~Twentyfive~
„Hallo Skylar."
Ich war plötzlich hellwach und sprang eilig auf, als mir bewusst wurde, dass der vermeintliche Polizist mich übers Ohr gezogen hatte. Der Mann, der soeben das Büro betrat und mir nun unmittelbar gegenüber stand, war definitiv keiner von der Ausländerbehörde. Und niemand, den ich allzu schnell wiedersehen wollte.
Der Polizist trat ebenso ein und schaute abwartend. Er wirkte nervös und schien sich keineswegs wohl zu fühlen in seiner Haut.
Selber Schuld!
„Ist sie das?", fragte der Officer, woraufhin Nikolaj breit lächelte und ich mich einen weiteren Schritt von ihm entfernte. Allmählich war ich diese Angst leid!
„Ja, danke Peter für die umgehende Benachrichtigung", sagte Nikolaj höflich, ehe er auf mich zukam. Er trug einen edlen dunklen Anzug und darüber noch einen ebenso schwarzen Mantel. Ein schwarzer Hut zierte seinen Kopf und ließ seine Gesichtszüge umso finsterer erscheinen. Nikolaj wirkte so viel mächtiger, wenn er in diesem Aufzug vor mir stand und dabei nicht einmal seine Waffe unter dem Mantel richtig versteckte.
„Begleitest du mich, oder muss ich dich aus dem Revier schleifen?", fragte Nikolaj, während auf seinen Lippen noch immer dieses freundliche Lächeln war, obwohl er mir soeben drohte.
Ich antwortete nicht, stattdessen blickte ich wütend zu dem Polizisten, der mir die Scheiße erst eingebrockt hatte.
„Sky, wir hatten beide einen harten Tag", meinte Nikolaj mit versöhnlicher Stimme, als er seinen Arm zu mir ausstreckte und mich aufforderte, mich bei ihm einzuhaken. Wie ein scheues Tier blickte ich ihm entgegen.
Ich ließ meine Schultern sinken, als mir bewusst wurde, dass ich niemals aus diesem Land fliehen konnte. Niemals würde Nikolaj es zulassen, dass ich nach allem, was geschah, einfach davon stolzieren konnte.
Unmittelbar kam mir die Einsicht, wie dämlich ich war und vor Yonathan davonlief. Ich war so geblendet von meiner Wut und der Enttäuschung, dass ich nicht sah, dass ich nur bei ihm in Sicherheit war. Er würde sich um mich kümmern und mich umsorgen, wie er es schon vor 15 Jahren tat, wenn ich es nur zugelassen hätte.
Mein verletzter Stolz stand mir dafür nur im Weg.
Nur widerwillig ging ich die wenigen Schritte auf Nikolaj zu und ergriff seinen Arm. Er grinste mir siegessicher entgegen und ich hasste es, dass er mich vor den Polizisten so demütigte. Mir seine Macht unter die Nase rieb und deutlich zeigte, welchen Rang ich in dieser Hierarchie besaß.
„Ach bevor ich es vergesse", begann Nikolaj und drehte sich dabei abermals in die Richtung von Officer Stanton. „Ich benötige Ihre Handschellen."
Mit einem skeptischen Blick löste der Officer die Handschellen aus dem Gurt und überreichte diese Nikolaj, woraufhin ich nervös ein kleines Stück von ihm wegrückte.
„Keine Angst, die sind nicht für mich", zwinkerte er und verstaute die Handschellen in seinem Mantel.
Nikolaj führte mich aus dem Büro heraus und durch das Revier, in dem die Polizisten allesamt gehorsam neben den Schreibtischen standen. Keiner traute sich in seiner Anwesenheit auch nur zu blinzeln. Er nickte nur einmal, ehe wir das Revier verließen und mehrere seiner bewaffneten Wachleute uns empfingen.
Einer von ihnen war mir nur allzu bekannt und die Wut, wie er mich behandelt hatte, stieg unmittelbar in mir auf, als der Gorilla uns zu einem schwarzen SUV begleitete.
„Ich steige in kein Auto mit ihm", sagte ich und deutete dabei auf Iwan. Ich wusste, welche Aufgabe er in der Bruderschaft hatte, weshalb ich mich auch weigerte. Er war für die entführten Mädchen zuständig, jedoch war ich keines mehr von ihnen.
„Entweder steigst du freiwillig ein, oder ich zwinge dich", meinte Nikolaj ausdruckslos.
„Von freien Willen kann wohl kaum die Rede sein", zischte ich aufgebracht, ehe ich aber in den Wagen stieg und Nikolaj neben mir auf der Rückbank Platz nahm. Iwan setzte sich hinter das Lenkrad und kurz darauf rollte der Wagen auch bereits los.
„In welchen Keller willst du mich dieses Mal sperren?", fragte ich mit patziger Stimme, während ich nach draußen sah und die wenigen Lichter beobachtete, die an uns vorbeiflogen.
„Oh, wenn ich könnte, in einem, der 10 Meter unter der Erde liegt", erwiderte Nikolaj belustigt. „Aber ich möchte nicht noch mehr Benzin ins Feuer kippen."
Ich konnte mir ein Schnauben nicht unterdrücken. Seit wann wollte er verhindern, dass die Lage sich weiter zuspitzte?
„Weißt du, ich hatte Jascha dazu geraten, dich zu züchtigen. Hätte er auf mich gehört und würde dich nicht auf Augenhöhe behandeln, wäre es nie so weit gekommen, dass ich dich vom Revier abholen muss", sagte er, mittlerweile nicht mehr so belustigt. „Wenn er dich schon behalten will, sollte er dich auch unter Kontrolle haben."
„Ich bin nicht sein Eigentum!", presste ich zwischen meinen Lippen hervor, während ich meine Augen verenge und ihn böse anfunkelte.
„Nach der Versteigerung wirst du es aber sein. Ob es dir gefällt oder nicht, aber er wird an dem Abend sicher um mehrere Riesen erleichtert werden. Willst du da wirklich die undankbare Göre spielen?", fragte er, während er sich desinteressiert einige Fussel vom Mantel zupfte. Am liebsten hätte ich erwidert, dass ich überhaupt nicht wollte, dass Yonathan so viel Geld ausgab und dass es einzig ihm geschuldet war, jedoch biss ich mir auf die Zunge.
„Also bringst du mich zurück zu Yonathan?", fragte ich stattdessen.
„Natürlich. Er hat schließlich mehr als deutlich gemacht, über wie viele Leichen er geht, wenn er dich nicht bekommt. Meine Männer sind immer noch dabei aufzuräumen", erwiderte er und klang dabei alles andere als begeistert von dem, was Yonathan getan hatte.
„Warum hilfst du ihm so plötzlich?", hakte ich weiter nach, da es mir absolut nicht in den Kopf wollte, woher sein Sinneswandel kam.
„Ich helfe auch dir, Schätzchen", zwinkerte er, ehe er auf Russisch eine Anweisung zu Iwan nach vorne gab. „Uns stehen schwere Zeiten bevor und aktuell bist du nur bei meinem Sohn sicher. Spätestens in den frühen Morgenstunden wird es in ganz Russland bekannt sein, was vor wenigen Stunden in meinem Haus passiert ist."
„Wie meinst du das? Schwere Zeiten?"
„Du stellst ziemlich viele Fragen. Fakt ist, ich brauche meinen Sohn und ich benötige seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Dafür brauche ich dich, da er anscheinend sonst nicht ganz bei der Sache ist. Ich weiß nicht, welche Art von Arrangement ihr beiden habt und es geht mich nichts an, aber meinem Sohn liegt eine Menge an dir", erklärte Nikolaj mir, wobei seine Augen mich ernst musterten. Der letzte Satz versetzte meinem Herzen einen schmerzhaften Stich.
Auch wenn ich mir wünschte, dass es wahr wäre und ich mit Yonathan wieder dieselbe Beziehung führen möchte, wie vor 2 Wochen, wusste ich nicht, wie ich ihm jemals wieder vertrauen sollte.
„Und du denkst, du könntet dich so bei ihm einschleimen?", fragte ich, als es plötzlich bei mir Klick machte und mir die Vorkommnisse der letzten Tage überdeutlich vor Augen kamen, weshalb meine Theorie eilig aus mir heraus sprudelte.
„Du hast mich entführt, um Yonathan dazu zu bringen, dein Nachfolger zu werden, woraufhin Demjan wütend war, weil er sich von seinem Bruder hintergangen fühlte. Er wollte sich bei Yonathan rächen", sagte ich eilig, während in meinem Kopf die Gedanken weiter kreisten.
„Du wusstest, dass Yonathan Demjan aus dem Weg schaffen würde, wenn du nur das richtige Druckmittel hättest."
„Allmählich verstehe ich, warum er dich mag. Du hast nicht nur Temperament, sondern auch Köpfchen", lachte Nikolaj, als wir bereits auf den Parkplatz des Hotels fuhren. „Du liegst absolut richtig. Demjan ist zu naiv, um in meine Fußstampfen treten zu können und die Bruderschaft zu leiten. Yonathan hingegen wollte es nie, daher musste ich die beiden gegeneinander ausspielen. Immerhin konnte ich Demjan nicht selbst aus dem Weg schaffen. Dass mein Sohn dabei Interesse an einem Mädchen hat, dass mich bereits vor 15 Jahren um viel Geld gebracht hat, war dabei reiner Zufall und für mich ein kleiner Bonus."
Mittlerweile hatte das Auto geparkt und ich erkannte vor dem Hotel Yonathan. Er stand mit Max und Dawson vor dem Eingang und sah wenig begeistert zu dem Auto. Sein Körper wirkte angespannt und in seinem Gesicht erkannte ich die Wut aufflackern.
Nikolaj lehnte sich über mich herüber und öffnete die Tür, ehe ich mich abschnallte. Mein Herz rutschte mir in die Hose, als mir bewusst wurde, was mir nun bevorstand und wie absolut dumm ich mich verhalten hatte.
„Tue mir einen Gefallen und halte ihn bei Laune, sonst überlege ich mir das mit dem Keller 10 Meter unter der Erde nochmal."
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