Entscheidung mit Folgen
Sanft drückte er mich nach hinten, sodass ich längs auf der Couch lag und meine Hände vergruben sich in seinen Haaren, während seine neben meinem Kopf waren und ihn stützten. Ich seufzte tief und genoss die Wärme seines Gesichtes auf meinem und wie er mich liebkoste und es hätte nie enden sollen, wäre es nach mir gegangen.
Ging es aber nicht.
Außer Atem löste er sich und ließ mich mit geschlossenen Augen zurück, seine Wärme und seine weichen Lippen verschwanden mit ihm. Ebenfalls außer Atem hielt ich einen Moment inne, bevor ich mich aufsetzte, um nachzuschauen, wo er hingegangen war, doch er war verschwunden.
"Stephen?" rief ich in die Stille und mein Herz sank erneut und ziemlich tief. "Stephen?!"
Meine Verzweiflung war groß und ich versuchte, ihn zu finden. Ich suchte jedes Zimmer ab, doch er war nirgends. Er war meine einzige Chance, meine Erinnerungen zurück zu bekommen und nach diesem Kuss wollte ich sie mehr denn je. Herrgott nochmal, wo war er hin?
Ich beschloss, den Tower abzusuchen, auch wenn die Eingangstür zu meinem Apartment immer noch abgeschlossen war. Er konnte mich nicht einfach so hier sitzen lassen. Ich musste ihn finden. Ich war völlig durch den Wind. Ich musste Stephen finden, um jeden Preis. Doch die Verzweiflung verschnürte mir die Kehle und ich schien keine Luft mehr zu bekommen, noch bevor ich die Tür aufgeschlossen hatte. Mein Atem wurde zu Schnappatmung und ich sackte auf meine Knie, während ich mir die linke Seite meiner Brust hielt. Mein Herz schmerzte. Sehr sogar. Und als ich dort lag, kam mir eine weitere Erinnerung.
Es war chaotisch, laut, wie in mir drin. Menschen rannten um mich herum, doch meine Aufmerksamkeit galt nur dem Mann, der vor mir stand. Stephen. Er sagte mir, wie sehr er mich liebte und ich gestand es ihm ebenfalls, während ich wusste, dass Onkel Steve direkt hinter mir gestanden hatte. Und in der nächsten Sekunde wurde es gleisend hell.
Als ich wieder zu mir kam, lag ich nicht mehr auf dem Boden, sondern auf meiner Couch. Es dämmerte inzwischen und die letzten Sonnenstrahlen des Tages schienen durch mein Fenster. Ich fühlte mich schwer und verletzt und die Panikattacke hatte alles nur noch schlimmer gemacht und meinen Entschluss gefestigt, meine Erinnerungen zurück zu wollen. Langsam setzte ich mich auf und sah ein Glas auf dem Wohnzimmertisch stehen, doch weit und breit war niemand zu sehen.
"Stephen, ich schwöre dir, wenn du nicht zu mir kommst, finde ich einen Weg zu dir." brummte ich und sprang auf, um an meinen Laptop zu sitzen und zu recherchieren, aber ich hatte noch keine zwei Minuten am Esszimmertisch gesessen, da öffnete sich ein Portal neben mir. Das Konzept war mir nicht unbekannt, ich hatte viele dergleichen schon in meinen Träumen gesehen, nur jagte mir das Timing einen Herzinfarkt ein. Als sich das Portal schloss und ich Stephen dort stehen sah, brannte mir eine Sicherung durch, denn ich stand auf, marschierte schnurstracks zu ihm und gab ihm eine saftige Ohrfeige, die er wortlos hinnahm.
Wir standen dort kurz regungs- und wortlos, bevor ich schnaubte, dann seufzte, und dann meine Schultern fallen ließ.
"Ich will meine Erinnerungen zurück. Du kannst mich nicht einfach küssen und dann verschwinden. Du kannst nicht so mit mir spielen, ich..." Ich unterbrach mich selbst, um mich nicht in Rage zu reden. "Gib mir meine Erinnerungen zurück."
Auch Stephen seufzte. Tief und lang. Vor allem lang. Ich wusste, er wollte Zeit schinden, aber das machte mir nichts aus. Ich hatte alle Zeit der Welt.
"Becca..." Ich wartete auf die Fortsetzung seines Satzes, doch sie kam nicht, also schaute ich ihn fragend und etwas herausfordernd an. "Wir brauchen die ganze Nacht dafür, damit ich dich mit der Verarbeitung deiner Erinnerungen unterstützen kann und du wirst morgen vermutlich nicht arbeiten können, wenn es dich stark erwischt. Möchtest du das riskieren?"
Ich nickte und Stephen gab endlich nach. Er begann damit, einige Dinge vorzubereiten und ich schrieb Peter, dass mir nicht mehr nach facetimen war, weil ich Kopfschmerzen bekommen hätte und Tony, dass es mir nicht so gut ging und ob ich am nächsten Tag etwas flexibler arbeiten konnte, auch wenn ich erst angefangen hatte mir arbeiten. Natürlich gab er mir die Freiheit und wünschte mir gute Besserung. Stephen bat mich, mein Handy auszumachen, damit uns nichts stören würde und entblößte dann das Auge von Agamotto, welches er auf den Boden auf ein grünes Samttuch legte. Ich hatte einen Infinity-Stein bisher nur einmal gesehen und auch nur in Visions Stirn, als er in seiner nicht humanoiden Form durch den Tower gelaufen ist. Umso spannender war es nun für mich, als Stephen den Stein beorderte, zwischen uns zu schweben.
"Das ist deine letzte Chance umzukehren und den unbeschwerten Weg des Lebens zu nehmen."
Er sah mich ernst an und schien auf eine Antwort zu warten.
"Ich will meine Erinnerungen zurück. Koste es, was es wolle."
Er nickte ernst und schloss seine Augen. Kurz darauf kam der Stein näher zu mir und blieb schließlich in Stirnhöhe vor mir stehen. Das Licht wurde immer heller und auch ich schloss meine Augen, bevor die Welt still wurde und ich anfing, Bilder zu sehen. Das Erlebnis wurde immer stärker und es fühlte sich so an, als würde jemand in mein Gehirn eindringen wollen. Es fing an zu schmerzen und ich fing leise an zu wimmern, doch der Schmerz wollte nicht aufhören. Im Gegenteil, er wurde immer schlimmer und das Licht immer greller, bis es einen Höhepunkt erreichte. Ich schrie bei den Schmerzen, die sich in meine Stirn zu bohren schienen und fiel schließlich ohnmächtig nach hinten um.
Als ich zum zweiten Mal des Tages wieder zu mir kam, wurde mir als erstes mein brummender Schädel bewusst und dann kamen die ganzen Erinnerungen wieder zurück. Die Erinnerungen, die nicht aus dieser Welt stammten. All das, was ich in einem anderen Universum erlebt hatte, alles, was ich durchgemacht hatte. Den Verlust meiner Eltern, all den Schmerz, den ich gefühlt hatte. All die Verluste, der Weg bis zum Erfolg. Alles kam zurück.
Auch jede kleine Erinnerung mit Stephen, der mir aufhalf und mich auf die Couch setzte. Dann musterte er mich besorgt und ich starrte ihn nur an, während vor meinem inneren Auge die Erinnerungswelle abebbte und ich wieder Zeit zum atmen fand. Ich wusste nur nicht mehr, wie ich existieren sollte. Ich wusste nicht mehr, wie leben funktionierte. Ich wusste nicht mehr, wo oben und unten war und das raubte mir erneut die Luft zu atmen. Eine erneute Panikattacke machte sich in mir breit und Stephen zog mich an sich. Ich spürte, wie er es bereute, mir nachgegeben zu haben, doch die Luft wurde dadurch nicht mehr. All diese Erinnerungen. Die Schmerzen, die diese Version von mir selbst durchlebt hatte. Es war unvorstellbar für mich, wie sie überhaupt den Willen zu Leben behalten hatte, nach alledem, was passiert war.
Ich beruhigte mich langsam und lag regungslos in Stephens Armen, der mir beruhigend über den Rücken strich.
"Es tut mir leid, dass ich dir keine besseren Erinnerungen hab geben können. Diese Welt war keine Schöne gewesen und du hast wirklich viel erlebt, was kein Kind in deinem Alter jemals hätte erleben sollen. Aber deine Kämpfernatur hatte mich schon immer beeindruckt. Ich wollte dir nur das alles ersparen, deswegen hatte ich mich aus deinem Leben ferngehalten. Ich hatte gehofft, dass du genug Glück hast und dich nicht mehr erinnern kannst. Dich nie auf die Suche nach mir machst und die Erinnerungen, die du als Kind hattest, mit der Zeit abebbten. Ich wollte dir das alles nicht noch einmal antun. Du hast es so viel besser verdient und deswegen habe ich mich hinten angestellt. Für mich gibt es nur dich, auch nach den 13 Jahren, die es nun her ist, dass wir die Realitäten gewechselt haben und eine neue Zeitachse erschaffen."
Diese Worte sackten in mich ein und ich verharrte einige Minuten, bevor ich seinen Kopf zu mir zog und meine Lippen auf seine legte. Der Mann, zu dem ich gehörte. Dr. Stephen Strange. Der Mann, der mir gezeigt hatte, was echte Liebe war, was Intimitäten sind und was liebevoll sein bedeutet. Der Mann, der bis zur letzten Minute für meinen Traum gekämpft hatte, meine Eltern zurück zu holen und gegen alles zu gehen, wofür er als Zeitherr stand. Ich wusste jetzt, warum ich ihn nie vergessen konnte. Es war wahre Liebe gewesen. Es war allem voran meine erste Liebe gewesen. Und er würde für mich der Einzige bleiben, den es gab, das war mir jetzt auch klar.
Sanft ließ ich mich erneut auf die Couch drücken und seufzte, als seine Lippen über meinen Hals wanderten und an meinem Schlüsselbein Halt machten. Seine Hände schoben sich unter mein Shirt, während meine seines am Saum packten und mit einer schnellen und flüssigen Bewegung über seinen Kopf zogen. Seine Lippen pressten sich sofort wieder auf meine, als sie die Möglichkeit dazu hatten, nachdem er mich auch meines Shirts entledigt hatte. So lag ich nun vor ihm, eigentlich noch unberührt und doch kannten wir uns in- und auswendig.
Ich seufzte tief, als seine Lippen meinen Körper weiter erkundeten, doch plötzlich hörten wir, wie ein Schlüssel in das Schloss gesteckt wurde. Schnell hasteten wir in die kleine Abstellkammer, in der ich meine Essenskonserven lagerte und versuchten, uns wieder anzuziehen.
"Becca? Bist du hier?" hörte ich Peters Stimme und plötzlich fiel mir mein eigentlicher Freund wieder ein. Während ich erneut in Panik verfiel, öffnete Stephen ein Portal und zog mich hindurch, gerade, als die Türe zur Speisekammer aufging, weil ich in der Dunkelheit etwas runtergeschmissen hatte.
Heraus kamen wir in der Zwischendimension, die ich aus den neu gewonnenen Erinnerungen kannte. Er hatte sie hier nun eins zu eins wiederaufgebaut und sah mich nun besorgt an, als wäre ich eine Bombe, die jeden Moment explodieren könnte. Und ich merkte kurz darauf dann auch warum, denn ich zitterte am ganzen Körper. Wortlos sackte ich zusammen und erneut wurde ich überwältigt von Gefühlen, die ich einzuordnen versuchte.
"Stephen, wie hast du es ausgehalten?" fragte ich nach einigen Minuten, die er mich in kompletter Stille hatte sitzen lassen. "Wie hast du es ausgehalten, zu wissen, was passiert ist, und mich nicht zu kontaktieren?"
Er seufzte und spielte an einem Grashalm, den er an der Seite des Baches ausgerissen hatte.
"Wenn ich ehrlich bin, waren es 13 Jahre lang die Hölle für mich. Mein engster Vertrauter und bester Gelehrter hat mich jahrelang versucht, davon zu überzeugen, mit dir in Kontakt zu treten, doch ich wollte es aus zwei Gründen nicht. Zum einen warst du ein Kind über all die Jahre hinweg und ich wollte nicht, dass irgendjemand etwas falsches denkt. Ich bin nicht Pädophil, ich wusste einfach schon immer, zu was für einer tollen Frau du dich entwickeln würdest, weil ich es ja in der anderen Realität miterlebt hatte. Aber das wusste nur ich, deine Eltern wussten das nicht, niemand wusste das. Und zum anderen hatte ich wie gesagt gehofft, dass du dich nicht an mich erinnern würdest. Zwar hätte ich dich so wohl nie wieder gesehen, aber ich wollte nicht, dass du durch das gehen musst, durch das du grade gehst. Du hast ein besseres Leben verdient."
Dort saß ich im Gras ohne Oberteil, welches ich vor lauter Hektik vergessen hatte, anzuziehen und versuchte, meine Gedanken zu sortieren. So viel war passiert in dieser anderen Welt. Mit Stephen. Ohne Stephen. Mit Steve, Bucky. Die Beerdigung meiner Eltern. Mein Kampfgeist. Ich hatte solch einen Respekt vor dem Mädchen aus diesen Erinnerungen, weil sie so stark gewesen ist.
"Wie kannst du mich überhaupt noch lieben?" Perplex schaute der Zeitherr nach oben und ich entschied mich, dass er mehr Kontext für diese Frage brauchte. "Ich war ein starkes, bewundernswertes Mädchen in dieser anderen Realität. Hier bin ich das nicht."
Er überlegte den Bruchteil einer Sekunde, dann lächelte er.
"Weil du immer noch ein starkes Mädchen bist. Nur eben auf eine andere Art und Weise. Und du hast alles Gute in der Welt verdient. Auch wenn ich mir nicht sicher bin ob ich dir das geben kann, aber solltest du dich für mich entscheiden, werde ich es definitiv versuchen."
Und mit diesen Worten zog er mich an sich und ließ mich einfach nur denken, denn die Erinnerungen nahmen Überhand und ich wusste nicht mehr, wohin mit mir.
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