~Five~
Wir fuhren einige Zeit, wobei ich jedoch von der Umgebung nichts erkennen konnte, da es draußen bereits stockfinster war.
In dem Kleinbus war es zum Glück nicht allzu kalt, auch wenn meine Füße sich noch immer taub anfühlten. Niemand sagte etwas und diese Stille machte die Situation nur noch unerträglicher.
Der Bus hielt und alles, was ich sah, war ein älteres Backsteingebäude mit einem neonroten Schriftzug mit russischen Lettern über der schwarzen Tür. Als die Tür von dem Kleinbus aufgezogen wurde und die eisige Kälte in das Innere drang, überkam mich umgehend ein mulmiges Gefühl.
Iwan blickte nur kurz in den Bus, ehe die ersten unaufgefordert ausstiegen und ich ihnen mit zitternden Körper folgte. Wir betraten das Gebäude und mir stieg sofort der Geruch von Zigaretten gepaart mit billigem Aftershave in die Nase, weshalb ich diese angewidert rümpfte.
„Geht nach oben. In 30 Minuten beginnt eure Schicht", ertönte abermals die Stimme von Iwan. Ich verstand noch nicht, was genau wir hier taten, auch wenn ich es vermutete. Dennoch hielt ich an meiner Hoffnung fest, eventuell mit meinem Verdacht falsch zu liegen.
Ich folgte den Mädchen einer schmalen Treppe nach oben, ehe wir einen Raum betraten, in dem mehrere beleuchtete Schminktische an einer Wand standen. Gegenüber von diesem befand sich eine große Kleiderstange, an der etliche viel zu freizügige Stofffetzen hingen.
Die Mädchen begannen, umgehend sich fertig zu machen, als sich eine von ihnen direkt vor mich stellte.
„Ich heiße Emily." Ich erkannte sofort die zarte Stimme von dem Mädchen, das mit mir nach meinem Erwachen in der Zelle geredet hatte. Sie war sehr zierlich und hatte lange schwarze Haare. Auf ihrem Gesicht erkannte ich deutlich einige Blutergüsse und ihre Haare waren das reinste Durcheinander.
Das knappe Kleid, das sie trug, sah ebenso ziemlich mitgenommen aus und ihre helle Haut war schmutzig. Sie wirkte noch einiges jünger als ich und ich bekam sofort Mitleid mit ihr.
„Sky", stellte ich mich ihr vor. Sie sah mich mit einem sanften Lächeln an, das jedoch ihre leeren Augen nicht erreichte, ehe sie ebenso zu einem der Tische ging. Ich blieb jedoch wie angewurzelt stehen und beobachtete das wilde Treiben.
Plötzlich stürmte eine hochgewachsene Frau in den Raum. Sie hatte lange blonde Haare und ein sehr kurzes Kleid an, das ihr gerade so über den Hintern ging. Dazu trug sie hohe schwarze High Heels, die sie noch größer machten als sie eh schon war.
„Beeilung! In 15 Minuten sollt ihr unten sein!" sagte sie mit einem schroffen Ton und russischem Akzent. In mir machte sich dieses mulmige Gefühl immer breiter und ich wischte meine schwitzigen Finger an meinen Stofffetzen ab, den ich immer noch trug.
„Wer ist Sky?", fragte sie in die Runde und alle schauten mich an, da ich immer noch wie angewurzelt an der gleichen Stelle stand. Ich öffnete meinen Mund und wollte etwas sagen, jedoch bekam ich keinen einzigen Ton heraus. Mit langen Schritten kam die Frau auf mich zu und musterte mich mit einem strengen Blick. „Ich heiße Ljudmila und ich bin für euch zuständig."
Sie machte eine Pause, in der sie herumwirbelte und mit der Hand über die Kleider strich.
„Such dir etwas von der Kleiderstange und danach bekommst du von mir eine Einweisung", wies sie mich mit unfreundlichem Ton an, ehe sie sich von mir abwandte und sich zu den anderen Mädels gesellte.
Vollkommen überfordert schaute ich dabei zu, wie sich alle anscheinend völlig freiwillig für die Nacht fertig machten. Warum wirkten sie alle so, als wäre es für sie okay, was sie für die Russen tun sollten?
Nur zögerlich trat ich an die Kleiderstange heran und schaute mir die abgetragenen kurzen Kleider und Dessous an. In mir stieg die Übelkeit auf, als ich mir vorstellte, wie viele diese bereits trugen. Ich entnahm ein kurzes, königsblaues Negligé aus Seide von der Stange, das noch nicht allzu verbraucht aussah. Schwarze Spitze umrandete das Dekolleté, ebenso wie den Saum des Nachthemdes. An der rechten Seite hatte es einen tiefen Beinschlitz und passend dazu gab es noch einen Slip in derselben Farbe.
„Eine sehr gute Wahl", ertönte die Stimme von Ljudmila hinter mir, weshalb ich mich eilig zu ihr herumdrehte. „Zieh es an und danach erkläre ich dir den Ablauf."
Ich tat, was sie verlangte und tauschte meinen dreckigen Stofffetzen gegen das blaue Nachthemd. Es ging gerade so über meinen Hintern, jedoch konnte man wegen des großzügigen Beinschlitzes meine Unterwäsche sehen. Immer wieder fragte ich, was ich überhaupt tat, allerdings blieb mir auch keine Wahl.
Abrupt schlug jemand die Tür auf und ich zuckte ängstlich zusammen.
„Raus!", sprach Demjan mit tiefer, dominanter Stimme. Alle verharrten regungslos und schauten ihn nur mit verängstigten Augen an, so auch ich.
„Die Mädels brauchen noch paar Minuten", entgegnete Ljudmila und ging einige Schritte selbstbewusst auf Demjan zu. Ich konnte sehen, wie er seinen Kiefer fest aufeinander drückte und mit wütendem Blick zu ihr heruntersah.
„Nein! Raus, und zwar jetzt!", presste Demjan hervor, wobei er plötzlich seine Waffe zog und mit dieser auf die Mädchen am anderen Ende des Raumes zeigte. Ein aufgeregtes Durcheinander entstand und die Mädchen stürmten eilig und ungehemmt aus dem Zimmer, wobei sie keinerlei Rücksicht aufeinander nahmen.
Nur langsam löste ich mich aus meiner Starre und wollte denen folgen, als Demjan mich jedoch am Arm packte.
„Du bleibst!" Erschrocken darüber sah ich ihn mit großen Augen an, während er nun mit seiner Waffe auf Ljudmila deutete und ihr signalisierte, dass sie ebenso gehen soll.
„Gib mir Sky's tape2pay", forderte er die Russin auf. Diese reichte Demjan daraufhin ein kleines schwarzes Armband, das wie eine Uhr aussah. Nur fehlte die Uhr, stattdessen war eine runde Platte an dem Armband.
„Wie du meinst. Aber das bespreche ich noch mit Kirill", entgegnete die Russin in einem zickigen Ton, ehe sie ebenso den Raum verließ und ich mit Demjan allein blieb. Dieser löste nur langsam seinen Griff um meinen Arm, ehe er mir in das Gesicht blickte.
Es bliebt weiterhin still und er betrachtete mich viel zu lang, was mir eine unangenehme Gänsehaut verschaffte. Als er sich mir dann näherte, wich ich einen Schritt zurück. Jedoch umfasste er plötzlich mein Gesicht und ich konnte bei seinem kalten Blick nicht verhindern, dass sich abermals Tränen in meinen Augen bildeten.
Mein Körper zitterte kräftig, während Demjan's Hände weiterhin sanft an meinen Wangen ruhten und er nur zaghaft meinen Kopf hin und her bewegte. Er musterte meine noch immer geschwollene Gesichtshälfte, ehe er seufzte und sich von mir löste.
„Verdammt Sky, wenn du so weiter machst, überlebst du keine einzige Nacht!", wütete Demjan vor mir, während er dabei wild mit den Armen gestikulierte.„Wenn dir jemand eine Aufgabe erteilt, führst du diese ungefragt und umgehend aus. Denn nicht immer wird es bei einem keinen Stromschlag oder einer Backpfeife bleiben."
Ungläubig sah ich Demjan an. Sein wütender Blick schüchterte mich ein und seine raue Stimme verängstigte mich so sehr, dass ich abermals keinen Ton über meine Lippen brachte.
„Hättest du einfach getanzt, wie es Artjom von dir verlangt hat, befänden wir uns gar nicht in dieser Situation", ermahnte er mich weiter.
„Ich konnte nicht", versuchte ich mich unter Tränen zu rechtfertigen. Meine Arme verschränkte ich vor meiner Brust und versuchte das Beben meines Körpers damit zu verbergen.
„Ändern können wir es nicht mehr. Ich weiß auch wirklich nicht, was mein Bruder an dir findet, aber ich werde dir helfen. Gib mir deinen Arm", forderte er mich auf. Abermals zögerte ich und er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen ungeduldig an. Ich streckte meinen Arm nach ihm aus und er legte mir das schwarze Armband um.
„Das ist ein tape2pay. In diesem Club wird komplett bargeldlos bezahlt. Das bedeutet, dass Kunden bei ihrem Eintritt in den Club eine Zahlkarte erhalten, auf der sie Geld aufladen. Nehmen Kunden Dienstleistungen von Frauen an, zahlen sie mit der Karte, indem sie diese an das Armband halten", erklärte er mir, während ich das schwarze Armband betrachtete.
Bei dem Wort Dienstleistung stieg erneut die Übelkeit in mir auf.
„Ich will nicht mit fremden Männern verkehren", schluchzte ich, als mich die Realität endlich einholte und mir bewusst wurde, was wirklich auf mich zukam.
„Das wirst du auch nicht", meinte Demjan kühl, weshalb ich ihn fragend ansah. „Ich werde dich zu einem der Räume bringen. Dort bleibst du und ich werde in regelmäßigen Abständen immer mal eine aufgeladene Zahlkarte gegen dein Armband halten, damit es so aussieht, als hättest du die Nacht auch gearbeitet."
„Und das wird funktionieren?", fragte ich skeptisch. Ich wollte mir keine allzu großen Hoffnungen machen, doch ungeschoren davonzukommen.
„Erst einmal ja. Artjom wird am Morgen das tape2pay auslesen und sehen, dass du Einnahmen hattest", sagte Demjan, woraufhin ich nur nickte.
„Warum hilfst du mir?", hakte ich leise weiter nach, da ich es von Demjan am wenigsten erwartet hätte.
„Das frage ich mich auch", murmelte er, ehe er die Tür öffnete und mich vor diese schob.
Hoffentlich funktionierte sein Plan ...
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