elf
"Ich hab uns was mitgebracht", erklärte Tonks eine weitere Woche später mit leuchtenden Augen, als sie (rotes Armband) von einem mehrtägigen Ausflug zurückkam.
Sirius und Remus hatten beschlossen, dass "Ausflug" das einzige passende Wort war, da sie die meiste Zeit keinen blassen Schimmer hatten, was sie eigentlich tat, wenn sie unterwegs war. Manchmal waren es Missionen, manchmal besuchte sie ihre Eltern und manchmal wollte sie es beim besten Willen nicht verraten. (Remus vermutete, dass es in dem Fall Geheimaufträge waren, aber sie hatten beide beschlossen, dass ihnen diese Erklärung zu langweilig war. ̶W̶a̶s̶ ̶w̶a̶r̶ ̶e̶i̶g̶e̶n̶t̶l̶i̶c̶h̶ ̶a̶u̶s̶ ̶i̶h̶r̶e̶m̶ ̶L̶e̶b̶e̶n̶ ̶g̶e̶w̶o̶r̶d̶e̶n̶,̶ ̶d̶a̶s̶s̶ ̶G̶e̶h̶e̶i̶m̶a̶u̶f̶t̶r̶ä̶g̶e̶ ̶l̶a̶n̶g̶w̶e̶i̶l̶i̶g̶ ̶w̶a̶r̶e̶n̶?̶)
Sirius und Remus sahen sie neugierig an, während sie in der Küche die Einkäufe auspackte.
"Muffins?", fragte Sirius hoffnungsvoll.
"Schokolade?", schlug Remus vor.
"Schokoladenmuffins?", führte Sirius die beiden Ideen zusammen. Tonks schüttelte den Kopf.
"Nope", meinte sie. "Nichts zum Essen. Ich hab beschlossen, dass wir oft genug Koboldstein, Zauberschnippschnapp und Schach gespielt haben."
"Nein!", protestierte Sirius entsetzt, "ich hatte gerade eine brillante Idee, wie ich aus Bauern Kanonen bauen kann!"
Remus musterte ihn von der Seite, dann wandte er sich wieder an Tonks.
"Ich bin plötzlich sehr interessiert an deinem neuen Vorschlag", erklärte er trocken. Sie grinste.
"Es steht im Salon oben", sagte sie. Remus und Sirius tauschten einen Blick, entschieden sich dann, dass sie niemand dafür verurteilen würde, wenn sie für einen Augenblick 10 statt 36 Jahre alt wären und stürmten die Treppe nach oben in den Salon, der sich inzwischen beinahe wie Zuhause anfühlte. Mit offenen Mündern blieben sie stehen, als sie sahen, was Tonks' "Mitbringsel" war.
"Versteh mich nicht falsch", sagte Sirius mit leuchtenden Augen, "ich liebe es. Aber was ist das?"
Remus schüttelte nur den Kopf.
"Ich habe keinen blassen Schimmer", meinte er, aber er konnte Sirius' Begeisterung durchaus nachvollziehen. Langsam traten sie näher an das hüfthohe Ungetüm mitten auf dem Teppich, umrundeten es und betrachteten es von allen Seiten. Remus zog vorsichtig an einigen herausstehenden Hebeln, fand heraus, dass man sie drehen konnte. Sirius entdeckte währenddessen Löcher an den Seiten und darin...
"Ein Ball! Moony, ich hab einen Ball gefunden!" Er warf ihn Remus zu, der ihn selbstverständlich nicht fing, sondern wie ein normaler Mensch hinterher unter dem Sofa hervorpulte, wo er natürlich hingerollt war. Er war etwa so groß, wie ein Schnatz, etwas größer vielleicht (es war lange her, dass Remus einen Schnatz nahe genug gesehen hatte, um die Größe einschätzen zu können, jetzt, wo James nicht mehr da war, der anstrengenderweise konstant damit gespielt hatte). Aber er hatte keine Flügel, war überraschend schwer und er wirke, als wäre er aus recht billigem Plastik.
Sirius hatte jetzt auch entdeckt, dass man an den Griffen herumspielen konnte und veranstaltete einen derartigen Krach damit, dass Remus den Ball wieder zurück warf, einfach, damit er aufhörte. Sein Mann, immer der Angeber, fing ihn natürlich ohne Probleme (er war nicht im Quidditchteam gewesen, aber der Grund dafür waren die Besen gewesen, nicht die Bälle).
Hinter sich hörte er jetzt Schritte auf der Treppe und Tonks kam ins Zimmer, ihre Augen strahlten, als sie eine präsentierende Geste auf das...Ding...machte.
"Ein Tischkicker!", erklärte sie begeistert.
"Er ist grandios!", erklärte Sirius aufgeregt, während er wie wild an einem der Hebel drehte, auf eine Weise, von der Remus sich sicher war, dass sie so nicht gedacht war.
"Will ich wissen, woher du ihn hast?", fragte er etwas skeptisch. Tonks ging an ihm vorbei auf Sirius und den...Tischkicker...zu und nutzte die Gelegenheit, um ihn zu schubsen.
"Du denkst immer so schlecht von mir", maulte sie. "Wenn du es genau wissen willst, ich hab ihn mir geliehen. Mit Einverständnis des Besitzers." Sie machte eine kurze Pause, dann seufzte sie, weil sie merkte, dass Remus ohnehin fragen würde. "Es ist mein Onkel Leonard, er ist Muggel, unterrichtet an einer Grundschule, wo das Ding normalerweise rumsteht, aber gerade sind Sommerferien, also durfte ich es haben, wenn ich es bis zum 1. September zurückbringe." Sie hob auffordernd das Kinn. "Zufrieden?"
Remus grummelte leise. Es gefiel ihm nicht, dass er in die Rolle des Spießers gedrückt wurde. Es hatte ihn in der Schule schon gestört, dass er als "vernünftig" abgestempelt worden war. McGonagall hatte ihn ja sogar zum Vertrauensschüler gemacht, gemeinsam mit Lily, obwohl sonst nie "zwei Mädchen" diese Aufgabe bekamen. Sie hatte damals gesagt, dass er ohnehin so gut wie ein Junge war. ̶V̶i̶e̶l̶l̶e̶i̶c̶h̶t̶ ̶h̶a̶t̶t̶e̶ ̶s̶i̶e̶ ̶a̶u̶c̶h̶ ̶L̶u̶n̶t̶e̶ ̶g̶e̶r̶o̶c̶h̶e̶n̶.̶
"Ich war nie nicht zufrieden", brummte er und trat neugierig ebenfalls an den Tisch. "Wie funktioniert es?"
"Kennt ihr Fußball?", fragte Tonks, während sie sich über den Tisch lehnte und Sirius den Ball wegnahm. Beide nickten. Sirius hatte mit neunzehn eine...Phase gehabt. Remus als sein Partner war selbstverständlich da mit reingezogen worden. Mit neunzehneinhalb hatten sie beschlossen, nicht darüber zu reden, was da passiert war und wenn es nach Remus ging, würde das auch für immer so bleiben. Es erleichterte ihn, dass Sirius die Erinnerungen darüber anscheinend zurückerhalten hatte geschlossen mit der Abmachung am Ende, denn er war sich recht sicher, dass er eine zweite Welle der absolut fanatischen Begeisterung für Arsenal (inklusive Kauf von Trikots und Besuchen im Station und, noch viel schlimmer, entsprechenden Bars) nicht geistig gesund überstanden hätte.
Tonks nickte zufrieden.
"Ok, es funktioniert im Grunde genau so." Sie hielt den Ball hoch, dann warf sie ihn durch ein Loch in der Mitte ein. "Der Ball muss ins gegnerische Tor. Wer zuerst zehn Tore hat, gewinnt. Weitere Regeln erkläre ich, wenn ihr sie brecht."
"Du meinst, weitere Regeln denkst du dir aus, wenn du am Verlieren bist", korrigierte Sirius mit einem Schmunzeln und rückte zur Seite, die Angriffspositionen übernehmend, sodass Remus neben ihm in die Verteidigung gehen konnte. Tonks lachte laut.
"Davon träumst du", meinte sie. "Ich spiele dieses Spiel seit ich fünf Jahre alt bin. Ich habe einen Tischkicker an der Aurorenakademie eingeführt und mehr Pausen und langweilige Nachtschichten daran verbracht, als ihr euch vorstellen könnt. Ich werde euch in Grund und Boden spielen!"
.:.
Sie hatte recht. Natürlich hatte sie recht. Und sie behielt recht, egal wie oft sie in den nächsten Tagen spielten. Wenn Tonks gegen Remus und Sirius spielte, verloren sie immer. Egal, wer von ihnen Verteidigung und wer Angriff spielte - auch wenn sich recht schnell herausstellte, dass Sirius besser im Tor war und Remus besser im Angriff.
Sie trainierten auch beide einzeln gegen Tonks. Remus hatte mit einem mulmigen Gefühl im Magen sein Verlies in Gringotts gesehen und festgestellt, dass er sich zügig wieder einen Job suchen sollte. Deshalb war er jetzt häufiger unterwegs, bei Bewerbungsgesprächen oder einfach auf der Suche nach Angeboten. Wenig überraschend war es für ihn als halbblütigen Werwolf inzwischen noch schwieriger als vor dem Krieg. Wenn er von seinen stets erfolglosen Touren nach Hause kam (er hatte aufgehört, sich dagegen zu sträuben, den Grimmauldplatz als Zuhause zu bezeichnen), war meistens Gejohle und das Klappern des Balles zu hören.
Tonks und Remus spielten auch oft zu zweit, wenn Sirius sich tagsüber hinlegte. Er hatte in letzter Zeit wieder öfter Kopfschmerzen - in seinen eigenen Worten war es ein merkwürdiger, ungewöhnlicher Kopfschmerz, dumpf, als würde jemand fest auf seinen Scheitel drücken. Tonks hatte ihm einige Schmerztränke mitgebracht und sie halfen ein wenig, machten ihn aber auch schläfrig und gaben Remus und Tonks damit Zeit zu zweit, die sie mit Reden, Recherchieren oder eben Tischkicker spielen verbrachten. Seit dem einen doch sehr tiefgründigen Gespräch vor einiger Zeit drifteten ihre Gespräche häufiger in persönliche Themen ab und Remus war oft überrascht, wie leicht ihnen diese Verbindung fiel, obwohl zwölf Jahre Altersunterschied zwischen ihnen lagen. Es war gut, dass Sirius da war, für sie beide, weil Remus sich nicht sicher war, ob sie nicht ohne seine Anwesenheit langsam aber sicher in Richtung einer romantischen Beziehung abgedriftet wären. Die langen Abende in der Küche und die inzwischen zwischen ihnen allen dreien normal gewordene körperliche Nähe, wenn sie gemeinsam im Salon saßen, gab sicherlich genug Situationen, aus denen mehr hätte werden können, wäre Remus' Herz nicht vergeben und Tonks sich dessen bewusst.
Sogar Sirius fiel es auf und er fragte einige Male, ob Remus nicht in dieser Hinsicht einen Schritt machen wollte. Es...tat nicht so weh, wie erwartet. Zum einen, weil der Vorfall im Ministerium inzwischen fünf Wochen her war und sich die Situation beinahe normal anfühlte. Und zum anderen, noch viel wichtiger, weil Remus einige Male das Gefühl hatte, beinahe etwas wie Eifersucht in Sirius' Stimme zu hören, wenn er danach fragte. Er war sich sicher, dass es aktuell noch unterbewusst war - Sirius war stets ausgesprochen territorial gewesen in ihrer Beziehung nicht nie gut darin, seine Eifersucht zu verbergen. Aber es erleichterte Remus, dass Sirius' Gefühle für ihn langsam aber sicher wieder aus den Ecken seiner Erinnerungen zu kriechen schienen. Oder vielleicht, das war eine zweite Möglichkeit, verliebte er sich noch einmal in ihn, völlig unabhängig davon. Beides schmeichelte Remus ungemein und er beschloss, nicht danach zu fragen, weil er sich sicher war, dass Sirius, immer noch besessen von seinen Gefühlen zu "Ilia", alles abgestritten hätte.
Aber trotzdem, wenn Tonks nicht da war, wurde die Stimmung zwischen ihnen lockerer. Vielleicht weil Sirius zunehmend ähnlicher seinem Selbst von vorher war (nicht vor dem Erinnerungsverlust - vor allem, vor dem Krieg, vor Askaban). Vielleicht weil es Remus leichter fiel, ihn von dem Sirius von vor wenigen Wochen zu trennen. Und mit der Entspannung kam eine Sicherheit in ihrer Art, miteinander zu scherzen. Anders als vorher, aber unbestreitbar da. Unbestreitbar schön. Sodass Remus sich selbst ebenfalls immer wieder dabei erwischte, das sein Herz einen kleinen Hüpfer machte. Vielleicht war Sirius nicht der einzige, der gerade Gefühle für jemanden entwickelte, den er eigentlich schon lange liebte.
.:.
Es war ein Donnerstag Anfang August, als Remus wieder einmal von einem erfolgslosen Bewerbungsgespräch heim kam und oben im Salon laute Rufe hörte. Auf leisen Sohlen schlich er sich nach oben und lehnte sich in den Türrahmen, ohne dass die beiden ihn bemerkten. Er genoss es, Sirius und Tonks (heute mit blauem Er-Armband) zu beobachten, wenn sie nicht wussten, dass er da war. Sie waren so unbeschwert miteinander und es gab Remus ein warmes Gefühl im Bauch: einerseits, weil er in ihrer Art miteinander an Sirius und James erinnert wurde und er es Sirius mehr als gönnte, noch einmal eine solche Freundschaft zu haben. Andererseits, weil er nie, nie, nie geglaubt hätte, dass Sirius je im Leben im Grimmauldplatz mit irgendeinem Mitglied seiner Familie laut lachend um einen Tischkicker rennen würde. Lustig, wie Dinge manchmal endeten.
Tonks quiekte laut, als Sirius einen Hechtsprung übers Sofa machte und sich auf ihn stürzte, um ihm den Ball wegzunehmen.
"Nein, es ist meiner, lass mich los, es ist meiner, meiner!", protestierte er laut, wand sich aus Sirius' Griff heraus und sprintete auf die andere Seite des Tisches, wo er den Ball triumphierend in die Höhe hielt und seine Haare einmal wie ein Feuerwerk bunt aufleuchten ließ. Sirius hatte gerade zum Sprung angesetzt, als er auf einmal inne hielt und ihm der Mund aufklappte.
"Ich erinnere mich an dich", sagte er verblüfft. Tonks hörte auf, auf und ab zu hüpfen und schaute ihn überrascht an.
"Was?", fragte er. Sirius ließ sich auf die Armlehne des Sofas sinken.
"Ich erinnere mich an dich", wiederholte er. "Du warst fünf und ich hab dich zum ersten Mal getroffen. Es war das Weihnachten, bevor ich von meinen Eltern weg bin, aber die Dinge sahen schon nicht gut aus. Ich hab mich geweigert, Weihnachten zu Hause zu verbringen und war bei den Potters. Und am zweiten Weihnachtsfeiertag war ich bei Andromeda. Ich hatte sie seit sieben Jahren nicht gesehen, seit sie deinen Vater geheiratet hatte, aber in dem Jahr hat sie mich eingeladen und ich hab dich kennen gelernt."
Tonks blinzelte.
"Ich erinnere mich nicht mehr", gab er etwas niedergeschlagen zu. Sirius schüttelte den Kopf.
"Doch, doch", widersprach er, "du wolltest Bäcker werden und hast Unmengen Plätzchen gebacken. Ich hab dir geholfen, aber ich hab alles falsch gemacht und du wolltest dich so verwandeln, dass du aussiehst wie ich..."
"...aber es hat nicht geklappt!" Tonks' Augen leuchteten auf. "Doch, stimmt, da war was! Du hast einen absolut furchtbaren silbernen Glitzerpullover getragen!"
Sirius grinste.
"Mia Potter hat ihn mir am Tag vorher geschenkt, es war der beste Pullover aller Zeiten!"
Remus schluckte. Auch er hatte dieses spezifische Weihnachtsfest noch gut im Kopf. Es war sein erstes als Remus gewesen. Auch er war bei den Potters gewesen. Seine Mutter war im Sommer zuvor gestorben und die Stimmung zwischen ihm und seinem Vater war...nun ja, nicht feindselig, aber kühl. Distanziert. Sie hatten nie eine tiefe Verbindung gehabt.
Mia und Fleamont hatten ihn eingeladen. Ihn. Remus. Und unter dem Baum hatten Geschenke gelegen auf denen sein Name stand. Es war ein erstes Mal in einer Reihe von ersten Malen gewesen. Und angefangen hatte alles mit einem Kuchen und vier Betten...
Ich möchte daran erinnern, dass die Einschübe NICHT in chronologischer Reihenfolge sind. Wir hatten bisher einige Erinnerungen von vor Remus' Coming Out (die Entstehung der Rumtreiber, seinen Aha-Moment) und es kommt am Donnerstag eines von danach. Ihr bekommt noch mehrere von davor und danach, an verschiedenen Punkten in Remus' und Sirius' Beziehung. Ihr bekommt auch das Coming Out, ihr bekommt die Geschichte, wie Remus' an seinen neuen Namen geraten ist, ihr bekommt seinen und Remus' ersten Kuss. Aber alles zu seiner Zeit. Und nicht in der richtigen Reihenfolge, sondern so, wie Sirius und Remus sich an Dinge erinnern, je nachdem, was gerade dran ist. Ich hoffe, das wird nicht allzu verwirrend, nennen wir es ein Experiment. Seid aber auf jeden Fall versichert, dass nur weil wir plötzlich zeitlich nach bestimmten Events sind (in der Vergangenheit, nicht in der Gegenwart, die vergeht linear), das nicht bedeutet, dass ich Dinge einfach überspringe.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro