Eine blutige Nase und Treppenhausgespräche
Eine blutige Nase und Treppenhausgespräche
15.
Claire P.o.V.
Eins war sicher: Marlene McKinnon wusste, wie man eine Party schmiss.
Ich war geradezu überwältigt, als ich in den völlig verwandelten Gemeinschaftsraum trat.
Selbst die Rumtreiber waren beeindruckt von der Menge an Feuerwhiskey, die Marlene irgendwie ins Schloss geschmuggelt hatte, und recht niedergeschlagen, als sie ihnen nicht verriet, wie sie es geschafft hatte.
Der gesamte Gemeinschaftsraum war umgeräumt und partytauglich gemacht worden.
Es gab eine breite Tanzfläche, die sich schon in den ersten Minuten gefüllt hatte, eine Bar und laute Musik, die keinen Ursprung zu haben schien.
Die Feiernden waren größtenteils aus Gryffindor, doch auch Hufflepuffs, Ravenclaws und sogar einige Slytherin-Schüler hatten sich unter die Masse gemischt.
Der eigentliche Anlass für die Party - der siebzehnte Geburtstag von Mary McDonald - geriet recht schnell in Vergessenheit, da sie bereits nach anderthalb Stunden am Arm eines gutaussehenden Hufflepuffs den Raum verlassen hatte und auch nicht wiedergekehrt war.
Und so übernahm Marlene die Party, indem sie auf den nächstbesten Tisch kletterte, die Arme in die Luft stieß und aus vollem Hals anfing, das Lied mitzubrüllen, das gerade zu spielen begonnen hatte.
Für einige Zeit tanzte ich ausgelassen mit Brenda und Dorcas, die wie von der Tarantula gestochen auf der Tanzfläche herumsprangen. Sie waren mir einige Runden Feuerwhiskey voraus und so fühlte ich mich recht fehl am Platz.
Ich hatte gerade begonnen nach den anderen zu suchen, als ich plötzlich Lily entdeckte, die an eine Wand gedrückt dastand und recht eingeschüchtert aussah.
Vor ihr stand ein ein großer Ravenclaw, der offensichtlich zu viel Gebrauch von der Bar gemacht hatte, und redete dringlich auf sie ein.
Er rückte ihr immer näher, obwohl Lily sich ganz eindeutig unwohl zu fühlen schien. Ich konnte zwar nicht hören, was sie sagte, aber ich war mir sicher ein „Nein“ von ihren Lippen abzulesen.
Ich drehte mich hilfesuchend zu Brenda und Dorcas um, doch die waren von den Tanzenden weiter durch den Raum getrieben worden und aus meiner Reichweite verschwunden.
Als der Junge schließlich einen Arm um Lilys Taille legte, sich an sie presste und zu ihr herunterbeugte, schrillten in mir die Alarmglocken los.
Mühsam kämpfte ich mich durch die Tanzenden und zückte meinen Zauberstab.
Mehr als einmal verfluchte ich dabei meine Körpergröße.
Ich hatte Lily, die an dem Versuch scheiterte, den Jungen wegzuschieben, beinahe erreicht,
als ich von jemandem, der bei weitem stärker war als ich, zur Seite gedrängt wurde.
Ein lautes „HEY!“ ertönte und als sich der Ravenclaw endlich umdrehte, flog James' Faust auch schon geradewegs in sein Gesicht.
Der Junge wurde von der Wucht des Aufpralls direkt auf den Boden befördert und hielt sich sofort fluchend die Nase, aus der Blut lief.
„Nimm deine dreckigen Hände von ihr!“, knurrte James noch, bevor er von einem gleichzeitig geschockt und wütend aussehenden Remus zurückgezogen wurde, der ihm nachgeeilt war.
„Es reicht, Prongs“, sagte dieser.
„Ich glaube er hat es verstanden.“
Er warf dem am Boden liegenden Schüler einen derartig angewiderten Blick zu, dass selbst mir ein Schauer über den Rücken lief.
Aber das war noch nichts im Vergleich zu James' mörderischem Gesichtsausdruck.
Die Menge um uns herum war still geworden und starrte schamlos auf die Szene.
„Was glotzt ihr so?“, fuhr James eine Gruppe von Hufflepuff-Mädchen an, die angefangen hatten zu tuscheln.
Sie wandten sich schnell ab und auch die anderen Schaulustigen verstreuten sich nach und nach wieder im Raum, hörten jedoch nicht auf zu starren.
Lily schien die Aufmerksamkeit am unwohlsten zu sein.
Endlich konnte ich mich zu ihr drängeln, wobei ich möglicherweise auf die Hand des Ravenclaws trat. Natürlich nur aus Versehen.
„Bist du okay?“, fragte ich und sah, dass sie zitterte.
„Ja“, antwortete sie bestimmt und bemühte sich ganz offensichtlich, eine feste Stimme zu bewahren.
„Lass uns gehen“, schlug ich vor und warf einen letzten Blick auf den Ravenclaw, der nun von James und Remus zum Portraitloch gezerrt wurde.
Lily nickte und wir beeilten uns, den brennenden Blicken der anderen zu entgehen.
Mein Plan, in unseren Schlafsaal zu fliehen, platzte jedoch, als ich sah, dass die gesamte Treppe von Partygästen verstopft wurde.
Also tat ich das nächstbeste, das mir einfiel und zog Lily an der Bar vorbei in Richtung der Jungenschlafsäle.
Im Vorbeigehen hatte Lily eine ungeöffnete Flasche Feuerwhiskey mitgehen lassen, die sie nun im Laufen aufschraubte.
Ich warf ihr einen verblüfften Blick zu, doch als Antwort nahm sie nur einen großen Schluck direkt aus der Flasche und schüttelte dann angeekelt den Kopf.
Am Ende fanden wir uns auf der (verblüffender Weise) leeren Treppe zu den Jungenschlafsälen wieder.
Die Musik hallte nur als fernes Echo zu uns hinauf und das einzige Licht spendete ein Kerzenständer, der in einer kleinen Fensternische stand.
Lily und ich saßen uns an die Steinwand gelehnt gegenüber und schwiegen.
Ich war mir recht sicher, dass sie gerade nicht das Verlangen hatte, zu reden. Und falls doch, würde sie schon etwas sagen.
Bereits nach wenigen Minuten zog ich die Beine weiter an, um mich zu wärmen, da die Steine um uns herum nicht gerade warm waren und ich nur ein dünnes, blassrosanes Kleid trug, das mir nun als die falsche Wahl erschien.
Generell kam ich mir töricht vor, für den Gedanken, jemanden beeindrucken zu müssen.
Nach einiger Zeit riss Lily mich aus meinen Gedanken.
„Danke“, sagte sie und berühte mit ihrer Hand freundschaftlich mein Knie.
„Wofür?“, fragte ich verwirrt und ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht.
„Für das Nicht-Reden“, erwiderte sie in einem warmen Tonfall.
Ich lächelte zurück.
„Kein Problem.“
Und dann lehnte sie sich wieder zurück und sagte nichts weiter.
Irgendwann hatte auch ich begonnen, aus der Flasche in unserer Mitte zu trinken.
Nach und nach breitete sich ein angenehmes Prickeln in meinem Körper aus, das auch nicht zu verschwinden schien.
„Lily-“, fing ich an. „Kann ich dir etwas erzählen?“
Ihre grünen Augen funkelten interessiert auf.
Sie nickte.
„Es geht um ... na ja, meine Familie. Ich weiß nicht, was du über uns gehört hast, aber ich kann dir eines sagen: wir haben eine Menge Geheimnisse.“
An dieser Stelle unterbrach sie mich.
„Claire, du hast getrunken. Bist du dir sicher, dass du mir das - was immer es auch ist - erzählen willst?“, fragte sie mich ernst und irgendwo, ganz weit hinten in meinem Kopf, stimmte eine innere Stimme ihr zu.
„Ja, bin ich“, wehrte ich die Stimme ab und atmete tief durch.
„Dieses Jahr ist meine Mutter gestorben.“
Lily zuckte zusammen.
Das hatte sie wohl nicht erwartet.
„Oh, bei Merlin. Claire - Es tut mir so leid“, brachte sie hervor.
Jetzt gab es kein Zurück mehr.
„Danke. Das ist aber nicht alles. Ich wollte es mir nicht eingestehen, aber irgendwie wusste ich es schon länger. Ich konnte einfach nicht aufhören, darüber nachzudenken. Ich-“, kurz stockte ich.
Konnte es wirklich sein?
„Ich glaube, es war kein Unfall.“
Lily starrte mich sprachlos an.
„W- was meinst du?“, fragte sie schließlich.
„Unser Haus ist abgebrannt. Meine Mum hat es nicht mehr hinausgeschafft.
Aber ... irgendwie kann ich nicht glauben, dass das Feuer ein Versehen war.
Ich meine, wir leben wortwörtlich im Krieg! Meine Mutter war gut. Es gibt sicher einige Hexen und Zauberer, die sie als Gefahr angesehen haben.“
Ich zuckte mit den Schultern und lachte verzweifelt auf.
„Aber ich kann nichts davon beweisen“, schloss ich.
Lily brauchte einen Moment, um sich zu sammeln.
„Claire, hast du jemandem davon erzählt? Deinem Vater oder einem Lehrer?“, fragte sie dann eindringlich.
„Nein, natürlich nicht!“, antwortete ich. „Sie würden mich für verrückt halten. Außerdem würde ich so nur noch mehr Schwierigkeiten bereiten.“
„Aber wenn etwas wahres an deinen Vermutungen dran ist, musst du es jemandem sagen!“, beharrte sie.
„Nein und ich will auch nicht, dass du es jemandem erzählst“, sagte ich bestimmt.
„Das ist allein meine Angelegenheit.
Ich wollte nur, - ach, ich weiß auch nicht- dass du weißt, warum ich mich so seltsam verhalten habe, schätze ich.“
„Aber-“, begann Lily aufgebracht.
„Lily.“ Ich legte meine Hand auf ihre.
„Bitte.“
Sie sah mich gequält an. „Kommst du denn klar?“
Ich nickte und lächelte, obwohl ich am liebsten weinen wollte.
„Okay“, sagte Lily. „Aber bitte rede mit mir, wenn etwas ist oder du Hilfe brauchst, ja?“
Ich nickte erneut und
bevor ich etwas sagen konnte, hatte Lily mich auch schon in den Arm genommen und flüsterte:
„Danke, dass du es mir erzählt hast.“
Wir hätten vermutlich noch stundenlang so dagesessen, wenn nicht in diesem Moment ein lautes Poltern uns auseinander gerissen hätte.
Schnell fuhr ich mir über die Augen, die verdächtig feucht geworden waren, und auch Lily straffte den Rücken, bevor auch schon zwei bekannte Gesichter um die Ecke bogen.
Ich brauchte einen Moment, um Remus zu erkennen.
Seine Haare waren verwüstet, seine Augen gerötet und ein breites kindliches Grinsen beherrschte sein Gesicht.
Generell war seine Erscheinung einfach ungewohnt losgelöst.
Sein rechter Arm lag um Sirius' Schultern, der sein Bestes gab, Remus die Treppe hinaufzubugsieren.
Remus starrte uns eine Sekunde lang an, bevor er uns erkannte und rief: „Da seid ihr ja!“
Dann drehte er sich aufgeregt zu Sirius und zischte geheimnisvoll, jedoch genauso laut wie zuvor: „Da sind sie!“
Sirius grinste uns entschuldigend an.
„Ich glaube Prongs hat ihn an der Bar nach euch suchen lassen.“
Er fuhr sich durch die Haare und ich kam nicht umhin zu bemerken, wie gut er heute aussah.
Natürlich war dafür der Feuerwhiskey verantwortlich.
„Ich hab gehört, was passiert ist. Geht's dir gut, Evans?“, fragte er besort.
Lily zuckte mit den Schultern.
„Schätze schon.“
Dann wandte sie sich an Remus.
„Danke, dass ihr mir geholfen habt“, sagte sie überdeutlich und ihre Mundwinkel zuckten, als müsste sie sich ein Grinsen verkneifen.
„Ich kann dich noch gut verstehen, Lils“, sagte Remus empört.
„War doch selbstverständlich“, ergänzte er dann.
„Außerdem solltest du James danken, nicht mir.“
Ein schelmisches Grinsen stahl sich auf sein Gesicht und er zwinkerte vollkommen unauffällig Sirius zu.
„Wie viel hat er bitte getrunken?“, fragte Lily und wir rappelten uns endlich auf, um Sirius zu helfen.
Für eine Sekunde drehte es sich in meinem Kopf.
Sirius hob unschuldig die Hände.
„Viel, würde ich behaupten“, antwortete ich lachend, als Remus über die nächstbeste Treppenstufe stolperte.
Remus fasste sich an die Stirn.
„Ihr seid gemein.“
„Nur noch ein paar Stufen, Moony“, verkündete Sirius kurz darauf und ich pfiff erleichtert auf.
Remus alle zwei Schritte zu überzeugen, weiterzulaufen, war langsam anstrengend geworden.
Endlich kamen wir an der Tür zum Schlafsaal der Rumtreiber an, die Sirius kurzerhand aufkickte.
Als wir eintraten, ließ sich Remus gleich auf das nächstbeste Bett fallen, was Sirius mit einem „Hey!“ kommentierte.
„Das ist mein Bett, Moony“, sagte er und wedelte mit seiner Hand vor Remus' Gesicht herum.
Remus brummte zustimmend, schloss die Augen und sank noch tiefer in die Kissen.
Sirius rollte mit den Augen, aber schmunzelte.
Der Raum war aufgeräumter als ich erwartet hatte.
Vom Aufbau her war er eine exakte Spiegelung unseres Schlafsaals, doch trotzdem war die Atmosphäre irgendwie anders.
Die Wände waren mit Postern vollgeklebt und auch das ein oder andere Foto hing dazwischen.
Durch das große Fenster hatte man einen guten Blick auf den verbotenen Wald und im Kamin glühte die Asche eines langsam ausbrennenden Feuers.
Lily und ich ließen uns auf dem Bett zu Sirius' Rechten nieder, das den gefalteten Socken nach zu urteilen, Remus richtiges Bett war.
Nach den steinernen Stufen kam mir die weiche Decke einfach himmlisch vor.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Lily zu mir herüberspähte.
Schnell drehte ich mich zu Sirius, der nun lässig gegen einen Bettpfosten gelehnt dastand.
„Wo warst du eigentlich die ganze Zeit? Ich habe dich unten gar nicht gesehen“, fragte ich und obwohl ich eigentlich nur Lily ablenken wollte, interessierte mich die Antwort wirklich.
„Ach, mal hier, mal da“, sagte Sirius und zuckte mit den Schultern.
„Ich wünschte, ich hätte helfen können“, fügte er an Lily gewandt hinzu.
Diese zuckte ebenfalls mit den Schultern und strich sich eine Strähne ihrer roten Haare hinters Ohr.
„Ist schon gut.“
Kurz herrschte eine unangenehme Stille zwischen uns, die nur von Remus' lautem Atem durchbrochen wurde.
Ich hatte das Gefühl, dass Sirius meinem Blick auswich.
Doch dann wurde auf einmal die Tür aufgerissen und James, Peter, Brenda, Dorcas, Emmeline, Marlene und ein Mädchen, das ich nicht kannte, traten lachend in den Raum.
„Padfoot, Mann, hier steckst du!“, rief James, während er grinsend seine Krawatte lockerte.
Dann erkannte er mich und Lily und seine Hand schnellte zu seinem Haar.
„Hey“, sagte er und errötete leicht.
Er bemühte sich, seine andere Hand zu verstecken, doch ich hatte die blauen Flecken auf seinen Knöcheln bereits gesehen.
Lily rutschte unwohl auf der Decke hin und her, doch da wurde James auch schon von (einer mehr als angetrunkenen) Marlene weggeschubst.
„Ihr spielt jetzt mit uns Wahrheit oder Pflicht!“, verkündete sie freudestrahlend und warf sich neben mir auf die Kissen.
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Ist es noch zu früh, um euch mit „Ho ho ho“ zu begrüßen?
Naja, jedenfalls: Hey!
Ich lebe noch und habe auch nicht diese Geschichte abgebrochen, keine Sorge.
Ihr kennt mich ja - ich bin einfach seeehr langsam im Schreiben.
Und dazu Klausurenphase und Weihnachtsstress. Ugh.
Aber hier ist das neue Kapitel! (UND es ist sogar ein paar Hundert Worte länger als sonst, ha!)
Falls vorher nichts mehr von mir kommt, wünsche ich euch hiermit schon mal schöne Feiertage!
Alles Liebe,
El.
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