Kapitel 6
VIVIEN
𝕾ALEM GHTS, blinkte der Neon-Schriftzug über dem Eingang des Nachtclubs auf dem Charleston Boulevard. Das Licht war so grell, dass die ganze Straße noch meterweit im Sekundentakt pink ausgeleuchtet wurde. Die Buchstaben NI schienen jedoch schon längst den Geist aufgegeben zu haben.
"Moth," sagte Vivien leise, als Izaiah schon aus dem Wagen ausgestiegen war. "Hier. Sie ist wirklich gut. Ruf sie einfach mal an, und sag, Vivien hat dir ihre Nummer gegeben."
Verwirrt sah er auf die Visitenkarte, die sie ihm in die Hand gedrückt hatte.
Dr Maryanne Townsend, Traumatherapeutin.
"Danke. Aber es ist doch alles gut, Viv..."
"Noch," erwiderte sie wissend.
Er lächelte nur, steckte die Karte ein und stieg aus.
Egal, wie Cam und sie auf ihn eingeredet hatten, er hatte sich nicht davon abbringen lassen, mitzukommen, den Verband um seinen Hals unter einem Rollkragenpullover versteckt.
"Was soll passieren? In einen Vampir verwandelt werden kann ich bestimmt kein zweites Mal," hatte er gegrinst.
"Aber einer von den Restless werden, zum Beispiel."
"Soweit wir es jetzt wissen, könnte ich das auch bei allem anderen, was ich tue. Deshalb müssen wir diesen Fall doch erst recht so schnell wie möglich lösen, oder nicht?"
Da war immer diese Leichtigkeit in seiner Stimme, dieses lockere Lächeln, das seine Lippen umspielte, dieses unbekümmerte Schulterzucken. Als hatte ihm einfach nie jemand beigebracht, was schlechte Laune oder Furcht waren. Auch nach fast drei Jahren stürzte er sich so übereifrig in Fälle, als wäre er noch der Grünschnabel, wie sie ihn nur spaßenshalber immer noch nannten, als müsste er sich immer noch vor ihnen beweisen. Genau mit diesem Lächeln war er vorgestern aus dem SUV gestiegen und freiwillig vorangegangen. Und kaum 48 Stunden später schien er so zu tun, als wäre nie etwas passiert.
"Es ist wirklich alles gut. Hört doch auf, mich das alle zu fragen. Mir geht's spitze. Wir schauen uns nur diesen Club an, und dann komm ich nach Hause, dann kannst du mich in Ruhe bemuttern. Mach dir nicht immer so viele Sorgen," sagte er gerade ins Telefon, als sie ausstieg und sich daran machte, ihre Hörgeräte rauszunehmen. Der Bass dröhnte durch die Türen bis nach draußen, und sie hatte keine Lust auf Ablenkungen.
Sie war wirklich dankbar für diese beiden kleinen kostbaren Wunderwerke der Medizin, die ihr die Tür zu einem Teil der Welt geöffnet hatten, die ihr sonst ihr ganzes Leben lang verschlossen geblieben wäre. Doch noch viel dankbarer war sie dafür, dass diese Tür noch immer existierte, dass sie sie schließen und wieder öffnen konnte, wann immer sie wollte. Vivien liebte die Stille, in die sie geboren worden war. Sie war ihre Zuflucht, ihr sicherer Hafen. Sie war Frieden, Klarheit, Konzentration.
Vivien zog den Revolver aus dem Holster an ihrem Gürtel, um die Trommel zu überprüfen. Sechs Silberkugeln, einen weiteren Clip hatte sie noch in einer anderen Gürteltasche. Sie ließ die Trommel einmal drehen, dann zurück in ihren Platz klicken. Zufrieden steckte sie die Waffe wieder ein. Ihr Gewicht an ihrer Hüfte war wie Balsam für die Seele, wie ein Mantra von sicher, sicher, sicher, das sie durchströmte.
Wenn es nötig war, hatte sie im Bruchteil einer Sekunde den kalten Stahl in ihrer Hand, der sich inzwischen so vertraut anfühlte, wie eine Verlängerung ihres Arms, und den ersten Schuss abgesetzt. Sie hatte seit Jahren keinen mehr verfehlt.
Und was hat dir das vorletzte Nacht genützt?, fragte diese grässliche Stimme in ihrem Kopf. Wenn sie nur auch vor dieser irgendeine Tür zuschlagen könnte.
Wieder und wieder ließ sie den Blick gründlich die Straße entlang wandern. Bis auf die kleine Schlange, die sich an der Tür bildete, blieben sie allein.
Still sah sie zu Izaiah, der seinen und Moths Revolver nachlud, damit dieser die silbernen Kugeln nicht anfassen musste. Ihr konnten die Kugeln noch nichts anhaben, nicht, so lang der Vollmond noch einige Tage entfernt war. Meistens spürte sie erst, wenn der letzte Mond vor dem Vollmond aufging, überhaupt, dass ihr Körper sich veränderte, und das war ihr mehr als genug. Schmerzhaft scharfe Sinne, ein drastisch gekürzter Geduldsfaden und eine Hemmschwelle so tief, dass sie fast im Keller liegen könnte.
Mit dem Daumen strich sie über den kalten Hahn des Revolvers. Izaiah nickte ihr lächelnd zu.
Ich bin in Sicherheit, sagte sie sich stur.
"Wollen wir?", fragte Moth, ein eifriger Funke in seinen Augen.
—
Der Türsteher sah ihnen grimmig hinterher und grummelte sichtbar irgendetwas vor sich hin, doch sobald das Wort "Agent" über Viviens Lippen gekommen war, hatte er wohl einsehen müssen, dass er kaum eine Wahl hatte, als sie durchzulassen.
Izaiah steckte die Bilder wieder ein, die sie mitgebracht hatten - Colin Ray, Ruby Hawthorn, sogar Loraine Hunter - der Türsteher wollte sie alle nie gesehen haben.
Wenn man dem glaubte, was Junis für sie über den Club ausgegraben hatte, dann war das hier nicht unbedingt die heißeste Sensation von Vegas, doch eine treue Stammkundschaft hatten sie sich wohl dennoch angeworben. Gerade bei Vampiren schien er für seine große Auswahl ziemlich beliebt. Irgendjemand hier musste doch einen der drei gesehen haben.
Ihre nächste Anlaufstelle war also die Bar.
Das war wohl um Welten einfacher gesagt als getan, wie sich in der exakten Sekunde herausstellte, in der sie die Türen zum Hauptsaal aufschob, denn dieser war so brechend voll, dass Vivien kurz anzweifelte, ob sie drei überhaupt noch hineinpassen würden.
Der Bass erschütterte den Boden, pulsierte ihre ganze Wirbelsäule entlang. Mit jedem Schritt, den sie doch über den klebrigen Boden wagte, schob sich ein anderer verschwitzter Körper an ihr vorbei. Es stank nach einer Mischung aus Rauch, aggressiv aufgetragenem Parfüm und Höchstprozentigem.
Mit einem eisernen Griff hielt sie an ihrem Revolver fest und sah auch Izaiahs und Moths Hände an ihren Holstern bleiben. Es wäre nur zu leicht, im Vorbeistreifen eine unbewachte Waffe aus dem Holster zu ziehen.
Das bunte Licht glitt über eng umschlungene Paare, über Partygäste, die sich über Tischplatten voll schmaler weißer Linien krümmten, über Tanzende, die in ihrer Extase völlig aufzugehen schienen. Vor ein paar Jahren hatte sie noch jedes dienstfreie Wochenende an Orten wie diesem verbracht, sich wie sie von dieser Stimmung elektrisieren lassen. Jetzt standen die Haare in ihrem Nacken aus einem anderen Grund auf.
Ein warmer Arm warf sich plötzlich um ihre Schultern und heißer, feuchter, nach Alkohol stinkender Atem traf ihre Wange.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Im nächsten hatte sie sich umgedreht und presste die Mündung ihres Revolvers gegen das Brustbein eines jungen Typen, der sofort alarmiert die Augen aufriss.
Sein Mund klappte auf und zu wie der eines Fisches an Land, sicher verteidigte er sich gerade aufgebracht. Das hätte Vivien sowieso nicht hören wollen. Er hätte wohl defensiv die Hände gehoben, wenn Izaiah nicht hinter ihm gestanden und mit finsterem Blick die Arme auf seinem Rücken fixiert hätte.
Mit einer gehobenen Augenbraue entspannte sie den Hahn und steckte die Waffe wieder ein. Ich bin sicher.
Ihr Herz pochte in ihrer Kehle, als wäre es von diesen Worten nicht ganz überzeugt.
"Ich glaube, du hattest für heute genug," sagte sie und rief mit einem Handzeichen die Security zu ihnen. Sie musste nicht lesen können, was Izaiah dem Mann zumurmelte - Aus dem Ausdruck auf dessen Gesicht konnte sie schon schlussfolgern, dass es wohl keine Einladung zu einem netten Kaffeekränzchen war.
"Okay?", gebärdete Izaiah, während sie das lauernde Gefühl von sich abschüttelte.
Sie nickte knapp und sah wie Moth den beiden Security-Angestellten zu, die den Mann zwischen sich Richtung Ausgang mit sich zerrten.
Da war etwas an diesem sorglosen, unbekümmerten Eindruck, den Moth so gern auf alle machte, ein winziger Fehler: Er hielt nur, so lang er wusste, dass Augen auf ihn gerichtet waren. Wenn er nicht merkte, dass sie ihn beobachtete, dann sah Vivien ganz genau, wie schnell ein Lächeln spurlos von seinem Gesicht verschwinden konnte, wie ein einziges lautes Geräusch oder eine etwas zu schnelle Bewegung ihn sofort in Alarmbereitschaft versetzen. Oder diese ganz subtile Verspannung seiner Schultern gerade.
Izaiah seufzte und schüttelte genervt den Kopf, bevor er selbst den Blick von dem Mann abwandte. "Komm schon," sagte er und legte Moth eine Hand auf den Rücken, um ihn mit sich durch die Menge zu führen. Entweder tat er nur sehr überzeugend so, oder er merkte gar nicht, dass dieser prompt fast über seine eigenen Füße stolperte. Könnte er das noch, war Vivien sich sicher, wäre er jetzt knallrot angelaufen.
Irgendwie gelang es ihnen so, bis zur Bar vorzudringen. Fast im Sekundentakt kamen Gäste und kehrten mit beeindruckenden Türmen an Getränken auf die Tanzfläche zurück, andere waren schon besorgniserregend unansprechbar auf den Hockern in sich zusammengesackt. Drei Bartender arbeiteten unermüdlich die Bestellungen ab.
Am anderen Ende des langen Tresens, etwas abseits der grellen Lichter, saß eine kleine Gruppe, die sich heiter unterhielt. ihre hohen Gläser waren alle gefüllt mit einer dunkelroten Flüssigkeit, und verziert mit Eiswürfeln, Limettenscheiben oder Cocktailschirmchen. Eine Extrakarte über der Bar warb neben Sangria und Mosquito auch für Extra Bloody Marys und Cai-Piranhas mit verschiedensten Blutgruppen.
"Hallo? Hallo!" Izaiah brauchte mehrere Anläufe, bis er eine Bartenderin, eine drahtig schlanke Frau mit dunklen, streng zurückgegelten Haaren und schimmerndem Glitzer auf den Augenlidern, in einem kurzen Moment der Ruhe erwischte.
"Die Agents Park, Cooke und Delgado," stellte Vivien sie vor und schob ihr auf der Theke den Ausweis entgegen.
"Agents?", fragte die Frau und ließ überrascht den Shaker in ihren Händen sinken. "Warum?!"
"Wir ermitteln in einem Fall, in dem das Salem Nights eine wichtige Rolle spielen könnte. Haben Sie diese Vampire hier schon einmal gesehen?", fragte sie und breitete die Bilder auf der Theke aus.
Die Bartenderin zuckte mit den Schultern und antwortete etwas, das Vivien auf ihren Lippen nicht wirklich erkennen konnte. Ein Blick zu Moth, und er übersetzte es für sie in Gebärdensprache. "Viele Gäste bestellen hier in einer Nacht."
"Aber sicher deutlich weniger Vampire als Menschen."
"Ich halte Abstand zu ihnen, wenn ich kann. Das hat sich in letzter Zeit als sehr vernünftig erwiesen. ...Ich würde gerne helfen, aber..."
Ein junger Vampir, so jung, dass Vivien kurz vorhatte, ihn vor die Tür zu setzen, denn er sah ganz sicher noch nicht wie 21 aus, war aufgestanden und beugte sich plötzlich neben ihnen über die Bar. In der anderen Hand hielt er seinen Drink, den Moth neugierig musterte. "Sind die drei in Schwierigkeiten?"
"Sind sie nicht," antwortete Vivien. Irgendwie entsprach das auch der Wahrheit.
"Gut. Colin. Ruby. Die da kenn ich nicht," sagte er und zeigte auf die jeweiligen Bilder. Dann erwiderte er Moths Blick, mindestens genauso interessiert, nur an ihm. "Andrew. Darf ich dir einen ausgeben?", grinste er. "Oder darfst du im Dienst nicht trinken, Agent?"
"Nein," unterbrach Vivien, auch wenn Moth schon dabei gewesen war, das Angebot freundlich abzulehnen. Sie sah auf die Bilder, dann zurück zu den anderen Vampiren. Sie konnte sie sich genau vorstellen, wie sie inmitten der Runde saßen, unbekümmert und heiter, mit einem Drink in der Hand. "...Wo lagern Sie hier das Blut?", fragte sie die Bartenderin.
Andrews Grinsen fiel in sich zusammen. "Warum? - Ist was falsch damit? Hey, was ist mit Colin und Ruby?!"
"Sag deinen Freunden, sie sollten ihre Drinks lieber abstellen," sagte Izaiah. Seine Hand ruhte schon wieder auf Moths Rücken, als wäre das das Normalste auf der ganzen Welt.
Die Bartenderin schien wenig überrascht. Sie rief eine Kollegin, um sie für den Moment abzulösen, und führte die drei schließlich in die Hinterräume hinter der Bar und die Treppe herab in einen kleinen Keller. Gegen die Sommerwärme draußen und die drückende Hitze oben im Saal war es hier unten wie in der Antarktis.
"Hier." Sie schloss eine Art begehbaren Kühlschrank auf und lehnte sich mit verschränkten Armen und einem ernsten Blick gegen den Türrahmen, während die Agents ihn betraten. "Hier haben sonst nur Angestellte Zutritt," übersetzte Moth und zog seine Jacke enger um sich.
"Lass sie nicht aus dem Blick," gebärdete sie Izaiah unauffällig. Als er nickte, wandte sie sich beruhigt den Blutkonserven zu. Sie standen in großen, dunklen Plastikkanistern auf den Regalböden, sortiert und beschriftet mit allen möglichen Blutgruppen und dem Zeitpunkt, zu dem man sie geöffnet hatte.
Moth sah sich sprachlos um. Das musste wie Folter für ihn sein.
"Darf ich dir einen Drink ausgeben, Moth?", neckte Izaiah gerade, als sie kurz zu ihm sah.
Moth schüttelte den Kopf und drehte sich zu ihnen, strich mit den Fingern über den Deckel eines Kanisters. "Lieber nicht," sagte er. "Schaut euch das an. Hier ist ein winziges Loch. Wie der Einstich von einer Nadel."
"Ich glaube," sagte Vivien zu der Bartenderin, "wir müssen uns mal mit Ihren Kollegen unterhalten."
—
Knapp zwei Stunden später lehnte Vivien an einer Wand im Verhörraum des Polizeipräsidiums und sah dabei zu, wie Camille und Preston sich gegenseitig den letzten Nerv raubten.
"Waren wir uns nicht einig, dass ich die Fragen stelle und Sie sich zurückhalten und beobachten, Preston?", fragte Camille, sobald der Besitzer des Clubs den Raum verlassen hatte. Der ältere Gentleman hatte angegeben, sich mittlerweile nur noch um Papierkram zu kümmern und schien ehrlich bestürzt über die Vorwürfe.
Camille war dem Ende ihrer Geduld nahe, das sah Vivien ihr genau an, auch, wenn sie eine professionelle Fassade wahrte. Das war sie in letzter Zeit oft. Reizbar, gestresst, abgehetzt. Wenn sie nicht wie eine Tictac-Fabrik roch, dann wusste Vivien mittlerweile, etwas mehr Rücksicht auf sie zu nehmen.
"Einig waren wir uns darüber ganz sicher nicht. Sie haben wohl vergessen, dass Sie mir mit diesem Fall helfen und nicht andersrum, Ruiz," gab Preston unbeeindruckt zurück. "Das war der Deal. Ich rette Ihren Agent und Sie helfen mir, herauszufinden, warum das hier passiert."
"Ich habe über zwanzig Jahre Erfahrung in Polizeiarbeit und Befragung. Sie nicht, und ich schätze es nicht, wenn Ihre... Anmerkungen potentielle Zeugen beeinflussen."
"Ich habe mehr als ein Jahrhundert Erfahrung darin, Menschen zu lesen, meine Liebe. Sie nicht. Und ich habe kein Interesse an Ihren bürokratischen Zeitverschwendungen."
Camille und Preston starrten sich in die Augen, ein stiller Machtkampf. Vivien rollte mit ihren. Sollten die beiden sich doch ein Zimmer suchen, sie hatten hier immer noch einen Fall zu lösen.
Sie machte einen Schritt aus dem Verhörraum, wandte sich den Angestellten zu, die auf einer Reihe von Stühlen dort saßen und ungeduldig warteten. Zwei von ihnen hatten sie an ihrem freien Tag aus dem Schlaf wachklingeln und hierher bestellen müssen, aber Zeit war in diesem Fall essentiell. Die anderen hatten den Club für heute Nacht schließen und dafür die Missgunst einiger wenig glücklicher Kunden auf sich ziehen müssen. In dem Tempo, in dem es hier voran ging, würden sie sicher auch noch bis in die späten Morgenstunden hier sitzen.
Dementsprechend begeisterte Gesichter blickten ihr entgegen.
Sie räusperte sich. "Der Nächste, bitte."
—
Callan Payne war ein dürrer Mann um die dreißig, der sich im Salem Nights um die Bestellungen und Lieferungen kümmerte. Seine schmalen, aber bis auf den letzten Zentimeter tätowierten Arme hielt er das ganze Verhör lang vor der Brust verschränkt. Außerdem wanderte sein Blick ständig zu Preston, und Vivien sah, wie sich seine Oberlippe das kleinste bisschen kräuselte.
"Hörn Sie, ich bestell den Scheiß und hol ihn rein, wenn der Fahrer da ist. Manchmal zähl ich durch, dass sich nicht wieder so ein kleiner Dreckskerl denkt, er könnte paar Flaschen Whiskey einstecken und niemand merkt's. Alles andere macht der Barkeeper, das geht mich 'n Scheiß an," erklärte er Cam genervt.
Ein Tattoo stach Vivien besonders ins Auge, das neueste von allen, wie es schien. Die Linien waren noch scharf, das Schwarz noch satt. Es war eine Faust, geballt um einen Holzpflock.
"Und regelmäßige Kontrollen? Soweit ich weiß, fallen diese auch unter Ihren Aufgabenbereich," sagte Cam.
Payne verdrehte die Augen. "Wissen Sie, wann der Boss das letzte Mal auf der Fläche mit uns gearbeitet hat, statt nur im Büro auf seinem fetten Arsch zu sitzen? Das ist Jahre her. Der Typ hat keinen Plan, wie das wirklich abläuft. So oft, wie der es gern hätte, kriegt das kein Mensch hin, wenn wir nebenbei noch den Laden schmeißen sollen. Das letzte Mal, dass ich gecheckt habe, ist mir nichts aufgefallen."
"Und das war wann?"
"Sonntag," gestand Payne zähneknirschend. Wieder warf er einen flüchtigen, angewiderten Blick zu Preston.
"Das kann nicht sein. Ruby Hawthorn hat ihr Geschäft letzten Montag das letzte Mal besucht und danach Symptome entwickelt. Alle offenen Behälter waren schon den Samstag davor oder früher geöffnet worden. Die Konserven waren am Sonntag schon manipuliert."
Mit einem genervten Stöhnen lehnte Payne sich auf seinem Stuhl zurück und rieb sich über das Gesicht. "Okay, Lady, das ist wirklich nicht mein Problem."
"Agent," korrigierte Cam beiläufig. "Und das wird es sein, wenn Sie für fahrlässige Tötung ins Gefängnis wandern."
"Fahrlässige Tötung?" Er lachte ungläubig, doch es verging ihm ziemlich schnell, als die drei ihn nur ernst ansahen. "Wieso zur Hölle das?"
Camille zog drei Bilder aus einem Hefter. Sie zeigten die drei Vampire, doch es waren die Bilder ihrer Leichen. Payne musterte sie angewidert. "Colin Ray und Ruby Hawthorn sind tot, und der einzige gemeinsame Nenner ist das manipulierte Blut aus ihrem Club. Das ist gerade auf dem Weg in ein Labor, dann werden wir sicher bestätigen können, dass es die Ursache für ihr Leiden war. Und Sie sind derjenige, der dafür verantwortlich war, die Ware auf Manipulation zu überprüfen. Im besten Fall haben Sie auf ganzer Linie in ihrem Job versagt und es übersehen, das ist grobe Fahrlässigkeit."
"Sie sind ein schlauer Mann, Callan, das sehe ich Ihnen an," warf Joanne dazwischen, unberührt von Cams warnendem Blick. "Ich sehe auch, wie Sie mich ansehen. Haben Sie ein Problem mit mir?"
Payne sah betont in die andere Richtung. "Ich red nicht mit Blutsaugern."
"Sie hätten das nicht übersehen. Selbst in Eile wären die Deckel doch das erste, was Sie überprüfen würden, nicht wahr? Nein, Sie sind nicht dumm. Das war nicht fahrlässig. Sie sind ein eiskalter, kalkulierter Mörder."
"Mörder?" Er schnaubte. "Das waren Vampire, wie viele hatten die wohl schon auf dem Gewissen..."
"Die Tötung eines Vampirs wird seit über zehn Jahren schon nach den selben Kriterien als Mord beurteilt wie die eines Menschen," meldete Cam sich wieder zu Wort.
"Seit fast vierzehn," korrigierte Joanne und erntete einen weiteren entnervten Blick von Cam.
"Und jetzt wollen wir die noch in den Senat wählen und Steuergelder für Hilfseinrichtungen für die armen Bastarde aus dem Fenster werfen. Die Welt geht vor die Hunde, erzähl'n Sie mir was Neues."
"Wer weiß, wie viele dieser Fälle neben Hawthorn und Ray sich noch auf Ihren Club und damit auf Sie zurückführen lassen," erlangte Cam das Wort zurück. "Dann sind Sie nicht nur für den Tod dieser Vampire, sondern auch für den der Menschen, die sie in ihrem Zustand attackiert und getötet haben, verantwortlich."
"Vampire, die Menschen töten, was für ein Skandal. Das haben diese Plagen doch schon immer getan, jetzt verrecken sie wenigstens selbst dran! Ein Problem, das sich selbst löst, wenn Sie mich fragen."
"Soll das ein Geständnis werden?"
"Ich gesteh hier gar nichts, Lady. Aber ich sag Ihnen eins: Wenn ich's gemacht hätte, denken Sie, die führen mich vor wie Staatsfeind Nummer Eins und werfen mich den Rest meines Lebens in den Knast? Denken Sie, ich bin der einzige, dem's so geht?"
"Was soll das heißen?"
"Das heißt, es gibt viel mehr von uns, als Sie sich je vorstellen könnten. Und wir haben diesen Wahnsinn alle satt." Payne lehnte sich über den Tisch ihr entgegen. "Ich an Ihrer Stelle wär dankbar, dass sich endlich mal jemand drum kümmert."
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