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Rena
Sie erwachte in tiefster Schwärze der Nacht und richtete sich langsam auf und Sinan nicht zu wecken.
Er hatte morgen wieder Schule.
Welch ein Glück - für ihn.
Der Schweiß ihres Alptraumes lief ihr immer noch über die Schläfen hinab und versickerte in ihrem Hemd.
Sie hatte wieder von jenen Momenten in der Besenkammer geträumt, als Sinan wild und eine wahre Bestie gewesen war.
Als er sie in die Schulter gebissen hatte ... und sie träumte nun immer noch, dass sie da einer dieser Mörder-Rudelwölfe gehört haben und in die Kammer hineingekommen sein würde, um auch ihren kleinen Bruder zu töten.
Oder von diesem kurzen Moment, als der Rudel-Wolf, ihrem Bruder die Kapuze vom Gesicht gerissen hatte, um ihn anzusehen. Es hätte ebenso gut sein letzter Augenblick sein können.
So viele Einzelheiten, Zufälle und eine Masse an Glück hatten damals eine Rolle gespielt.
Aber sie waren entkommen.
Mithilfe der Götter, da war sie sich sicher.
Vor allem natürlich, wegen Sinans kleinem Wolf-Gott, der sich wohl wirklich für ihn geopfert hatte, indem er bis zum heutigen Tag komplett untergegangen war, anstatt ihn zum blutgierigen Monster werden zu lassen ... und auch ihrer eigenen großen inneren Wolf-Göttin.
Sie leitete sie ... immer noch ... an jedem Tag.
Das tu ich. Aber es betrübt mich wie sehr deine Menschliche Seite noch immer an der Vergangenheit hängt und diese Träume dich quälen, statt allmählich zu vergehen, meldete sich Sahaa nun traurig bei ihr und Rena lächelte nur kläglich.
Es ist schon sehr viel besser geworden. Im ersten Jahr bin ich doch immer noch schreiend aufgewacht. Nun kann Sinan zumindest friedlich weiter schlafen.
Gebissene Menschenjungen haben bei weitem nicht so viel Angst, wie gebissene Menschenmädchen, scheint es mir. Doch es betrübt auch mich immer noch, dass die anderen Menschen diese Experimente mit den Welpen durchgeführt und sie vorsätzlich zu mutierten Rough gemacht haben.
Nun ja ... jetzt sind sie alle tot. Und auch die Regierung ist nun eine andere. Zudem sind wir weit weg von diesem grausigen Ort.
Das allerbeste daran, dem Center entkommen zu sein ist, nun endlich in Frieden und Freiheit weiter aufwachsen zu können. Ohne die Regierungs-Ärzte im Nacken und ohne die Rudel Wölfe, die Kinder, wie uns ohnehin sofort töten würden. Vor allem Sinan, wenn sie wüssten, dass er bereits zum Rough mutiert war.
Sahaa seufzte leise auf.
Du weißt, dass er jetzt kein Werwolf mehr ist, Rena. Shiva, sein kleiner innerer Wolf, ging zurück in die Leere und er wurde wieder zu einem ganz normalen Menschen.
Verzeih mir bitte, doch das kann ich immer noch nicht glauben, ... dass es wirklich so ist. Die Ärzte sagten immer es gäbe für uns Gebissene keine Heilung mehr. Aber nur für den Fall dass es doch so wäre, ... wünschte ich mir, dass dieses gnädige Schicksal auch noch anderen gebissen Wolf-Wandlern zuteil werden würde, Sahaa.
Es gibt so viele, die sicher immer noch qualvoll darunter leiden, zu diesem fremdbestimmten Leben gezwungen worden zu sein. Die auch große Angst davor haben, sich zu verwandeln und dann durch die Regierung gefunden oder von den vielen grausigen Rudelwölfen qualvoll hingerichtet zu werden.
Uns bleibt doch als Gebissene nur noch die einzige Wahl, unseren inneren Göttern Raum in uns einzuräumen, damit ihr ebenfalls gedeihen könnt, und das heißt ... sich wandeln, und immer wieder für einige Zeit ein Wolf zu sein oder bald schon aus allzu großem Kummer und Frustration heraus, mutiert zu einem wilden Wesen, getötet zu werden.
Es ist so unglaublich und schrecklich, was uns diese bösartigen Rudel-Wölfe damals angetan haben, obwohl wir doch nur unschuldige Kinder auf einer Wanderung waren.
Ohne jeden Arg, ohne das Wissen, dass es da überhaupt Wolf-Wandler in der Nähe gab ...
Sahaa schwieg. Denn ab diesem Punkt gab es ja auch gar nichts mehr weiter zu sagen. Sie fand es ebenfalls betrüblich, traurig und furchtbar.
Ja.
Rena konnte ihre Gefühle tatsächlich ebenso gut in sich spüren, wie ihre eigenen und Sahaa war tief besorgt über diese Zustände.
Genauso wie Rena selbst.
Also stand sie nun leise auf um ins Badezimmer hinüber zu gehen und sich zu waschen.
Naja.
Eigentlich war es nur eine Nische in der Höhle, vor die sie eine Extra Decke gehängt hatten.
Aber darin stand immerhin ein Nachttopf mit Deckel, eine große Schale, gefüllt mit klarem Wasser, zwei Waschlappen hingen an den vorstehenden Wurzeln und zwei Gläser mit Zahnbürsten und Zahnpasta standen auf dem wackeligen Hocker neben der Schale.
Diese Höhle, die sie nun schon seit fast zwei Jahren bewohnten, war inzwischen ihr festes zu Hause geworden.
Sie schliefen auf dicken Isomatten in warmen Schlafsäcken und Sinan konnte seit diesem Jahr auch endlich wieder zur Schule gehen.
Sie hatten eine Adresse in einem Asylantenheim in der Nähe angegeben. Sinan musste sich in der Schule jetzt nur immerzu ein bisschen dumm stellen, denn es war auffällig, dass er so gut Deutsch sprach. Außerdem war Indien nun mal kein Land, bei dem man hier leicht Asyl bekam.
Also hatten sie dort angegeben, er sei ein Pakistaner.
War nicht weiter schlimm.
Immerhin dieselbe Sprache, auch wenn der Dialekt ein anderer war. Aber das viel den Deutschen ja eher nicht so auf. Die konnte kaum je arabisch von Türkisch oder Indisch unterscheiden, es sei denn da war noch ein Dolmetscher mit dabei.
Nun ja.
Sie war natürlich mit Kopftuch und vielen Schals bekleidet mit ihrem Bruder zur Schule gegangen und hatte so getan als spräche sie nur ein sehr gebrochenes Englisch.
Das hatte dann auch wieder erwarten gut geklappt und Sinan war an der Schule aufgenommen worden.
Man hatte tatsächlich auch noch sie selbst mit einschulen wollen, aber sie war ja nun mal schon über 16 und außerdem immer noch ein Werwolf. Das war also viel zu gefährlich für die Menschen. Deshalb hatte sie ihnen bedeutet, dass sie ihre Schule schon in Pakistan abgeschlossen hatte.
Also wild gestikulierend und abwinkend „Finish ... finish!", gerufen.
Und das war tatsächlich auch ihr Glück.
Niemand kannte sie hier. Sie hatten keine Ausweise oder Pässe.
Und niemand machte sich auch nur die Mühe, sie kennenzulernen oder auch mal irgendwie nachzuforschen, ob sie denn tatsächlich aus dem Asylantenheim kamen, in dem die Menschen wie eng zusammengepferchte Legehennen leben mussten und jeden Tag nur darauf warteten, dass der Tag anfing und dann möglichst rasch wieder zu Ende ging.
Nein, sie selbst würde sich mit ihrer Wolfsgefahr ganz sicher nicht zu Dutzenden unschuldigen Menschen in eine enge Klasse stecken lassen, die rein gar nichts über das Virus wussten.
Also hatte sie schon seit sie hier waren auf vielen Betteltouren ihre Arbeitskraft zu einem Spott-Lohn bei den hiesigen Händlern und auch in der örtlichen Reinigung angeboten.
Wieder erwarten war Schwarzarbeit hier im Norden nämlich tatsächlich okay. Und sie gab sich auch noch für älter aus, als dass sie es war.
Doch das bedeutete für sie nun auch
Stundenlanges Waschen, Bügeln und einschweißen von Kleidungsstücken für nur 3€ die Stunde. Ewiges Einräumen von Lebensmitteln, Abends nach Ladenschluss in die Regale und endloses wischen der Böden und Fenster für nur 5€ die Stunde.
Aber als Bonus dürfte sie sich auch ab und zu die abgelaufenen Lebensmittel, die keiner mehr kaufen wollte, für lau mit nach Hause nehmen.
Und das was sie verdiente, reichte ihnen immerhin für das nötigste ... für sie und auch Sinan.
Denn zum Glück fiel die Miete in dieser Höhle ja weg. Genauso wie Strom und Wasserkosten.
Sie hatten nur kleine LED Lichterketten über ihren jeweiligen Schlafplätzen aufgehängt. Dafür hatte sie eigens zwölf Akkubatterien und ein ladegerät gekauft. Die Lichterketten waren tatsächlich auch hell genug, dass man gut sehen konnten.
Zudem lud sie täglich sowohl die Hälfte der Akkus wie auch noch ihre Power Bank in der Reinigung auf, die sie sich gekauft hatte, um damit dann Abends in der Höhle eine kleine LED Leselampe zu betreiben, die einen USB Anschluss hatte.
Zum Glück.
Im Winter brauchten sie die, damit Sinan seine Hausaufgaben machen, noch etwas lesen und auch für die Klassenarbeiten lernen konnte.
Und sie selbst konnte dann, während er lernte und las im Licht der Lampe das Gemüse putzen und ihnen beiden etwas leckeres zu essen kochen.
Denn das war ihr immerhin noch von zu Hause geblieben.
Die Kochkünste von ihrer Mutter, Aijha, die ihr das alles schon als kleines Mädchen beigebracht hatte.
Das gab Ihnen beiden dann zumindest zeitweise das Gefühl von Geborgenheit. Der Geschmack des Essens, der an zu Hause erinnerte.
Im Kreise der Familie zu sitzen, zu lachen und sich gegenseitig von ihrem Tag zu erzählen.
Sie würden das so natürlich nie wieder haben können. Es war auch besser, wenn ihre Familie sie nun für tot hielt, das hatte auch Sinan letztes Jahr an seinem Geburtstag zu ihr gesagt, auch wenn er manchmal noch Nachts schwer Träumte und die Eltern schmerzlich vermisste.
Das tat sie ebenfalls.
Doch hier war es nun immerhin besser für Sie beide.
Keine Käfige, keine Tierversuche oder giftige Spritzen. Ja, sie wurden auch beide nicht mehr von den garstigen Rudelwölfen gejagt, die harmlose Kinder einfach so umbrachten, wenn sie sie fanden. Nein, es ging Ihnen beiden gut. Sie lebten sehr Bescheiden. Hatten aber Essen und diese doch recht geräumige Höhle im Wald, warme Decken und Kleider, recht gutes Wasser aus dem Bach ganz in der Nähe, dass sie nur noch einmal zur Vorsicht durch einen selbst gebauten Wasserfilter, sprich ein aufgehängtes Fass gefüllt mit verschiedenen Schichten aus Kohle, Sand und Steinen mit einer darunter befindlicher Riesen-Wasserflasche die zwanzig Liter maß laufen ließen .
Nachts lief das Wasser da hindurch dass sie abends vom Bach holten und morgens kochten sie es dann einfach ab und tranken als erstes einen schönen heißen Tee.
- Zum munter werden.
Ihr selbstgebauter Ofen aus Lehm und Backsteinen, die sie aus dem Schutt der nahen Mülldeponie geborgen hatten, um hier drin die Wände zu verstärken und eben diesen Ofen zu bauen, der ja nun sicher sein musste, damit sie sich nicht am Kohlenmonoxid vergifteten. Er hatte sogar oben auf eine dicke stahlblech-Herdplatte, auch von der Mülldeponie. Und einen riesigen großen Topf, auch wenn er eine Beule hatte.
Das Geschirr wurde wiederum im Bach gespült. Sie hatte sogar an einem Sperrmülltag einen noch recht ordentlichen Grill, nur eben mit kaputten Beinen gefunden, die sie abgenommen und die komplette Brennkassette dann mit in ihren Backsteinofen eingebaut hatten. Das Teil hatte vorne sogar eine Tür mit Griff.
Welch ein Glück, dass es nicht komplett massiv sondern nur wackelig zusammengeschraubt gewesen war.
So war die Brenn-Kassette gut nutzbar und der Ofen wärmte nun immer die kleine Höhle so hervorragend, dass sie es nie kälter als 18 Grad hatten, selbst im Tiefsten Winter nicht.
Denn sie sammelten natürlich den ganzen Sommer über Holz, um es im hinteren Teil der Höhle zu zersägen und aufzustapeln.
Das war tatsächlich Sinans Job, wenn er von der Schule kam. Immerzu Äste zu suchen und mitzubringen, zerkleinern, zu handlichen Stücken sägen und stapeln.
Denn dazu hatte sie tatsächlich eher keine Zeit, neben der Arbeit. Meistens kam sie dann ja auch erst nach Hause, wenn es schon sehr dunkel war und spät. Sinan hatte aber schon lange gelernt, das Feuer anzumachen und Tee zu kochen. Auch kleinere Gerichte bekam er bereits zustande, und ab und zu überraschte er sie inzwischen auch mit einer gekochten Mahlzeit, wenn sie müde aber zufrieden nach Hause kam.
Ja ...
Es war ein sehr einfaches und bescheidenes, aber dafür gutes Leben.
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Hallo Ihr Lieben,
sorry, dass ich mich in letzter Zeit so selten melde und update, aber ich habe gerade wirklich große, finanzielle Schwierigkeiten und überlege wieder in meinem eigentlichen Beruf zu arbeiten und das Schreiben von Büchern nun doch wieder zurückzustellen und nur mehr als Hobby zu betreiben. Ich schaffe es einfach nicht, so wie bisher alle drei Monate ein Buch zu veröffentlichen. Und die Bücher, die ich veröffentlicht habe, im letzten Jahr laufen leider nicht besonders gut.
Also wird es wohl in der nächsten Zeit nur noch zu unregelmäßigen Updates kommen, wenn ich Zeit habe und zwischendurch die Ruhe dazu finde, an meinen Geschichten weiter zu schreiben.
Der irre Schreibflow , der mich vor Weihnachten bis letzte Woche gepackt hatte, vergeht nun allmählich. Ich kann mich wieder um meine eigentlichen Probleme und Sorgen kümmern.
Und ja, es ist schwer, freiberufliche Autoren zu sein und davon zu leben. Ich habe es die letzten fünf Jahre gekonnt.
Aber gerade musste ich feststellen, dass ich 400 Follower verloren habe, einfach so über Nacht. Dass meine Geschichten keine 100 Tausende Reads mehr haben, wie früher und ich vielleicht einfach ein bisschen den Biss verloren habe, der mich bisher ausgemacht hat. Es gibt mir die Möglichkeit zur Selbstreflektion. Vielleicht muss ich wieder zurück zu meinen Wurzeln, um mich selbst wieder aufzubauen und neue gute Bücher schreiben zu können. Ich hoffe, ihr habt weiterhin Geduld mit mir.
LG
Bea
weiteres Mal überleben.
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