~Thirty~
Als ich das nächste Mal wach wurde, war es bereits hell im Hotelzimmer. Ich wollte mich auf die andere Seite drehen, jedoch spürte ich schnell, dass meine Hand an das Bett gefesselt war, weshalb ich erschrocken daran rüttelte.
Nate befand sich nicht mehr im Bett und umgehend stieg die Panik in mir auf. Mit der Hand am Bettgestell setzte ich mich an das Kopfende und zog kräftig an der Handschelle, bis die Haut an meinem Handgelenk schmerzte.
Dann plötzlich ging die Tür von dem Hotelzimmer auf und mir entfuhr ein leiser Schrei, ehe Nate mit eiligen Schritten auf mich zukam.
„Ganz ruhig. Ich habe nur etwas zu essen geholt", sagte er und erst da fielen mir die kleinen braunen Tüten in seinen Händen auf. Mein Herz hämmerte noch immer unkontrolliert, auch als Yonathan die Handschelle von meinem Gelenk löste. „Ich dachte, du schläfst noch, wenn ich wieder da bin", entschuldigte er sich, während er mit seinem Finger über meine gerötete Haut strich.
„Falsch gedacht", murmelte ich noch immer, mit der Panik im Nacken. Auch Enttäuschung breitete sich in meinem Innern aus, als mir erst richtig bewusst wurde, dass Yonathan mich an das Bett gefesselt hatte, um sicherzugehen, dass ich nicht abhauen würde.
Natürlich war es stückweise meine eigene Schuld, da ich solche Reaktionen von ihm provoziert hatte, nur wie sollten wir so eine Vertrauensbasis aufbauen?
„Wie spät ist es?", fragte ich leise, ehe ich langsam aufstand. Mein Körper fühlte sich keineswegs erholt an, was jedoch daran lag, dass er während der Nacht nicht viel Ruhe bekommen hatte.
„Kurz vor 1", antwortete Yonathan mir und da fiel mir auch auf, dass er wesentlich frischer aussah. Seinen Bart hatte er wieder ordentlich zu einem Dreitagebart gestutzt und auch seine Haare lagen mit mehr Struktur, als sie es den Tag zuvor taten. Die dunklen Schatten unter seinen Augen waren ebenso verblasst und ich fragte mich, wie er nach so wenig Schlaf dennoch so erholt sein konnte. Zwar hatte auch er noch leichte Blessuren im Gesicht, aber sie sahen vermutlich deutlich weniger schlimm aus, als meine.
„Mach dich fertig, damit wir dann essen können", sagte Yonathan in einem liebevollen Ton, woraufhin ich die Tüten ansah. Ich nickte nur und ging dann mit unsicheren Schritten auf das Badezimmer zu.
Im Bad blieb ich zuerst vor dem Spiegel stehen und erschrak beinahe vor mein eigenes Spiegelbild. Meine hellen Augen sahen mir leer und ausdruckslos entgegen, ehe ich meine Hand leicht hob und über meine bläuliche Haut meiner linken Gesichtshälfte strich. Ein Pochen entstand unter meiner Haut und mir kamen die vielen Bilder, des vergangenen Abends in den Sinn. Ein ersticktes Wimmern entkam meinen Lippen, während abermals Tränen über meine Wangen liefen.
Ich glaubte sogar mein Lächeln vollständig in dem feuchten Keller verloren zu haben.
Meinen Hals streckend, betrachtete ich auch noch diesen. Die Kette hatte kräftige Abdrücke hinterlassen und die Haut an meinem Hals hatte sich über Nacht ins lilane verfärbt. Bei dem Anblick fühlte es sich an, als läge das kalte Metall abermals umschlungen auf meiner Haut und würde mir die Luft zum Atmen rauben.
Meine Hand presste ich mit aller Kraft auf meinen Brustkorb, als meine Atmung immer schnellere und flacher wurde. Das Gefühl zu ersticken übernahm meine Gedanken und ich klammerte mich mit der zweiten Hand an den Rand des Waschbeckens, während ich versuchte mir selbst einzureden, dass ich mich beruhigen sollte.
„Sky? Ist alles in Ordnung bei dir?" Es war seine Stimme, die mich aus meiner Panik rissen, denn das Letzte, was ich wollte, war ihm zu übermitteln, dass ich nicht stark genug war, es auch ohne seine Fürsorge zu ertragen.
„Ja, bin gleich fertig", antwortete ich gespielt gelassen.
Eilig stellte ich das Wasser von dem Waschbecken an und wusch mir damit die Tränen aus dem Gesicht, ehe ich nach meiner Waschtasche griff und meine Zähne putzte. Nachdem ich alles erledigt hatte, verließ ich das Badezimmer wieder, um gleich darauf noch eine Jogginghose über meine nackten Beine zu ziehen.
Yonathan saß geduldig an dem kleinen Tisch und starrte auf sein Handy, während er direkt vor sich schon das Essen gestellt hatte. Mit einem gekünstelten Grinsen ging ich auf ihn zu.
„Burger und Pommer. Wie amerikanisch", meinte ich und versuchte dabei die Übelkeit in meinem Bauch zu ignorieren.
„Ist schwierig, hier in der Gegend etwas zu finden, was man auch ohne Brechreiz hinunterbekommt", erwiderte er, während er sein Handy auf den Tisch legte und sein Blick in meine Richtung hob. Ich rang mir abermals ein Lächeln ab und setzte mich zu ihm. Das fettige Essen vor mir würde ich vermutlich dennoch nicht ohne Brechreiz hinunterbekommen.
Yonathan schob eine Tüte Pommes zu mir und auch einen Burger, was ich nur mit Ekel im Magen betrachtete. Ich hatte fast zwei Wochen nichts Vernünftiges mehr gegessen.
„Wie geht es dir? Hast du Schmerzen", fragte er, mit einem Hauch von Mitleid in der Stimme, ehe er genüsslich in seinen Burger biss.
Ich schüttelte meinen Kopf und nahm eine der Pommes zur Hand, um gleich darauf einmal abzubeißen. Angewidert verzog ich mein Gesicht und warf die Pommes zurück in die Tüte.
„Tut mir leid. Ich bekomme das nicht runter", hauchte ich leise und bekam umgehend ein schlechtes Gewissen, weil ich seine Nettigkeit mit den Füßen trat.
„Nein, das muss es nicht! Es war mein Fehler. Ich sorge sofort dafür, dass du leichtere Kost bekommst", erwiderte Nate und sprang sogleich auf, um sein Handy in die Hand zu nehmen.
„Yonathan, das ist sehr nett, aber das brauchst du nicht. Ein Cappuccino würde mir schon vollkommen genügen", sagte ich und umfasste dabei seinen Arm, mit dem er das Handy zu seinem Ohr führte.
„Wie du möchtest, Princess", antwortete Nate. „Max! Kannst du eventuell aus der Küche ein Cappuccino auftreiben? Aber mit Kakao!"
Mein Herz klopfte mir bis zum Hals, da er sich so bemühte mir alles recht zu machen. Yonathan beendete das Gespräch und gab mir anschließend noch einen Kuss auf die Schläfe.
„Ich muss leider gleich los, Geschäftliches erledigen", informierte Nate mich, weshalb ich ihn verwundert ansah. Wollte er mich wirklich allein lassen?
Würde er mich dafür irgendwo anbinden? Sofort ergriff mich die Panik, die sich über meine Wirbelsäule schlängelte und mich fest im Nacken packte. Meine Atmung verschnellerte sich und ich klammerte mich hastig an Yonathan's Körper.
Wie ironisch, dass ich, obwohl ich am liebsten die Flucht vor ihm ergriffen hätte, mir wünschte, er würde mich nicht allein lassen. Nur wenige Stunden waren vergangen und doch hatte er mich mit der Angst gefesselt zu werden bereits psychisch so sehr manipuliert, dass mir seine Nähe mehr bedeutete, als seine Abwesenheit.
„Sky, was ist los?", fragte er mich besorgt, als er merkte, wie mein Körper ängstlich zu zittern begann.
„Bitte lass mich nicht allein", schluchzte ich und hasste es so sehr auf ihn angewiesen zu sein.
„Ich muss leider zu dem Treffen", entgegnete Nate und nahm mich fest in den Arm, um mit seiner Hand beruhigend über meinen Rücken zu streicheln.
„Bitte binde mich nicht an! Ich werde nicht abhauen", flehte ich ihn unter Tränen an, während ich mich schutzsuchend in sein Hemd krallte.
„Das hatte ich nicht vor. Ich habe bereits für eine Lösung gesorgt", meinte er und fast zeitgleich klopfte es an der Tür, wodurch ich hastig in die Richtung sah. Wie erstarrt blickte ich die geschlossene Tür an, als könnte ich, wenn ich nur lange genug auf das Holz starren, dort hindurchblicken.
Nate löste sich aus meinem klammernden Griff und schritt zu der Tür, um diese zu öffnen. Mit angehaltenem Atem erkannte ich, wie plötzlich Stenja und Aljoscha das Hotelzimmer betraten, weshalb ich vollkommen verwirrt die drei Männer vor mir anstarrte.
„Das ist deine Lösung? Mehr als zwei von denen benötigst du nicht, um mich festzuhalten? Wo ist der Dritte?", entkam es mir sarkastisch. Yonathan ignorierte meine Feindseligkeit und zog sich währenddessen sein Jackett über, um dieses dann elegant zu schließen.
„Sie leisten dir nur ein wenig Gesellschaft", entgegnete Nate, als Stenja auch schon auf mich zukam und mich in eine innige Umarmung zog.
„Ich weiß, dass du mich vermisst hast, Malyschka", feixte Stenja und kniff mir zu allem Überfluss auch noch in meine rechte Wange. Auch Aljoscha kam auf mich zu und umarmte mich flüchtig.
„Hallo kleines Sternchen", flüsterte er, ehe er mir einen Pappbecher entgegenhielt. „Mir wurde gesagt, du hättest gerne einen Schokocappuccino."
"Yonathan! Das kann unmöglich dein Ernst sein!", sprach ich laut auf den Schwarzhaarigen ein. „Die beiden sind eine Gefahr für sich selbst, wie sollen die mich beschützen?"
„Sie ist reizend, wie immer", sagte Aljoscha an Stenja gewandt.
„Na ja, Unrecht hat sie nicht", grinste Yonathan und zog mich abermals in eine Umarmung. „Bitte tue einfach nichts Unüberlegtes", hauchte er mir in mein Ohr, ehe er sich von mir löste und die beiden Russen noch einmal ins Visier nahm.
„Ich würde euch ja bitten, auf sie aufzupassen, allerdings glaube ich, dass eher Sky auf euch aufpassen muss", sagte Nate, um dann beiden noch einen Klaps auf den Kopf zu geben. „Also benimmt euch!"
Stenja nahm seine Hand und tat so, als würde er vor Yonathan salutieren, weshalb mir zum ersten Mal ein wahres Lachen über den Lippen kam.
„Keine Sorge. Wir werden eine Menge Spaß haben, nicht wahr, Malyschka?"
Kann nur in einer Katastrophe enden 😂
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