Kapitel 4
Mitunter waren einige Tage vergangen. Es war nämlich Donnerstag und ich hatte seit die Bombe geplatzt war kein Wort mehr mit meinen Eltern geredet. Morgen sollte es Zeugnisse geben. Freude! Nicht.
Bea und ich saßen bei mir im Zimmer auf dem Fußboden und unterhielten uns.
„Was sollen wir denn jetzt mit deinem doofen Reitinternat machen?", fragte meine Freundin seufzend.
Ich zuckte mit den Schultern. Mir war noch keine Lösung eingefallen. „In den Wald gehen und schreien?"
„Lustig", entgegnete sie. „Ich will nicht, dass ich dich nicht mehr sehe! Ich brauche dich hier!"
„Ich will ja auch nicht weg! Aber was soll ich denn machen? Wegrennen geht nicht. Ich wette, meine Eltern wollen, dass ich meinen gesamten Hausstaat mitnehme. Und auf Hanna kann ich nicht bauen. Die kann nicht gleichzeitig hier sein und studieren. Man müsste meine Eltern von der Weltreise abhalten. Aber das wirst du nicht können."
Ich hielt einen Moment inne. „Du kannst ja mitkommen auf das doofe Internat."
„Lustig. Dass ich nicht lache. Ich kann ja noch nicht mal reiten."
„Aber ich kann das oder was? Ich bin seit dem Unfall nicht auch nur in die Nähe eines Pferdes gegangen."
„Du konntest super reiten. Das könntest du auch immer noch. Sicherlich."
„Aber ich will das einfach nicht. Ich habe ja noch nicht einmal Angst, wieder verletzt zu werden. Das... Passiert. Aber was, wenn ich mich wieder in ein Pferd verliebe und ich es dann noch einmal...", mir blieb der Rest des Satzes im Hals stecken.
„Das war ein Unfall, Rox. Sowas passiert auch. Das ist nicht schön, aber es passiert eben leider!"
„Du verstehst das nicht", damit beendete ich das Gespräch vorerst. Die Pause zog sich über einige ziemlich unangenehme Sekunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten.
„Wusstest du, dass ich schon Sonntag da hin soll? Eingewöhnungszeit. Es sind wohl nicht alle Schüler da, aber die wollen da irgendwelche Probestunden machen. Ganz großartig. Wir haben also nur noch... zwei Tage..."
„Was?!", meine beste Freundin kippte aus den Latschen.
„War gestern so in meinem Postfach. Meine E-Mail-Adresse scheinen die jetzt also auch schon zu haben."
Bea schwieg.
„Dann haben wir ja noch nicht einmal genug Zeit", murmelte sie. Ihre Augen waren glasig, kurz darauf weinte sie.
Ich nahm meine Freundin in den Arm. Ich konnte ihr keine tröstenden Worte schenken. Ich wusste mich ja selbst nicht aufzumuntern.
Ich hasste meine Eltern im Moment. Nicht nur, dass sie die blöde Weltreise machten, auch, dass sie mich schon nächste Woche abladen würden. Sie hatten nämlich vor, mich am Internat rauszulassen und anschließend zum Flughafen zu fahren, um die Weltreise um ein paar Länder zu erweitern. Angefangen bei meiner Tante, die in Schweden lebte.
„Und ich habe keinen blassen Schimmer, was ich mitnehmen soll. Nur die Sommerklamotten oder auch die Winterpullis. Auch die alten Reitsachen oder lieber nur Zivilklamotten?"
„Hach, Roxy...", meine beste Freundin trocknete sich die Tränen vom Gesicht. „Na komm. Hol deine Koffer, wie packen jetzt deine Sachen zusammen."
Ich tat, was sie mir gesagt hatte. Und dann saßen wir in meinem Zimmer, auf dem Fußboden, inmitten von all meinen Klamotten. Wir sortierten sicherlich stundenlang meine Sachen. Winter, Sommer, T-Shirts, Blusen, Hosen, Socken, Unterwäsche.
Tief unten in meinem Schrank fand ich meine Reitklamotten wieder. Reithosen, Turnierklamotten, ein Helm, eine Schutzweste, Schleifen und Bilder. Auch das Halfter und die beiden Schabracken lagen noch hier rum. Ich begann zu zittern, als ich das sah. Der Helm hatte eine Schramme auf der linken Seite. Die war vom Sturz gewesen. An der blauen Schabracke klebte noch das Fell des Pferdes und der Dreck des Feldes. Auch der Stirnriemen, den ich damals gekauft hatte, war noch bei den Sachen.
Mir war übel. Ich schloss die Augen.
Als einige Stunden später zwei vollgepackte Hartschalenkoffer vor meiner Tür standen, ließen wir uns erschöpft auf meinem Bett nieder. Wir hatten allerhand Sachen eingepackt: Klamotten für verschiedene Jahreszeiten, Reitsachen, unterschiedliche Gegenstände aus meinem Zimmer, Bücher, Bilder, Stifte und noch viel mehr.
Mein Vater kam die Treppe hoch. "Habt ihr Hunger, ihr zwei?", fragte er.
Ich hatte heute noch nichts gegessen.
„Ja, einen Bärenhunger", antwortete meine Freundin für mich, obwohl sie mit dem Ellenbogen einen Knuff in die Seite bekam.
„Wir haben gekocht", erklärte mein Vater. „Wenn ihr mögt, könnt ihr runter kommen."
Ich wurde umgehend weggeschleift, hatte nicht den Hauch einer Chance, mich zu wehren. Bea zog mich an den Handgelenken die Treppe nach unten hinunter und ließ mich erst an meinem Stuhl wieder los.
Während des Essens war es ungewöhnlich still. Bea betrieb ab und an ein wenig Smalltalk, während ich natürlich weiterhin schwieg.
Nach einer Weile klingelte das Telefon.
„Bea, es ist deine Mutter. Du sollst nach dem Essen nach Hause kommen", erklärte mein Vater, noch mit dem Telefon in der Hand.
„Herr Steiner? Wäre es in Ordnung, wenn ich hierbleibe? Ich meine... Wenn Roxy schon übermorgen weg soll...", räumte meine beste Freundin ein. Kurz um bekam sie mit einem zustimmenden Achselzucken den Hörer in die Hand gedrückt. Und durfte bleiben.
Nach dem Essen richteten wir uns ein letztes Nachtlager ein.
Bevor wir schliefen redeten wir natürlich noch ein bisschen. Es gab Rückblicke auf die letzten zehn Jahre, schöne und weniger schöne Erinnerungen.
Schließlich wurde einstimmig entschieden, zu schlafen.
„Bea?"
„Hm?", grummelte sie nur.
„Danke. Für... Alles, ja?"
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