sechzehn
Auf einen Schlag war es totenstill im Raum. Remus konnte seinen Blick nicht von Sirius nehmen, aber er wusste nicht, ob es an dem lag, was er gerade gesagt hatte oder daran, dass er es noch ein wenig herauszögern wollte, bevor er den anderen erklären musste, was hier gerade passiert war.
"Schätze mal, wir hätten unsere Kommentare über den fehlenden Ehepartner nicht so vorschnell machen sollen", sagte Bill dann leise und brach damit den Zauber. Tonks begann, leise zu lachen und Remus musste sich auch stark zurückhalten, jedoch nicht wegen Bills Aussage, sondern eher wegen der Verwirrtheit auf Sirius' Gesicht.
"Was ist los?", fragte er irritiert. Remus räusperte sich leise.
"Ähm", machte er, "niemand hier wusste so richtig, dass wir...zusammen sind."
Sirius' Augen weiteten sich überrascht.
"Oh", machte er etwas ratlos. Dann legte er den Kopf schräg. "Aber...wir sind noch...?"
Jetzt war es an Remus, ratlos drein zu schauen, denn wie sollte er das denn bitte beantworten? Ja? Nein? Es ist kompliziert?
"Ja", entschied er sich, zu sagen. "Wir sind seit sechzehn Jahren verheiratet."
Er sah hinunter auf die Tischplatte, dann schielte er hinüber zu den anderen. Molly und Arthur schienen vor allem überrascht, Bill wirkte schwer amüsiert, ebenso wie Tonks, Fleur schien wenig beeindruckt, aber gut, sie kannte Remus und Sirius beide erst seit heute, also war kein großes Weltbild verrückt worden. Anders sah es bei den vier Jugendlichen aus, die sie beide mit teils metaphorisch und teils sehr wörtlich offenen Mündern anstarrten.
"Warum habt ihr das verheimlicht?", fragte Harry und man konnte hören, dass er sich wirklich große Mühe gab, nicht allzu verletzt zu klingen. Remus hob entschuldigend die Schultern.
"Haben wir nicht wirklich", meinte er. "Wir haben es nur nie explizit gesagt und niemanden korrigiert, der Annahmen aufgestellt hat."
.:.
Es war möglicherweise das unangenehmste Essen, was Remus je erlebt hatte. Zum Glück lenkte Tonks das Thema schnell wieder zurück auf andere Dinge und so konnte er sich voll und ganz darauf konzentrieren, seine Nudeln zu essen und niemanden anzuschauen.
Nach der Mahlzeit begann Molly, die Räume zu verteilen. Sie und Arthur bezogen das Gästezimmer im ersten Stock, wo Sirius die erste Zeit geschlafen hatte, bevor er nach oben in sein eigenes Zimmer zurück gewechselt war. Harry und Ron sowie Ginny und Hermine bekamen wieder die Räume, in denen sie letzten Sommer schon gewohnt hatten und nach kurzem hin und her entschied Molly, da keine weiteren Gästezimmer mehr zur Verfügung standen, dass Fleur bei Tonks schlafen würde und Bill bei Remus. Remus war sich ziemlich sicher, dass an dieser Einteilung noch ohne Mollys Wissen etwas gedreht würde, aber er machte keinen entsprechenden Kommentar.
Stattdessen nutzte er den Trubel des Einzugs, um Sirius fragend anzuschauen, der nickte und sie verdrückten sich gemeinsam aus der Küche, ohne dass es jemand merkte.
Mangels privater Alternativen, die nicht Sirius' Schlafzimmer waren, was sich dann doch etwas zu vorschnell angefühlt hätte, landeten sie, wie schon vor so vielen Wochen einmal, oben auf dem Dach des Hauses.
Es war Ende August und früher Abend, sodass die ersten Gedanken an den Sonnenuntergang schon über den Dächern Londons hingen, es aber noch recht hell war. Für einige Minuten saßen sie einfach nur schweigend nebeneinander, dann sagte Sirius leise:
"Es tut mir leid."
Remus sah ihn überrascht an.
"Dass ich so lange gebraucht habe", spezifizierte Sirius. Remus schluckte.
"Es ist okay", sagte er. "Ich bin einfach froh, dass du es jetzt wieder weißt."
Sirius nickte.
"Kannst du mir noch helfen, ein paar Logiklöcher zu füllen?", bat er. "Ich...ich habe so viele neue Erinnerungen, aber ich bekomme sie nicht in die richtige Reihenfolge. Kannst du mir mehr erzählen?"
Remus überlegte kurz, wo er anfangen sollte.
"Einfach...eine grobe Zeitlinie von...uns?", konkretisierte Sirius seine Bitte.
Remus nickte.
"Okay", meinte er. "Also...wir sind in der fünften Klasse zusammen gekommen. Damals war ich noch Ilia. Ich hab dir nach ein paar Wochen erzählt, dass ich eigentlich Remus bin. Wir waren den Rest unserer Schulzeit zusammen, danach sind wir zusammen in eine Wohnung gezogen."
"Mit den alten Damen in der Nachbarschaft", warf Sirius mit leuchtenden Augen ein. "Millie und Eve und Polly-Ann. Und dem großartigen Apfelkuchen, den sie gemacht haben."
Remus grinste und nickte.
"Genau. Du hast als Hund viel mit den Nachbarskindern gespielt. Wir hatten ein gutes Leben, außer dass Krieg war." Er schluckte. "Lily und James haben geheiratet und wir haben entschieden, dass wir das auch wollen. Dadurch, dass ich offiziell immer noch eine Frau war, hatten wir ein Schlupfloch."
"Es war Winter. Eiskalt", erinnerte Sirius sich. "Meine Haare sind eingefroren!"
"Das lag nur daran, dass du so viel Gel drin hattest", neckte Remus ihn.
"Das Gel war stylisch!", protestierte Sirius. "Ich habe exzellent ausgesehen!"
Remus lachte leise in sich hinein.
"Das hast du tatsächlich", stimmte er zu. Aber nicht wegen des Gels. Eher trotz dessen. Sirius grinste. Dann runzelte er die Stirn.
"Warte, war das bevor oder nachdem wir zum Orden gekommen sind?", fragte er.
"Oh nein, zu dem Zeitpunkt waren wir schon lange drin", erklärte Remus schnell. "Dumbledore hat uns quasi direkt nach der Schule angeworben." Er musste lächeln. "Du, James, Pete, Marlene und Lily habt alle gedroht, dass ihr nicht teilnehmt, wenn ich nicht offiziell als Remus Lupin einsteigen kann. Er ist ziemlich schnell eingeknickt."
Sirius lehnte sich zurück, schob seine Arme hinter seinen Nacken und sah in den Himmel hinauf, der sich langsam lila verfärbte.
"Also waren wir alle im Orden", fasste er zusammen. "Lily und James haben geheiratet, wir haben geheiratet. Alles war gut. Nur, dass Krieg war."
Remus schluckte, dann seufzte er und legte sich neben ihn, richtete seinen Blick auch nach oben. Das Folgende zuzugeben war leichter, wenn er ihm nicht in die Augen sah.
"Ja", sagte er. "Es war Krieg. Wir alle waren viel unterwegs. Wir haben uns kaum gesehen. Abstand schafft Probleme, Probleme schaffen Misstrauen. Viele von unseren Verbündeten sind gestorben. Zu viele andere haben die Seiten gewechselt. Leute, denen wir alle bedingungslos vertraut haben. Gleichzeitig gab es einige recht clevere Versuche von den Todessern, gezielt Misstrauen zu säen, die leider ziemlich gut funktioniert haben. Am Ende hat fast keiner mehr irgendwem wirklich vertraut. Jeder hätte ein Verräter sein können und mit genügend Beweisen hätten wir es geglaubt. Haben wir es geglaubt." Er schloss die Augen. Immer noch versank er in Scham, wenn er daran dachte, wie schnell er sich hatte davon überzeugen lassen, dass Sirius der Verräter gewesen war.
Es war eines der wenigen Dinge, über die sie letztes Jahr einmal ein tatsächliches Gespräch geführt hatten. Sirius hatte ihm verziehen. Hatte sich selbst jedoch nie dafür vergeben, Remus verdächtigt zu haben und ihm deshalb nichts vom Tausch erzählt zu haben. Selbstverständlich hatte Remus ihm auch das nicht vorgehalten. Er war sich trotzdem sicher, dass Sirius diese Schuld für immer erdrücken würde. Genau wie Remus die dafür, seinen Mann in Askaban sitzen gelassen zu haben. Auf eine Weise hätte man sagen können, dass sie quitt waren. Diese Aussage hatte aber nur dafür gereicht, dass sie einander verziehen hatten, nicht sich selbst. Niemals sich selbst.
"Am Ende wurden wir getrennt", sprach Remus weiter, als ihm auffiel, wie lange er geschwiegen hatte, tief in Gedanken. "Etwas ist passiert, ich kann dir noch nicht erzählen, was. Wir haben uns danach dreizehn Jahre lang nicht gesehen."
Sirius sagte nichts. Nach einigen Momenten drehte Remus seinen Kopf, sodass er ihn anschauen konnte. Er starrte immer noch nach oben, dann wandte er ebenfalls langsam seinen Blick und in seinen Augen lag etwas, was beinahe wie Angst aussah.
"Ich spüre es kommen, Remus", sagte er leise, beinahe flehend. "Das Große. Ich spüre es kommen und ich hab Angst davor, ich hab solche Angst..."
Remus tastete nach seiner Hand, schob seine Finger dazwischen. Sirius griff fest danach, dann rollte er sich auf die Seite, sodass er seinen Kopf auf Remus' Brust legen konnte, der ihn fest an sich zog, seinen vertrauten Geruch einatmete.
"Wenn du sagst, dass wir uns getrennt haben", murmelte Sirius irgendwann. "Wo sind wir dann jetzt?"
Remus umarmte ihn noch fester.
"Wir haben uns vor zwei Jahren wieder getroffen", erzählte er weiter. "Seit dem haben wir uns vorsichtig angenähert. Aber all das, was vorher passiert ist und die ganze Zeit dazwischen, das stand immer noch zwischen uns. Wir mussten erst noch schauen, ob wir noch zueinander passen. Ob wir noch zueinander passen wollen. Es hing alles in der Luft, bevor du..."
Sirius seufzte.
"Überlass es mir, das schlechteste Timing für einen Gedächtnisverlust zu wählen", brummte er. Seine Hand strich vorsichtig über Remus' Brust und blieb über der kleinen Wölbung liegen, die mittig unter seinen Schlüsselbeinen deutlich spürbar war.
"Du trägst immer noch den Ring", stellte er fest.
"Ja."
Sirius richtete sich etwas auf. Gerade so viel, dass er Remus anschauen konnte, ohne sich zu weit aus der Umarmung zu lösen.
"Ich liebe dich", sagte er. "Ich kann mich an große Teile meines Lebens nicht erinnern, deshalb bin ich mir im Augenblick bei fast gar nichts sicher. Aber ich bin sicher bei dir. Wenn du mich noch willst."
Remus starrte ihn. Wie lange hatte er darauf gewartet, dass Sirius das zu ihm sagen würde? Wie oft hatte er darüber nachgedacht, wann er endlich die Chance bekommen würde, es zu erwidern.
"Ich will", antwortete er, die Worte über seine Lippen, bevor er wirklich darüber nachgedacht hatte. "Merlin, ich weiß nicht, ob ich jemals etwas mehr wollte."
Sirius lächelte breit, dann lehnte er sich ein Stück nach vorne.
"Darf ich?", murmelte er. Remus lachte leise und ein bisschen verzweifelt, denn hier war Sirius, Millimeter und Sekunden davon entfernt, das zu tun, worauf Remus seit Jahren wartete - und er besaß die Dreistigkeit, um Erlaubnis zu fragen.
Also schloss Remus die Lücke selbst. Nach beinahe fünfzehn Jahren trafen ihre Lippen wieder aufeinander.
Es fühlte sich an, wie nach Hause zu kommen.
Ich hoffe, alle meine Kitschnudeln sind okay, ihr habt euch dieses Kapitel nach dem langen Warten aber auch wirklich verdient!
Schönen Donnerstag euch und dann ein wunderbares Wochenende!
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