Die Angst
Meine Worte ließen Alaric verstummen.
Er hatte richtig gehört, auch wenn es wesentlich schlimmer klang als es letztlich gemeint war - aber eine Teilschuld trug auch er. Er hatte mich in diese Welt gebracht die düster und Blut getränkt war, weil er mich genau dort haben wollte. Am Ende hatte ich einen hohen Preis dafür gezahlt.
Nach einer Weile der Stille, in der jeder für sich blieb und doch in der gefühlt viel zu kleinen Wohnung verharrte begann ich einige Dinge zusammen zu packen. Für den absoluten Notfall, wie ich mir selbst sagte - von dem ich hoffte, er würde nie eintreffen. Wenn der Kult mich finden würde wollte ich nicht untätig und unfähig da stehen und nur auf Alaric selbst wollte ich mich nicht verlassen. Er trug genug Wut in sich um es mit einigen aufzunehmen, aber er allein konnte auch nichts gegen eine Masse an Menschen tun. Wieder dachte ich daran Miguel anzurufen, einen weiteren Verbündeten ins Boot zu holen aber ich ließ es - vorerst. Zum einen weil Alaric nicht ganz Unrecht hatte mit dem was er sagte, zum anderen weil ich selbst auch kein Fan davon war ihn oder seine Schwester in Gefahr zu bringen.
Aber der Gedanke es dennoch zutun blieb.
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„ Willst du etwas essen? ” fragte ich fast beiläufig als ich eine Tasche fertig gepackt hatte. Darin befanden sich Ersatz Kleidung, medizinische Dinge für den Notfall. „ Ich hab nicht wirklich viel da, aber vielleicht kann ich trotzdem was zusammenbasteln. ”
Alaric zog es vor vor sich hin zu brüten und mich zu ignorieren. Offenbar beschäftigte ihn das was ich gesagt hatte deutlich länger als ich angenommen hatte. Ich entschied ihn brüten zu lassen, kümmerte mich in der kleinen Küche um ein halbwegs ordentliches Essen und dachte über all das nach was seit seinem auftauchen passiert war. Der Gedanke das er mich die ganze Zeit über schon beobachtet hatte beschäftigte mich dabei am meisten. Hatte er sonst noch irgendwo eine Kamera versteckt? So klein wie diese Dinger waren gab es zig Möglichkeiten aber ohne Anhaltspunkt war es unmöglich für mich sie zu entdecken.
Das Essen war fertig und ich brachte ihm einen Teller. Ich stand direkt neben ihm, hielt es ihm hin aber er ignorierte mich weiter. Stattdessen starrte er stur auf den Bildschirm vor sich. Ich wollte bereits etwas sagen, ihn rügen sich nicht wie ein Kleinkind zu verhalten, da erhaschte ich einen Blick auf das, was ihn selbst so in den Bann gezogen hatte - ein neues Video. In tiefroter Schrift - vermutlich war es Blut - stand dort an einer Wand geschrieben...
' EUER ENDE IST NAH. LAUFT '
Im selben Moment hörte ich schwere Schritte mehrerer Füße. Alaric hob den Kopf, schaute in die selbe Richtung zur Haustür und stand dann blitzschnell auf den Beinen um mich mit sich zu ziehen. Den kleinen Bildschirm verstaute er sicher an seinem Körper. Die Geräusche verstummten schließlich, was uns selbst auch innehalten ließ - wir lauschten, Panik machte sich in mir breit. Hatten sie mich gefunden und nur darauf gewartet das Alaric sich mir zeigte? Wollten sie damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? War es das Ende?
„ Was... ”
„ Still... Warte... ” unterbrach er mich. Sein Körper war angespannt, seine Hand lockerte sich nicht eine Sekunde um mein Handgelenk. In einer kleinen, dunklen Nische eingepfercht, unwissend was als nächstes passieren würde überkam mich ein betäubendes Gefühl. Dann hämmerte es laut gegen die Tür, wieder und wieder. Bei jedem mal zuckte ich zusammen, musste mich allerdings selbst ermahnen ruhig zu bleiben. Alaric hatte keine Zeit das zu übernehmen weil er nach einem Fluchtweg für uns suchte.
Im letzten Moment, als plötzlich die Tür aus den Angeln brach und dunkle Gestalten sich ihren Weg in die Wohnung bahnten, zog ich mein Bein aus dem Fenster. Es gab keine andere Möglichkeit als die Feuerleiter, die ihre besten Tage bereits hinter sich hatte. Bei jedem noch so kleinen Schritt knirschte es als würde sie jeden Moment unter der Belastung unseres Gewichts nachgeben. Alaric bewegte sich schnell, presste mich gegen das Mauerwerk und schirmte mich vollständig mit seinem Körper ab. Sein Fokus lag ganz klar auf das offene Fenster gerichtet und ich wusste das er befürchtete, wir würden entdeckt werden. Als er sich schließlich doch kurz umsah fiel sein Blick am Ende auch auf mich. „ Siehst du den schwarzen Van am ende der Straße? Das sind sie. ” flüsterte er und verwies dann in die andere Richtung. „ Ich helfe dir jetzt hier runter und dann rennst du da rüber bis du einen mattschwarzen Sportwagen siehst. Steig ein und tu was du tun musst. ” erklärte er und legte den Schlüssel in meine Hand. Was er damit meinte - ich sollte tun was ich tun muss - hatte ich allerdings nicht verstanden. Alaric bemerkte mein zögern und biss die Zähne zusammen, kramte den Zettel hervor den er mir zuvor abgenommen hatte. „ Ruf ihn an. Sag ihm nichts von dem Kult, das machen wir wenn wir da sind. ”
Es war ernst. Er hatte so darum gekämpft das ich Miguel nicht anrief und jetzt bat er selbst darum. Das konnte nur bedeuten das er sonst keinen Ausweg sah und das machte mir erst richtig Angst. Alaric war kein Mann der planlos war, ihm fiel immer etwas ein - jetzt wirkte er noch verlorener als ich.
Sobald meine Füße festen Boden berührten rannte ich. Ich rannte als wäre man hinter mir her, beachtete weder andere Passanten noch Fahrzeuge, die meinen Weg kreuzten. Ich hatte nur ein Ziel und egal wie sehr meine Lungen brannten, ich musste es schaffen. Alaric hingegen blieb zurück und ich hatte panische Angst mich herum zu drehen. In meinem Kopf spielten sich so viele Dinge gleichzeitig ab, eine Szene schlimmer als die andere - aber daran durfte ich nicht denken. Nicht jetzt.
Ich sah den Wagen, stürmte darauf zu und sprang hinein, begann dann hektisch nach dem Telefon zu suchen und schrie fast als Miguel endlich abhob.
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Es dauerte nicht lange bis auch Alaric zum Wagen gerannt kam. Sein Haar war wild und zersaust und ich konnte anhand der Blutspuren auf seiner Hand nur erahnen was geschehen war. Ohne ein Wort zu wechseln stieg er in den Wagen und drückte aufs Gas. Er manövrierte uns sicher einige Blocks lang, doch dann... „ Verdammte Scheiße. ” knurrte er und stieg auf die Bremse. Vor uns stand ein weiterer Van mit verhüllten Gestalten, die lässig ausstiegen und sich präsentierten als wäre es nicht absolut seltsam sich so in aller Öffentlichkeit zu zeigen. Ohne den Blick von ihnen abzuwenden legte Alaric den Rückwärtsgang ein, er achtete nicht mal auf den Gegenverkehr. All die Dinge die mir im Kopf herum gingen blieben in meiner Kehle stecken und ich hatte Mühe mich festzuhalten, aber es gelang mir - genauso wie es Alaric gelang die Straße in die entgegen gesetzte Richtung entlang zu jagen. Der Wagen und er - sie waren eins. Er vertraute voll und ganz seinen Fahrkünsten und genau das musste ich auch.
Wir würden es schaffen... Raus aus der Stadt, in Sicherheit.
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Die Fahrt verlief anschließend sehr still. Hier und da war nur das aufheulen des Motors zu hören. Wir fuhren und ließen die Stadt hinter uns, bis wir nichts weiter als Natur um uns herum hatten. Und schließlich - nach einer gefühlten Ewigkeit - kamen wir an.
Es war bereits dunkel, was mich zusätzlich nervös machte. In der Dunkelheit konnten Gestalten wie die Kuttenträger sich bewegen, sich uns nähern ohne das wir es merkten aber nichts von all den Dingen die mir paranoide Angst machte geschah. Die Gestalt die sich jedoch wirklich dem Wagen näherte konnte ich jedoch eindeutig erkennen.
Es war Miguel.
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