jedoch schien er sich auch bei jener nicht ganz sicher, ob er sie überhaupt beantworten wollte.
Sichtliche Verwirrung zierte daraufhin das Gesicht des Jungen, der offensichtlich mit einer anderen Reaktion gerechnet hatte. Sein Mut kehrte ein und übrig blieb eine Verunsicherung, die der fremde Mann so prägnant wahrnahm, als hätte sie sich auf seiner Haut niedergelassen. Ein Seufzen durchbrach daraufhin ihre stille Gemeinsamkeit, das den Dunkelhaarigen allerdings so sehr erschreckte, dass er merklich zusammenzuckte. "Wenn du mir erzählst, was dich vorhin beschäftigt hat, dann werde ich ihn dir verraten."
Auch diesmal schien er verwirrt, als der Unbekannte erneut seine Stimme erhob und wieder etwas sagte, womit er nicht gerechnet hatte. Nervös senkte der Jüngere wieder den Kopf und wusste anscheinend nicht ganz, wie er nun mit diesem Deal, wenn man es denn als einen bezeichnen konnte, umgehen sollte. "Es war nichts Wichtiges", murmelte er schließlich zögerlich und spielte nervös mit den Fingern. "Das ist mein Name theoretisch auch nicht."
Lange Zeit herrschte wieder Stille und als er schlussendlich schon mit dem ganzen Thema abschließen wollte, presste der Junge zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor: "Ich glaube.. ich habe gestern von dir geträumt." Und erstmalig an diesem Abend schien der Fremde derjenige zu sein, der mehr überrascht schien, als er sich eigentlich anmerken lassen wollte.
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