(Un)Passend (4)
♠Red♠
Stinger, der Typ mit der Nadel, wurde gestern Nacht mein nächstes Opfer. Vermutlich verheiratet und ganz offensichtlich nicht out hat er sich im resorteigenen Club an mich ran gemacht und mich zu einem schnellen Fick in den Darkroom eingeladen. Ich war nicht brutal aber mit Sicherheit auch nicht zärtlich, als ich mich an ihm abreagiert habe. Danach habe ich ihn einfach stehen lassen. Leute wie er sind doch selbst Schuld.
Trotzdem fühlte es sich dieses Mal nicht wie ein Sieg an, im Gegenteil. Ich fühlte mich leer und ausgelaugt und mein Schlaf war unruhig, weshalb ich früh aufgestanden bin um eine weitere Runde, diesmal ohne Hund, zu Laufen und den Kopf frei zu bekommen. CC begegne ich nicht, weder auf der Wiese, noch beim Frühstück. Irgendwie lässt mich der Gedanke an ihn nicht mehr los. Er hat das gleiche Problem wie ich, Vorurteile aufgrund seines Aussehens, doch statt sich davon unterkriegen zu lassen, scheint er sie einfach zu ignorieren. Statt sich an denen zu Rächen, die ihm das Leben schwer machen, vergnügt er sich mit denen, die darüber hinwegsehen. Er ist alleine, wie ich, aber er scheint dabei nicht unglücklich zu sein.
Ich merke wie ich sinnlos durch die Gegend laufe und nach ihm Ausschau halte. Er hat zugegeben, dass auch er ein Vorurteil hatte, aber das kann ich ihm nun wirklich nicht vorwerfen, denn ich war keinen Deut besser als er. Ich hab die Akte ja nicht mal gelesen, so überzeugt war ich von meiner Meinung. Eine Meinung die nur auf seinem Aussehen beruhte, oder etwa nicht? Zum ersten Mal verstehe ich was meine Schwester meint, wenn sie sagt: "Hör endlich auf dir selbst Leid zu tun und mach dich selbst glücklich."
Er, so wird mir klar, könnte tatsächlich der Richtige sein. Niemand, der mich glücklich macht, sondern mit dem ich glücklich werden kann. Und plötzlich weiß ich, dass ich etwas an mir und meiner Einstellung ändern muss. Ich will keinen bedeutungslosen Rachesex mehr, ich will eine Beziehung mit dem ersten Mann, der hinter meine Fassade sehen kann und der auch mit mir so ist, wie er eben ist. Ich drehe mich auf dem Absatz herum und stürme zurück zu meinem Zimmer.
Dabei komme ich an Enricos Café vorbei und bremse aus vollem Lauf, als ich ein begeistertes Jubeln höre das mir bekannt vorkommt. Dieses Jubeln hat mich gestern beim Squash mehrfach mitgerissen. Ich gehe hinein und sehe mich um, doch als ich ihn schließlich entdecke kann ich kaum glauben was ich da sehe. CC setzt sich gerade wieder hin, nachdem er drei Männer, einen davon mit einer herzlichen Umarmung, begrüßt hat. Was mir den Mund offen stehen lässt ist, dass einer der Drei verdammt nach Lyle Davis, dem Leadsänger der Stormy Teacups aussieht. Von einem anderen Tisch der Gruppe nähert sich jemand und bittet offensichtlich um ein Autogramm. Er sieht nicht nur so aus, wird mir klar.
Unglaublich. Ich reiße mich von dem Anblick los und renne in mein Zimmer. Hektisch suche ich nach dem Hefter, bis ich sehe, dass das Zimmermädchen ihn gefunden und auf den Schreibtisch am Fenster gelegt hat. Schnell ergreife ich ihn und drücke ihn mir gegen die Brust. Ohne zu zögern mache ich es mir auf meinem Bett bequem, öffne die Akte und sehe mir sein Foto erneut an. Diesmal lasse ich mich aber nicht von seiner schlichten Kleidung, einfachen Frisur und der Narbe ablenken. Stattdessen sehe ich das vitale Leuchten seiner restlichen Haut, die freundlichen, offenen Augen und das sanfte, einladende Lächeln. Er hat eine wirklich anziehende Wirkung, aber ich war zu verblendet von meinen eigenen Vorurteilen, um es auf den ersten Blick zu bemerken.
Dann beginne ich zu lesen und mir wird klar, wie sehr er zu mir passt. Er ist nahezu wie für mich gemacht. Ein Punkt ist mit einem gelben Textmarker markiert: "Aussehen des Traumpartners = Egal!" Jemand hat in rot handschriftlich zwei dicke Ausrufungszeichen daneben gemalt und die Anmerkung: "Wichtigstes Kriterium erfüllt!" Verdammt. Als ich zu den Hinweisen über die beiden vorgeplanten Dates komme bin ich froh, dass ich das erste nicht verpasst habe und sicher, dass ich auch das zweite nicht verfallen lassen werde. Aber dieses Mal werde ich es ernst nehmen.
♠CC♠
Heute Morgen habe ich mir den Luxus des Trödelns und Faulenzens gegönnt, während ich langsam erwachte und mich im Bett räkelte bevor ich ins Bad schlurfte, mir eine lange Dusche gönnte und mir beim Rasieren und Zähneputzen besonders viel Zeit ließ.
Meine Gedanken waren dabei überraschenderweise nicht bei Lu und seinem Versprechen, etwas für mich in Sachen Stormy Teacups zu tun, sondern bei Red. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der schönste Mann des Universums dafür sorgen könnte, dass mein Aussehen bedeutungslos wurde? Genau wie seins. Ich musste über die Bemerkung über den Schönen und das Biest kichern. Der Mann wollte mich beleidigen um selbst eine Chance bei Red zu bekommen und vermutlich ist ihm das auch gelungen. Doch ich dachte nur an die wahre Geschichte dahinter, denn in der bekommt das Biest die Schöne. Ich wünschte mir nur, unsere Geschichte würde genauso ausgehen.
Mein Treffen mit Lyle Davis und seinen zwei Männern hingegen brachte mich eine Weile auf andere Gedanken. Ich hatte keine Ahnung, dass Lu einer seiner Männer ist. Der hatte einen Heidenspaß an meinem Jubel. Ein paar Minuten lang musste ich mein Idol mit anderen Fans teilen, bis Lennox, sein anderer Partner, dem ein Riegel vor schob und ich kann euch sagen, mit dem legt sich keiner an. Ich sollte allerdings Recht behalten. Auch Lyle selbst konnte mich nicht mehr auf eins seiner Konzerte schmuggeln, aber er gab mir als Ersatz zwei Gutscheine für das nächste Konzert in London. Auf diese Weise erfuhr ich auch, dass sie nächstes Jahr eine Welttournee mit wenigen Konzerten in einigen Großstädten planen, die aber noch streng geheim ist.
Nun aber bin ich auf dem Weg zum Zoo, denn unser zweites Date ist eine besondere Führung durch die Wildlife-Rettungsstation mit besonderem Zugang zu den Bewohnern, die dauerhaft dort untergebracht sind, weil man sie nicht mehr auswildern kann. Anschließend gibt es ein romantisches Dinner im Streichelzoo mit tierischer Begleitung. Ich bin echt gespannt. Ob Red kommen wird? Ich bin mir sicher, dass auch er gestern einiges über sich selbst gelernt hat.
Vorurteile sind echt hinterhältig. Obwohl man selbst darunter leidet ist man doch nicht davor gefeit, sie ebenfalls zu haben. Ob er das für sich auch erkannt hat? Kann er über seinen eigenen Schatten springen? Und wird er fähig sein, den Vorurteilen, denen ich ausgesetzt bin, zu trotzen, auch wenn gerade seine Schönheit sie um so mehr triggern wird?
Ich habe die Wut in seinem Innersten flackern sehen und erkannt, dass er ein Rächer ist und kein Vergebender. Deshalb bin ich gestern gegangen. Er muß zuerst eine Entscheidung treffen, eine positive, für uns, nicht gegen alle anderen.
Als ich beim Zoo ankomme sehe ich ihn da stehen und auf mich warten. Seine Augen sind freundlich, fast liebevoll auf mich gerichtet und seine Miene hellt sich auf, als ich lächelnd und mit heftig schlagendem Herz auf ihn zugehe. Er hat einen Wildblumenstrauß in seiner Hand, den er mir übergibt, als ich ihn endlich erreiche.
"Für mich?" Er grinst verlegen. "Ja und nein. Ich habe mich vergewissert, dass alle Blumen ungiftig, unbehandelt und von einigen Bewohnern des Zoos geliebt werden." Ich nehme den Strauß lachend entgegen und revanchiere mich mit einem Kuss auf die Wange. „Hallo Red, ich freue mich, dass du hier bist." Er errötet und grinst mich schelmisch an. „Und ich freue mich auf unser zweites Date."
Meine Augen werden groß und ich sehe ihn mit schief gelegtem Kopf neugierig an. Er sieht auf seine Zehenspitzen, mit denen er Kreise in den Erdboden zeichnet. Aber nein, keine Kreise, ein Herz. Vorsichtig schaut er mit gesenktem Kopf zu mir hoch und lächelt mich fragend an. "Wenn du willst?" Ich will, oh wie ich will und ich mache kein Geheimnis daraus.
Die Aufmerksamkeit der Pfleger und unserer Führerin ruht wie üblich mehr auf den Tieren als auf uns. Vielleicht arbeiten wir auch deshalb beide mit Tieren zusammen und nicht nur weil wir sie einfach lieben. Tiere interessieren sich Null für dein Aussehen, und Menschen, die für oder mit ihnen Arbeiten in der Regel auch nicht.
Wir erfahren beide eine Menge über die heimische Tierwelt, verfüttern meine Blumen an diejenigen, die nicht mehr ausgewildert werden können, weil sie körperlich eingeschränkt oder zu sehr an den Menschen gewöhnt sind und ich trainiere ein wenig mit den handzahmen um ihre Langeweile zu vertreiben und mit den ungezähmten, um sie an bestimmte Abläufe zu gewöhnen, die für medizinische Behandlungen notwendig sind.
Red informiert sich über die Schwierigkeiten und Vorteile der Zusammenlegung mit einem Tierheim. Als wir schließlich in den Streichelzoo rüber wechseln, für den romantischen zweiten Teil, halten wir bereits Händchen. Ich weiß nicht, wann das passiert ist. Ich weiß nur, dass es sich gut und richtig anfühlt. Wir verbringen etwas Zeit im Katzenhaus und bekommen unser Dinner auf einer Terrasse serviert, von der aus wir einem Rudel Hunde auf einer abgetrennten Wiese beim Spielen zusehen können. Suity und Speedster leisten uns Gesellschaft und ich kann nicht umhin mir ein Leben wie dieses auch in England zu erträumen.
Diesmal nutzen wir unser Date um uns auszutauschen, Unsere Gemeinsamkeiten zu entdecken aber auch unsere Unterschiede zu erkunden. Als die Zeit abläuft wissen wir beide, dass wir noch nicht bereit sind uns voneinander zu trennen. „Hast du Lust, einen wandernden Stern zu besuchen?" Seine Augen funkeln begeistert auf meine Frage. Gute Idee, lass uns zu Orion in den Club gehen." Ob das dann als drittes Date gelten kann? Denn ehrlich, ich würde ihn heute Nacht gerne mit zu mir nehmen.
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