
Kapitel 12
♠Haydn♠
Endlich, endlich raus aus dem Krankenhaus. Ich dachte echt die wollen mich für immer dort behalten.
Alle waren nett, keine Frage, aber irgendwann ist gut.
Beim Ausfüllen der Papiere, wurde ich gebeten noch eine Weile im Resort zu bleiben, unbedingt ambulante Sprechstunden beim Psychologen zu nehmen und zudem für die Polizei erreichbar zu sein, falls sie noch Fragen hätten.
Ich bin ehrlich, ich will im Moment auch nirgends anderes sein als im Resort. Natürlich ist es nicht wie zuhause, aber nah dran. Die Menschen sind super nett, helfen einem wo sie können ohne aufdringlich zu sein und machen es dir wirklich einfach, dich wie zuhause zu fühlen und das brauche ich jetzt. Ich will nicht alleine sein, nicht auf die Art wie ich es daheim wäre.
Ja klar, da hätte ich Simon, aber kennt ihr das, wenn ihr gerade eh am Boden zerstört seid, dazu noch in eine Depression rutscht und in eurer Umgebung ist jemand der euch zwar helfen will, aber selbst mit sich zu kämpfen hat? Genau, das funktioniert nicht. Statt euch gegenseitig aufzubauen landet ihr in einer Abwärtsspirale. Wo euer Gegenüber euch motivieren und auch mal in den Arsch treten sollte, zieht er euch im Gegenteil immer weiter mit sich in den Sumpf. Und zum Schluss ist daraus kein Entkommen mehr.
Ich bin eigentlich sehr stark, aber ich habe es noch nie riskiert so tief zu rutschen, weil sogar ich Angst hatte dort nicht mehr rauszukommen. Darum nahm ich immer alle meine Kraft zusammen und blieb stark, mit dem Kinn über der Oberfläche. So zog ich Simon aus jeden seiner Sümpfe. Vielleicht war ich in meinem früheren Leben mal Rettungsschwimmer, wer weiß?
Spaß beiseite.
Ich glaube im Moment brauche ich selbst so einen Rettungsschwimmer. Nein, anders, ich denke ich habe diesen Rettungsschwimmer schon.
Rodney übermittelt so eine Ruhe und Stärke, die hatte ich nicht mal vor .... Nein ich will jetzt nicht daran denken. Lieber denke ich an ihn. Mich zieht es permanent zu ihm hin.
Auch jetzt sitzt er neben mir in seinem Wagen und fährt mich zurück ins Resort. Ich habe ihn darum gebeten, weil ich ja sonst niemanden dort habe und er war sofort bereit dazu.
Simon erreiche ich nicht. Aus was für einem Grund auch immer geht er mir wohl aus dem Weg. Ich hätte niemals gedacht, dass mein bester Freund mich mal im Stich lässt wenn ich ihn brauche. Das tut furchtbar weh.... auch wenn ich es war, der ihn weggeschickt hat. Ich brauchte etwas Abstand, aber ich habe nicht nur ihm zuliebe versprochen, dass wir täglich telefonieren oder texten.
"Über was denkst du nach?"
Hatte ich erwähnt dass Rodney ein Talent für das Lesen von Körpersprache hat? Das ist der Wahnsinn, wie oft er in der letzten Woche immer genau getroffen hat wie ich mich fühle, oder was ich gerade tue. Vielleicht sollte mich seine Aufmerksamkeit stören, mit der er mich beobachtet, aber um ehrlich zu sein tut mir seine Fürsorge gut.
"Über Simon. Seit er gegangen ist, haben wir nur am ersten Tag, als er wieder daheim war, geschrieben und kurz telefoniert, seitdem nicht mehr. Ich weiß nicht wieso, aber ich denke er ghostet mich."
"Ghost...was? Ghostet?"
"Mhm ja, wenn jemand deine Nachrichten liest aber nicht zurückschreibt, oder du anrufst und derjenige geht nie ran. Er geht dir sozusagen aus dem Weg. Das nennt man ghosten", erkläre ich ihm und muss mir ein Lächeln verkneifen. Unser Altersunterschied scheint nicht überdimensional zu sein, aber trotzdem gibt es wohl Dinge die er noch nicht kennt. Das ist süß.
"Achso, verstanden. Du denkst er schneidet dich."
Nun ist er es der sich ein Grinsen verkneift, zumindest versucht er es, denn ich kann von der Seite sehen wie sein Mundwinkel nach oben zuckt. Kurz dreht er seinen Kopf und schmunzelt dann doch. Oh man, er hat doch sicher einen Haufen Verehrer. Und das nicht nur wegen seines Lächelns, er sieht einfach wahnsinnig gut aus und ist dazu noch mega nett.
Ja ich weiß, nett ist die kleine Schwester von scheiße, aber ich mein es wirklich ehrlich. Er ist freundlich und wohl auch lieb. Doch das bekam ich an dem Tag meines Zusammenbruchs unter der Dusche nur am Rand mit.
"Also ich habe zwar keinen Freund, aber wenn ich einen hätte und ihm wäre sowas passiert wie dir, würde ich keine Minute von seiner Seite weichen und wenn doch, dann würde ich dafür sorgen, dass wir wenigstens jeden Tag telefonieren. Ich versteh Simon nicht. Soviel ich mitbekommen habe, hast du dich ziemlich um ihn gekümmert und ihm viel geholfen und nun läßt er dich sitzen? Traurig."
Seine Worte machen mich stutzig. Wenn wir die interessante Neuigkeit hinter seiner Aussage, er habe keinen Freund, mal weglassen glaube ich, dass er denkt Simon und ich seien ein Paar. Oder?
"Simon und ich....also was ich sagen will ist....wir sind nur Freunde, also keine Boyfriends. Wir sind nicht zusammen. Wir kennen uns schon seit der Geburt. Unsere Eltern waren befreundet. Sie sind auch zusammen gestorben und ab da lebte ich mit Simon zusammen bei meiner Tante und als ich ins College ging zogen wir in eine gemeinsame Wohnung. Ich war als bester Freund, ja fast schon wie ein Bruder für ihn da."
"Oh, entschuldige. Ich hatte den Eindruck ihr seid ein Paar."
Erleichterung ist aus seiner Stimme zu hören und irgendwie lässt mich das Schmunzeln. Aber irgendwie auch wieder traurig werden, denn wenn Rodney schon so lag, wieviele vor ihm dachten das auch? Hatte ich deswegen nie die Chance auf einen Freund? Weil alle dachten ich sei mit Simon zusammen? Simon hatte auch nie einen Freund, zumindest glaube ich das. Weil ich nie einen gesehen habe, noch von einem gehört.
"Soll ich ihn mal anrufen? Ich meine, wenn er meinen Namen sieht muss er ja wohl rangehen. Es könnte ja sein es ist was wichtiges, über den Fall."
Über den FALL. Ein Stechen in meiner Brust lässt mich erschrocken einatmen, was Rodney sofort alarmiert.
"Oh Gott, nein, Haydn, so habe ich das nicht gemein. Es tut mir leid. Ich meinte natürlich nicht dich persönlich. Gott ich bin so doof. Es tut mir wirklich leid."
Nickend nehme ich seine Entschuldigung an. Im Normalfall hätte ich gar nicht so extrem reagiert, aber alleine daran merkt man doch wie beschissen es mir eigentlich geht. Vielleicht seh ich mich selbst ja als diesen Fall. Ich seufze und sehe ihn hilfesuchend von der Seite an. Plötzlich frage ich mich, ob Simon vielleicht was zugestoßen ist. Sich nicht zu melden ist einfach nicht seine Art.
"Es wäre nett wenn du ihn mal anrufst, danke", nehme ich sein Angebot dankbar an.
Er nickt und flüstert ein leises "Okay", bevor er die Straße zum Resort nach oben fährt und dann auf einem Parkplatz direkt davor parkt.
Noch bevor ich aussteigen kann ist Rodney um den Wagen herum geeilt und öffnet mir die Beifahrertür. Was für ein Gentleman. Dankend lächle ich ihn an und steige vorsichtig aus. Denn auch wenn meine Wunden wirklich gut verheilt sind, tut mir mein Hintern beim Sitzen und Aufstehen, oder manchmal auch beim Laufen, schon noch weh. An meinen Händen und Gelenken ist aber nichts mehr offen oder krustig. Dort sieht man jetzt noch Narben die aber, wenn auch nur langsam so doch mit der Zeit verblassen werden. Das sagt zumindest der Arzt.
Rodney wartet geduldig bis ich stehe bevor er die Tür schließt und den Koffer aus dem Heck holt.
Gemeinsam laufen wir ins Hotel, wo wir gleich von Heya und Phe begrüßt werden. Heya zieht mich sofort in ihre Arme und drückt mich, bevor auch Phe mich umarmt. Die Beiden sind so herzlich, dass ich fast anfange zu weinen.
"Vielen Dank euch beiden, dass ihr Rodney meinen Koffer mitgegeben habt und dass ich noch eine Weile hier wohnen bleiben darf."
Bevor wir das Krankenhaus verließen, erzählte Rodney mir, dass Heya und Phe mir ein Zimmer stellen. Erst war mir mulmig zumute, weil ich nicht umsonst dort wohnen wollte, doch Rodney wünschte mir nur viel Glück bei meinem Versuch die beiden Damen vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Jetzt, wo sie vor mir stehen, verstehe ich, was er meint. Meinen schiefen Blick zu ihm erwidert er mit einem Zwinkern.
"Gerne, solange du es brauchst", antwortet Heya auch schon und hakt sich bei Phe ein. Beide drehen sich lächelnd um und gehen.
Ich bin immer fasziniert wenn ich die beiden sehe. Sie sind so gegensätzlich dass sie sich schon wieder gegenseitig anziehen. Die eine schlicht und eher sportlich bequem gekleidet, während die andere immer aussieht wie ein bunter Paradiesvogel. Unterschiedlich farbige Socken, lange Patchwork Röcke oder weite Hosen und die Oberteile passen auch nie. Ihre Haare haben auch immer eine andere Farbe. Colorblocking vom Feinsten, aber genau das zeichnet beide aus. Und das mag ich sehr. Neben Heyas einfarbiger und meist dunkler Kleidung und den dunkelbraunen Haaren, die von natürlichen Silbersträhnen durchzogen sind, können Phedokas Farben erst so richtig strahlen.
Ich nicke Rodney zu, dass wir weitergehen können, denn im Gegensatz zu mir weiß er in welchem Zimmer ich untergebracht bin.
Während er voran geht, folge ich ihm unauffällig und genieße etwas die Aussicht.
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