fünfzehn
Remus erreichte die Küche durch die Situation mit Sirius deutlich nach den anderen und die hatten sich schon um den langen Tisch herum hingesetzt und lautes Geschnatter füllte den Raum.
"Remus, was bei Merlins Bart habt ihr mit den Wänden gemacht?", fragte Molly, als er die Treppe hinunter kam. Er sah sich um, ganz als würde er die knallbunten Wände das erste Mal sehen.
"Wir haben sie gestrichen, Molly", antwortete er ruhig. "Wurde mal Zeit, dass etwas Leben hier reinkommt, findest du nicht?"
Sie musterte zuerst ihn und dann noch einmal die Wände abschätzig.
"Meinst du nicht, dass das für das Hauptquartier eines geheimen Ordens in einem Krieg ein bisschen unangemessen ist?", fragte sie. Remus schmunzelte.
"Zu unserer Verteidigung, als wir es gestrichen haben, war das hier das Hauptquartier von drei jungen, gelangweilten Menschen."
"Also ich find's cool!", erklärte Ginny laut. Molly murmelte etwas von wegen, dass sie sich das schon gedacht hatte, bevor sie sich wieder zum Herd umdrehte, wo sie, wie Remus hoffte, versuchte, die Tomatensoße zu retten. Er trat neben sie.
"Also ich fand sie gar nicht schlecht", erklärte er. Molly musterte ihn, dann verdrehte sie die Augen und schmunzelte.
"Hast du das gewürzt?", fragte sie. Remus nickte. Molly schnaubte belustigt. "Du kannst froh sein, dass du beim Kochen jedes Mal eine weiße Weste hast, sonst müsste man dir für die nächsten zehn Gerichte verbieten, Oregano zu benutzen."
"Molly, ich weiß gar nicht was du hast", erklärte er schelmisch. "Oregano ist das beste."
Sie schlug scherzhaft mit einem Topflappen nach ihm.
"Geh mir aus dem Weg", drohte sie unheilvoll. Dann deutete sie über ihre Schulter. "Rede lieber mal mit Harry, der Junge platzt gleich vor Fragen, die er sich nicht traut, zu stellen."
Remus folgte ihrem Wink und tatsächlich, Harry saß am hinteren Ende des Tisches obwohl er sich nicht bewegte, konnte Remus beinahe spüren, dass er vor ungestellten Fragen vibrierte.
Er entschied sich, Molly in Ruhe zu lassen und sein Blick wanderte kurz über Arthur, Fleur und Bill, die am anderen Tischende die Köpfe zusammen gesteckt hatten und tief im Gespräch versunken schienen und Ron, der wenig unauffällig versuchte, zu lauschen, zu Ginny, Hermine und Tonks, wo Ginny immer noch über Fleur lästerte.
"Also ich finde, ihr beide seid ein bisschen unfair", sagte Tonks gerade. "Habt ihr mal versucht, euch mit ihr zu unterhalten und sie in der Familie willkommen zu heißen?"
Hermine und Ginny zogen eine Schnute.
"Aber sie ist langweilig und oberflächlich", maulte Ginny, wenn auch immerhin leise genug, dass Fleur zumindest realistisch so tun konnte, als würde sie es nicht hören. "Bill könnte eine so viel bessere Freundin finden."
"Alles, was sie interessiert, sind ihre Haare und ihre Klamotten", ergänzte Hermine. Tonks hob überrascht die Augenbrauen und Remus tat es ihr gleich. Ja, Fleur hatte einen eleganten Stil, aber er war gleichsam pragmatisch und selbst wenn, was sagte das denn bitte über eine Person aus, dass sie sich für Mode und Frisuren begeistern konnte?
"Arbeitet sie nicht bei Gringotts?", fragte Tonks. Ginny zuckte mit den Schultern.
"Ja, vermutlich, um einen reichen Mann zu finden."
Tonks' Blick wanderte noch einmal zu Fleur und Bill hinüber.
"Ist Bill ein reicher Mann?", fragte sie. Ginny und Hermine sahen sie etwas feindselig an, konnten aber nichts wirklich darauf erwidern. Tonks sah sie selbstzufrieden an. "Seht ihr? Vielleicht gebt ihr einfach zu, dass ihr ihr gar keine Chance gegeben habt. Es kann ja sein, dass sie komplett andere Interessen hat, als ihr, ihr müsst ja keine besten Freundinnen werden. Aber Merlin, haben wir es als Frauen nicht schon schwer genug, von Typen immer auf unser Aussehen reduziert zu werden? Müssen wir das echt auch miteinander machen?"
Remus lächelte in sich hinein. Ja, Tonks war schon ein ziemlich cooler Mensch und er freute sich wahnsinnig, dass sie inzwischen zu seinen engsten Freunden gehörte.
Er ließ sich neben Harry an den Tisch fallen.
"Wie geht's Sirius?", platzte der sofort heraus. Remus lächelte ein wenig traurig.
"Gerade nicht so gut", erklärte er. "Aber in ein, zwei Stunden ist er bestimmt wieder auf den Beinen. Ihr seid eine Woche hier und grundsätzlich ist er inzwischen ziemlich gut davor, ihr werdet sicher noch genug Gelegenheiten finden, euch zu unterhalten."
Harry schien etwas erleichtert. Dann erschien eine steile Falte auf seiner Stirn.
"Ist es meine Schuld, dass es ihm jetzt nicht gut geht?", fragte er besorgt. "Hab ich irgendwie...Erinnerungen ausgelöst?"
Remus drückte beruhigend seine Hand.
"Absolut nicht", versicherte er ihm. "So linear ist es meistens nicht. Die Trigger sind nichts, was du kommen siehst. Überhaupt, die allerwenigsten Erinnerungen werden so spontan ausgelöst. Die meisten kommen schleichend, er kann inzwischen ziemlich gut einschätzen, wann die nächste große Welle kommt." Er lächelte Harry aufmunternd an. "Und manchmal passiert es dann doch in Momenten, wo man nicht so damit rechnet, wie vorhin. Ich glaube, so viele Leute auf einmal waren einfach zu viel." Er beschloss, zu verschweigen, dass es anscheinend nicht die vielen Leute insgesamt gewesen waren, sondern vermutlich Fleur spezifisch und das leichte Kribbeln in der Magengrube, das sie als zumindest teilweise Veela bei Menschen auslöste. Aber das tat sie nicht absichtlich und so sah Remus wirklich keinen Grund, irgendwen (ihr inklusive) das auf die Nase zu binden.
"Wie viel weiß er schon?", fragte Hermine neugierig. Remus sah zu ihr hoch und bemerkte, dass alle ihre eigenen Gespräche eingestellt hatten und stattdessen ihm zuzuhören schienen. So richtig wunderte es ihn nicht, natürlich waren sie neugierig. Er räusperte sich.
"Er hat die meisten Erinnerungen an unsere Schulzeit, auch wenn noch einige Details fehlen. Er hat in den letzten Wochen auch immer wieder Erinnerungen aus dem ersten Krieg bekommen, aber bisher weiß er noch nichts darüber, wie er zu Ende gegangen ist und auch nichts von danach." Er schluckte. "Er weiß, dass wir aktuell 1996 haben, ihm ist bewusst, dass ihm da über sechzehn Jahre noch fehlen, aber bisher ist das alles noch irgendwo, wo er nicht darauf zugreifen kann."
"Unsere Theorie ist im Augenblick, dass der 31. Oktober eine Schlüsselerinnerung zu allem ist, was danach kommt", ergänzte Tonks. "Stellt es euch vor, als wäre unser Hirn eine riesige, verwinkelte Bibliothek mit den Büchern als Erinnerungen. Ihr kennt eure eigene ziemlich gut, weil ihr mit dabei wart, während sie gewachsen ist. Ihr kennt den Aufbau und das System, nach dem alles sortiert ist, auch wenn ihr nicht jede einzelne Erinnerung abrufen könnt, habt ihr trotzdem einen Überblick, wie alles zusammengehört. Manchmal, wenn etwas passiert und ihr es einsortiert, stolpert ihr dabei über Seitengänge, die ihr lange nicht betreten habt. Manchmal stöbert ihr einfach aus Neugier noch einmal durch verschiedene Sachen. Es gibt Ecken, die ihr mögt und Ecken, die ihr gruselig findet, weil sie dunkel und verstaubt sind und manchmal müsst ihr, um an bestimmte Regale zu kommen, vorher durch andere Abteilungen durch."
Tonks lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.
"Sirius ist vor zwei Monaten einfach völlig planlos in seiner Bibliothek aufgewacht. Er hat überall um sich herum Regale und Bücher, aber keine Ahnung, wo was ist und was wie zusammenpasst. Alles, was ihm übrig bleibt, ist eine komplett neue Inventur zu machen, einfach drauf los zu gehen und Bücher anzuschauen. Meist muss er nicht jedes einzelne Buch öffnen, es reicht in der Regel, zwei oder drei Bücher im Regal zu lesen und die Titel, um einordnen zu können, welches Genre das ist. Sortiert sind sie ja, er muss ja nur herausfinden, wie. Manchmal passieren von außen Dinge, die ihn automatisch in eine komplett neue Ecke versetzen, von der er vorher nicht wusste, dass es sie gibt. Das kann beängstigend sein, weil er erstmal komplett von vorne anfängt, herauszubekommen, wo er ist. Das ist nicht besonders angenehm, herumspazieren und Türen öffnen und Gänge erkunden ist ein schönerer Weg, sich einen Überblick zu verschaffen."
Remus fragte sich, wie lange Tonks wohl an dieser Metapher gesessen hatte. Er konnte nicht abstreiten, dass sie Sirius' Kampf schön anschaulich zeigte.
"Sirius' Problem", fuhr Tonks fort, "dessen er sich nicht wirklich bewusst ist, im Augenblick, ist dass er nicht eine riesige Bibliothek mit Erinnerungen hat - sondern zwei. Alles, was er bisher entdeckt hat, ist im ersten Teil. Es gibt einen kompletten zweiten Teil von Erinnerungen, abgetrennt mit einer einzelnen Tür. Solange er nicht durch diese Tür durchgeht, hat er keine Chance, irgendeine Erinnerung aus der zweiten Bibliothek zu finden. Diese Tür ist Halloween 1981. Alles, was danach passiert ist, ist so unwiderruflich damit verknüpft, dass er es nicht wissen kann, solange er nicht weiß, was an Halloween '81 passiert ist."
"Wir hoffen, dass er diese riesige Tür irgendwann beim Herumstöbern findet", klinkte Remus sich wieder ein. "Und nicht irgendwann irgendetwas passiert, was ihn mit einem kräftigen Schubs hindurchstößt. Es wird so oder so schlimm, aber in der zweiten Version ist es schlimmer."
"Das Gute an der ganzen Sache", sagte Tonks, die anscheinend beschlossen hatte, die gedrückte Stimmung etwas zu heben, "ist, dass er aktuell ein wirklich fröhlicher, witziger Kerl ist. Das glaubt ihr nicht, er ist ein anderer Mensch, als vorher." Sie lächelte ein wenig traurig. "Ich weiß, dass es vermutlich nicht dauerhaft so bleibt. Aber es ist schön, ihn einmal so kennen zu lernen."
Remus schluckte.
"Es ist auch schön, ihn noch einmal so zu erleben", ergänzte er leise.
Molly musterte ihn mitleidig, als sie jetzt vom Herd auch an den Tisch kam und zwei große Töpfe mit Nudeln und Soße darauf schweben ließ.
"Wie schlägst du dich damit?", fragte sie mitfühlend, während sie mit dem Zauberstab Teller und Besteck für alle verteilte. Remus zuckte mit den Schultern.
"Im Augenblick weiß er noch nicht zu 100%, wer ich bin", erklärte er. "Ich meine, er erinnert sich an mich aus der Schulzeit, aber nicht an..." Er unterbrach sich selbst. Nein, entschied er sich, diese große Runde war vielleicht nicht der beste Zeitpunkt für ein Coming Out. Sie hatten es nie wirklich verheimlichen wollen, aber irgendwie hatte es doch niemand je mitbekommen. Es jetzt in einem Nebensatz zu sagen ̶o̶h̶n̶e̶ ̶S̶i̶r̶i̶u̶s̶ ̶n̶e̶b̶e̶n̶ ̶s̶i̶c̶h̶ ̶z̶u̶ ̶h̶a̶b̶e̶n̶, fühlte sich falsch an. "...nicht an andere Dinge, die später passiert sind." Er zuckte mit den Schultern. "Aber es wird besser. Je mehr er weiß, desto mehr wird es wie früher."
"Nun", sagte Molly nachdrücklich, "ich finde es sehr stark von dir, dass du das mit ihm machst. Ich weiß nicht, wie viele meiner Schulfreunde das für mich machen würden."
"Naja, ich bezweifle, dass es einer deiner Schulfreunde für dich machen müsste, Mum", meinte Bill. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass Dad nicht von deiner Seite weichen würde."
Ginny grinste.
"Oh ja", stimmte sie zu. "Es wäre super nervig."
"Das ist jetzt etwas taktlos von euch", mahnte Arthur. "Nicht jeder hat einen Ehepartner, der in solchen Situationen..."
Er wurde unterbrochen, als es oben auf der Treppe laut rumpelte, wie Remus es gelernt hatte, als eine Person zu erkennen, die vollkommen überstürzt heruntersprintet. Und tatsächlich, es dauerte nur wenige Sekunden, da polterte es auf der Treppe in die Küche hinunter und Sirius erschien.
"Remus! Remus! Ich erinnere mich!", rief er laut, blieb am unteren Ende stehen, seine Augen waren nur auf Remus gerichtet. Der war sich nicht sicher, ob er die anderen Personen im Raum überhaupt wahrnahm. Seine Augen trafen auf die seines Mannes, in dessen Blick sich minimal etwas verändert hatte. Minimal, aber genug - Remus war klar, was Sirius sagen würde, noch bevor er es aussprach.
"Ich erinnere mich daran, in dich verliebt zu sein!"
Can I get a Finally? Well, da ist jetzt erstmal etwas Erklärungsnot am Mann, was?
Am Donnerstag brechen wir ein wochenlanges Muster von immer abwechselnden Kapiteln in der Gegenwart und dann Erinnerungen. Aber hier wäre es wirklich fies gewesen, euch eine ganze Woche warten zu lassen, wie es weiter geht. Freut euch also drauf, dass es in drei Tagen genau in dieser Sekunde wieder ansetzt.
Grundsätzlich wird es ab hier wieder ein wenig Durcheinander mit den Erinnerungen, weil der Plot in der Gegenwart wieder, wie am Anfang, dominanter wird. Insgesamt kommen noch drei Erinnerungen und sechs normale Kapitel.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro