Erinnerungen
Es waren nun ungefähr 6 Monate vergangen, in denen ich Stephen um Abstand gebeten hatte. Ich brauchte Zeit für mich selbst und war wirklich froh, dass Tony verstand, wenn ich seine Dienstreisen erledigen wollte. Ich war in der kurzen Zeit zu seiner rechten Hand geworden und er hatte mir eine feste Stelle angeboten, die ich dankend angenommen hatte. So half ich ihm nun in der Entwicklung und bei verwaltungstechnischen Dingen, die Pepper nicht schaffte. Ich war nun in einem Flugzeug auf dem Weg nach Tokyo, um mich mit einem der Kunden zu treffen, die von Tony Software kaufen wollten. Ich würde erklären, was möglich war und versuchen, einen Deal herauszuschlagen, der uns Gewinn brachte und die Kunden glücklich machen würde. Ich war gut im Umgang mit Kunden und dadurch, dass Tony mir verschiedene Sprachkurse bezahlte und ich wirklich schnell lernte, war die Kommunikation das kleinste Problem - was bei den meisten Kunden wirklich gut ankam.
Mom mochte es nicht, dass ich ständig in anderen Ländern war und sie mochte es erst recht nicht, dass ich für Tony arbeitete, aber es war eine riesige Chance für mich und ich liebte, was ich tat. Die Bezahlung war überdurchschnittlich gut und ich hatte sehr flexible Arbeitszeiten. Tony genehmigte mir auch fast jeden Urlaub, den ich einreichte. Und mein Apartment im Tower war zu meinem festen Zuhause geworden.
Es ging langsam auf Weihnachten zu. Ich würde pünktlich zu Thanksgiving wieder zuhause sein und wir hatten erst Halloween gefeiert. Tony hatte wieder eine riesen Party geschmissen, auf der sich alle köstlich amüsiert hatten. Auch ich, trotz, dass ich seit der Sache mit den Erinnerungen wie ausgewechselt war.
Rückblickend wusste ich nicht, ob ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Denn mit jeder Erinnerung kamen auch die Gefühle zurück, die ich gefühlt hatte. Die tiefe Verzweiflung, die Willenskraft, zu erreichen, was ich erreichen wollte. Das war mein Lebensziel gewesen, das Lebensziel meines vergangenen Ichs. Doch hier war ich ganz anders - ich hatte auch jedes Recht dazu. Meine Kindheit war behütet, ich war gut aufgewachsen, vor allem mit zwei Eltern, die mich liebten. Und Pietro. Sogar Pietro, der für mich auch etwas wie ein Vater war.
Dennoch wusste ich oft nicht mit dem Schmerz umzugehen, der mit den Erinnerungen einher ging, und das war wohl auch der Grund, warum ich mich von Stephen distanziert hatte. Ich gab ihm keine Schuld, in keinerlei Hinsicht. Aber ich wollte ihm nicht recht geben. Denn wäre ich erneut in meinen Schuhen, würde ich mich wohl anders entscheiden. Zwar hätte ich immer gerätselt, wer Stephen Strange gewesen wäre, aber ich hätte ein unbeschwertes Leben geführt.
Er fehlte mir. In jederlei Hinsicht. Ich wollte ihn bei mir haben, jede Sekunde des Weges, aber ich verbat es mir, als hätte ich es nicht verdient, ihm nahe zu sein. Ich hatte es mir noch nicht einmal erlaubt, als Peter mich gebeten hatte, unsere Beziehung vorläufig auf Eis zu legen, weil ich ständig unterwegs war. Keine Woche später hatte ich ihn mit MJ in der Stadt gesehen und kurzerhand die Beziehung vollkommen beendet.
Unter mir sah ich die Lichter Tokyos. Ich hätte mir auch ein Portal erstellen und hindurch gehen können, dann hätte ich mir die lange Flugzeit ersparen können, aber dank Tony flog ich First Class und das ließ ich mir dann doch nicht entgehen. Ich würde 10 Tage in Tokyo bleiben, bis ich wieder zurückkehren würde. Bis dahin hatte ich noch viel zu tun und so war ich froh, als ich 3 Stunden später in meinem Hotelzimmer auf dem Bett saß und kurz verschnaufte. Dann holte ich meinen Laptop raus und recherchierte verschiedene Termine und Kunden, damit ich im Gespräch gut rüberkommen würde.
Eine weitere Stunde später klappte ich erschöpft den Laptop zu und meine Gedanken wanderten unwillkürlich zu Stephen. Ich schloss meine Augen und dachte bewusst an ihn, meine Art, ihn zu rufen. Ich war endlich bereit für ein Gespräch nach all dieser Zeit und ich hoffte, dass er noch Interesse daran haben würde. Denn ich hatte ihm versprochen, nicht länger als 2 Monate zu brauchen, aber es hatte mich alles doch mehr überwältigt, als ich gedacht hatte.
Als ich eine Hand an meiner Wange spürte, die sich sanft an mich schmiegte, zuckte ich kurz ein wenig zusammen, aber lehnte mich danach in diese Berührung und seufzte. Ich wusste nicht, ob es echt war, aber falls es eine Illusion sein sollte, wollte ich sie noch kurz genießen. Viel zu lang war es her, dass mich jemand berührt hatte.
Als ich dann endlich meine Augen öffnete, sah ich Stephen vor mir sitzen. Er trug eine schwarze Trainingshose und ein dunkelgraues Sportshirt und war etwas verschwitzt. Er kam wohl direkt vom Sport, hatte keine Sekunde zu lang verschwendet, um so schnell wie möglich bei mir zu sein. Seine Augen ruhten auf mir, sein Gesichtsausdruck war sanft und erleichtert. Er war wohl ebenfalls froh, mich zu sehen.
Ich wollte meinen Mund öffnen und mich entschuldigen. Dafür, dass ich ihn so lange hatte warten lassen, dass ich mich einfach nicht gemeldet hatte, doch er schüttelte nur sanft den Kopf und lächelte.
"Ich habe dich vermisst." brachte ich nun leise über meine Lippen und küsste seine Handinnenfläche.
"Ich dich auch, Becca. Ich bin froh, dass du bereit bist und deine Erinnerungen verarbeitet hast."
Sanft zog er mich an sich um mich zu umarmen, doch ich nahm seinen Kopf zwischen meine Hände und drückte meine Lippen auf seine. Er zog mich in derselben Bewegung noch auf seinen Schoß und legte seine Arme um mich, als wolle er mir sagen, dass er mich nie mehr loslassen wollen würde.
Vorsichtig ließ er sich nach hinten fallen und ich kniete nun über ihm. Von ihm kam ein entspanntes Seufzen, als wäre all der Stress, den er jemals gehabt hatte, von seinen Schultern abgefallen. Ich stoppte den Kuss und öffnete meine Augen, um ihn zu mustern. Dort lag er, mit geschlossenen Augen und einem sanften Lächeln auf dem Gesicht, welches jedoch verschwand, als er verwundert die Augen öffnete und seine blauen Augen mich musterten. Dort saß ich über ihm und dachte an unser erstes Mal. Es war so wunderschön gewesen. Und obwohl ich in diesem Leben noch unberührt war und sich diese Unsicherheit öfters Mal zeigte, so war ich mir umso sicherer, was Stephen anging. Ich wollte ihn, mit jeder Faser meines Körpers. War es falsch? Vielleicht. Aber den Altersunterschied konnte ich nicht ändern und was sollte ich sagen... Wo die Liebe hinfiel.
"Würdest du mich eben duschen lassen? Ich komme frisch vom Sport, bevor ich dir dein ganzes Bett verschwitze." fragte mich der Zeitherr lächelnd und zog mich erneut an sich, um seine Lippen auf meine zu legen.
"Nur, wenn du mir versprichst, nicht abzuhauen." murmelte ich leise und flüsterte dann in sein Ohr. "Ich möchte keine Nacht mehr ohne dich verbringen."
Sein Grinsen wurde breit und er drückte seine Lippen nochmal auf meine, nachdem er uns so gedreht hatte, dass er oben lag, bevor er in das Badezimmer verschwand und ich kurz darauf das Wasser fließen hörte.
Glücklich ließ ich mich in die Kissen fallen. So, oder so ähnlich, war mein Leben also gewesen, als ich in dieser Parallelwelt gelebt hatte. Ich war trotz allem glücklich gewesen, weil ich ihn an meiner Seite gehabt hatte. Die einzige Person, auf die ich mich immer zu hundert Prozent hatte verlassen können. Die einzige Person, die mich nie wie ein kleines Kind behandelt hatte. Die einzige Person, die mich so liebte, wie er es tat.
Ich wollte damit auf keinen Fall meinen Eltern absprechen, dass sie mich liebten. Sie liebten mich auf elterliche Art und Weise, sie kannten meine Fehler und meine Probleme und waren immer für mich da. Sie hatten mich schon immer bei allem unterstützt, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte. Sie liebten mich. Und ich liebte sie.
Aber ich liebte Stephen auf eine andere Art und Weise. Eine Weise, die unter die Haut ging und die ich mit jeder Faser spürte. Eine Weise, die so stark war, dass sie selbst das Verrückteste überlebt hatte. Eine Weise, die nie vorüber gehen würde. Und selbst, wenn mein Ich aus dieser Welt ihn nicht kannte, so kannte ihn mein Ich aus der Parallelwelt und ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte. Ich wusste, dass er es wert war. Jede Hürde und jeder Streit, die auf dem Weg liegen würden, waren es wert.
Lächelnd setzte ich mich auf und lauschte den Geräuschen im Badezimmer. Ich konnte es kaum abwarten, bis er wieder bei mir war. Da fasste ich den schnellen Entschluss, mich einfach zu ihm unter die Dusche zu gesellen. Die Dusche war riesig und eine Regendusche, also sollte es platztechnisch zumindest keine Probleme geben. Schnell entledigte ich mich meiner Klamotten und öffnete leise die Tür. Durch das angelaufene Glas sah ich schon seine Silhouette und eine Schauer lief über meinen Rücken. Schnell tapste ich in das warme Nass und umarmte den Zeitherrn von hinten, der sich nicht einmal erschrak, sondern mich vermutlich schon erwartet hatte.
Mit einer schnellen Bewegung drehte er sich um und zog mich an sich. Die Dusche berieselte uns mit warmem Wasser, als sich unsere Körper näher denn je waren und sich meine nackte Haut an seine schmiegte. Doch ich war nicht verkrampft, keineswegs. Ich entspannte mich und gab mich ihm vollkommen hin. Und nachdem seine Hände unter meine Hüften gefahren waren und er mich hochgehoben hatte, sah ich, wie er mit sich rang. Zur Bestätigung zog ich ihn erneut an mich und küsste ihn, während ich ihn an meiner intimsten Stelle spürte und wir kurz darauf vereint waren.
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Am nächsten Morgen wachte ich lange vor Stephen auf. Mein Wecker klingelte und die Arbeit rief. Ich hatte heute ein Klientengespräch mit einer Großfirma, danach würde ich noch zu einer kleinen Reparaturarbeit in eine kleinere Firma fahren müssen. Schnell nahm ich meine Klamotten und verzog mich ins Bad, um mich anzuziehen und mich fertig für den Tag zu machen, aber nicht ohne den hübschen Mann in meinem Bett nochmals zu mustern.
Ich war schneller fertig, als ich gedacht hatte. Ich hatte mir zwei Stunden eingeplant, um mit dem fertig werden durch zu kommen, hatte aber nicht einmal eine halbe Stunde gebraucht. Und das obwohl Stephen sich reichlich ausgetobt hatte und ich mehrere Spuren hatte beseitigen müssen, die im sichtbaren Bereich lagen.
Als ich aus dem Badezimmer kam, war Stephen wach und schaute aus der Fensterfront über Tokyo. Ich lächelte, während ich mir meinen Sakko suchte und er seinen Kopf zu mir drehte.
"Guten Morgen, du wunderschöne Frau." begrüßte er mich und öffnete seine Arme, um mir klar zu machen, dass ich dort hinein liegen soll. Der Sakko war vergessen und mit einem Blick auf die Uhr wurde mir bewusst, dass ich noch genug Zeit hatte, über eine Stunde. Ich hatte über das kleine Display, welches im Zimmer war, schon Frühstück für uns auf das Zimmer bestellt und es würde jeden Moment eintreffen. Jedoch legte ich mich breit grinsend in seinen Arm und fühlte mich geborgen. Alles war einfacher, wenn er bei mir war.
"Hallo, du wunderschöner Mann. Bist du öfter hier?" antwortete ich und er drückte seine Lippen fest auf meine. Meine Hand legte ich auf seine nackte Brust und kraulte sie, während unsere Lippen fest miteinander verschlossen waren. Als wir uns endlich lösten, wich mein Lächeln nicht, warum sollte es auch?
"Ich werde zurück in die Akademie gehen, bis du von deinen Kundengesprächen kommst. Nur, dass du Bescheid weißt, falls ich nicht da sein sollte bis du wieder hier bist." Er lächelte und strich eine Strähne aus meinem Gesicht. "Du weißt ja inzwischen, wie du mich rufen musst."
Ich nickte und drückte meine Lippen erneut auf seine, als es an der Tür klopfte.
"Zimmerservice!" rief es von draußen und ich grinste, als ich aufstand.
"Frühstück ist hier!" meinte ich glücklich und öffnete die Türe. Der junge Mann lächelte mich an und schob den Wagen in das Zimmer wo Stephen nun in Jeans und Oberkörperfrei an der Fensterfront stand. Er nickte dem Zeitherrn kurz zu, doch so schnell konnte ich gar nicht schauen, da hatte er eine Pistole aus deiner Schürze gezogen.
"Runter auf den Boden!" schrie er. "Du bist die Tochter von den zwei Superhelden. Sie haben mir alles genommen, meine Familie, meine Freunde, alles!"
Seine Stimme durchschnitt die Luft wie Glas und ich zuckte zusammen, als ich sah, wie Stephen sofort defensiv wurde.
"Wir können über alles-" wollte ich anfangen und hob meine Hände, mein Puls raste und das Adrenalin schoss durch meinen Körper, als er mich unterbrach.
"Wir reden über nichts mehr. Gar nichts! Hast du mich verstanden? Das ist dein Tod!" Er fuchtelte mit der Pistole rum als wäre er geisteskrank. "Viele von uns haben durch euch Avengers alles verloren, es wird Zeit, dass wir euch bezahlen lassen!"
Ich sah Stephen im Augenwinkel, wie er nachdachte, und dann kurzerhand seine Fähigkeiten benutzte. Ich wusste, was er tat und ich konnte es auch, dank meiner Erinnerungen, aber ich war wie festgefroren. So konnte mein Leben nicht enden, ich hatte nicht alles riskiert in einem anderen Leben um hier zu sterben. Hatte ich nicht alles Böse zerstört mit meinem Schnips? Zählte das nicht für immer?
Ich nächsten Moment hörte ich einen Schuss, der sich aus der Pistole löste und wie der Gegner zu Boden fiel. Daraufhin ein Schmerz in meinem rechten Arm. Mein Blick glitt zu der Stelle und ich sah Blut auf dem weißen Hemd, auf dem Stark Industries stand und mein Blick glitt wieder zu Stephen, der den jungen Mann ausgeschaltet hatte. Was wurde hier gespielt?
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