Revier
Die Fahrt verlief relativ still, nur zwischendurch versuchte der sympathischere Polizist die Stimmung mit Sprüchen zu heben. Nach einer Viertelstunde kamen sie am Polizeirevier an. Lennox sah durch das Fenster, wie die Männer ausstiegen und ins Innere geführt wurden. Kurz darauf öffnete auch jemand seine Tür und zog ihn unsanft raus, wobei Lennox ihn in den Magen trat. Der Polizist ließ ihn los, doch dafür kamen zwei andere und hielten ihn fest, darunter auch Tom, wie sich der Sympathischere vorgestellt hatte.
„Wehr dich nicht, Junge, das bringt dich nur in Schwierigkeiten!"
Lennox sah ein, dass er Recht hatte und ging widerstandslos mit.
Sie alle wurden in einen großen Raum gebracht, wobei Lennox und sein Vater sich immer zornige Blicke zuwarfen. Dann befragte man sie nacheinander. Als Lennox an der Reihe war, führte Tom ihn in einen abgelegenen Raum, in dem eine Polizistin auf einem Stuhl saß. Tom drückte ihn auf einen zweiten Stuhl, der Frau gegenüber, was ziemlich unangenehm für ihn war, da er noch immer Handschellen trug. Tom schien das zu merken und warf ihr einen fragenden Blick zu, doch die Frau schüttelte finster den Kopf. Was die Männer ihr wohl erzählt hatten?
„Lennox Lando, mein Name ist Kommissarin Flavor. Du wirst der Körperverletzung beschuldigt und laut deiner Akte bist du schon mehrmals durch Gewalttaten in der Schule, sowie Verweigerung der örtlichen Schulpflicht aufgefallen."
Die Frau schien weiter sprechen zu wollen, doch Lennox unterbrach sie:
„Ihr Name interessiert mich nicht und wenn ich der Körperverletzung beschuldigt werde, was ist dann mit den Arschlöchern da draußen? Außerdem bin ich fast immer in der Schule, ich schwänze nicht grundlos, wenn die Lehrer mich nicht bemerken ist das doch nicht meine Schuld!"
„Nur leider gibt es dafür keine Beweise. Dein Vater hat sich für dich eingesetzt und keiner der Männer verklagt dich, aber..."
Lennox unterbrach sie erneut wütend:
„Keiner von denen verklagt mich?! Ich sollte besser meinen Vater verklagen! Die anderen Polizisten haben doch einen Teil der Prügelei gesehen, ist das nicht Beweis genug?"
Die Frau wurde zornig. Scheinbar mochte sie ihn nicht.
„Sei froh, dass ich nicht über dich entscheide. Du bist genauso schlimm wie alle anderen, glauben sie könnten machen was sie wollen, halten sich nicht an Regeln und widersetzen sich der Autorität der Erwachsenen!"
Jetzt war Lennox sicher: die Frau hatte sie echt nicht mehr alle. Bevor er noch etwas sagen konnte, klopfte es an der Tür. Ein junger Mann betrat den Raum:
„Wir haben die Anderen grade entlassen, sie warten nur noch auf ihn.", sagte er und deutete mit einem Nicken auf Lennox, der sich bei seinen Worten versteift hatte.
„Sind Sie sicher, dass wir nichts weiter tun sollten? Es schien nicht die Schuld des Jungen zu sein.", fragte Tom die Kommissarin.
„Nein, wir werden uns nicht länger damit befassen und jetzt schafft ihn zu seinem Vater!"
Sie beugte sich zu Lennox und flüsterte:
„Hoffentlich bringt er dir ein paar Manieren bei!"
Dann wurde er von Tom hochgezogen und aus dem Raum geführt. Tom machte ihm die Handschellen ab und Lennox rieb sich die aufgeschürften Handgelenke.
„Das tut mir leid, hast dich aber auch ganz schön geweht.", sagte er mit einem Blick auf seine Hände.
„Schon gut.", murmelte Lennox und ließ sich nach draußen bringen.
Er genoss den kurzen Moment Ruhe, der ihm im Revier blieb, bevor sie durch die Tür schritten, wo sein Vater und dessen Freunde schon warteten und ihn mit finsteren Blicken anstarrten. Lennox schluckte, als die Polizisten sie allein ließen. Immerhin würden sie ihn hier noch nicht verprügeln, das würde schließlich sofort jemandem auffallen. Stattdessen schwiegen sie, nur Lennox' Vater packte ihn und zerrte ihn mit sich, weshalb Lennox knurrte, sich jedoch nicht befreite. Ein paar Straßen weiter stieß er Lennox plötzlich gegen die Wand. Er wehrte sich immernoch nicht.
„Das war ja ganz schön knapp. Dass du auch immer etwas anstellen musst! Sei froh, dass wir dich nicht angezeigt haben, dir hätten sie eh nicht geglaubt!", sagte sein Vater gehässig.
„Das hätte euch Idioten nichts gebracht, ich bin noch nicht volljährig und bei einer Geldstrafe hättest eh du die Scheiße ausbaden müssen! Außerdem habe ich nichts getan, weshalb ihr mich anklagen könnt, wenn dann habe ich wohl das Recht dazu!", schrie Lennox ihn an.
Die anderen kamen drohend näher und sein Vater zischte:
„Wir gehen jetzt nach Hause und du bleibst auch erst mal dort, bis ich der Meinung bin, du verdienst es, wieder raus zu dürfen!"
Er versuchte, Lennox weiter zu ziehen, aber jetzt wehrte er sich endlich. Er wollte nicht zuhause festsitzen, wo er seinem Vater hilflos ausgeliefert war. Doch Morley und Harry halfen ihn, sodass Lennox nicht entkommen konnte. Nach circa 20 Minuten kamen sie an und Lennox' Vater zog den Schlüssel aus seiner Hosentasche. Dann verabschiedete er sich kurz von seinen Freunden und verabredete sich für den nächsten Tag mit ihnen, bevor er seinen Sohn unsanft in die Wohnung stieß. Egal wie viel er sich auch wehrte, sein Vater brachte ihn in sein Zimmer und verriegelte das Fenster. Er lachte und schloss die Tür von außen ab. Lennox war eingesperrt! Er ließ sich erschöpft auf's Bett fallen und zog sein Oberteil aus, bevor er auch schon einschlief.
Am nächsten Morgen betrat sein Vater das Zimmer und befahl ihm, die Wäsche zu machen und zu putzen. Lennox widersprach nicht, er hatte ja sowieso nicht besseres zu tun, die Wohnung verlassen konnte er immerhin nicht. Da war seinem Vater auch scheißegal, ob er die Schule verpasste. Gott, wie sehr er sich grade wünschte, in der Schule zu sein! Aber es gab keinen Ausweg. Immerhin schlug sein Vater ihn nicht. Er verließ sogar die Wohnung um mit der Gang was trinken zu gehen. Lennox beeilte sich trotzdem, um fertig zu sein, bevor er zurück war, um einem möglichen Streit aus dem Weg zu gehen, der zweifellos mit Schlägen enden würde.
Er schaffte es tatsächlich die Hausarbeit in dem Moment zu beenden, als sein Vater die Wohnung betrat. Nach einigen prüfenden Blicken wurde Lennox wieder auf sein Zimmer geschickt und eingesperrt. Doch in dieser Nacht träumte er. Er träumte vom Meer, den Wellen, magischen Kreaturen die dort lebten und er sah klar-grüne Auge vor sich, die ihm Wärme schenkten. Als er aufwachte, hatte er ein Lächeln im Gesicht. Es wollte den ganzen Tag nicht mehr verschwinden, selbst als sein Vater ihm für das Grinsen eine Ohrfeige verpasste, konnte er nicht aufhören, zu lächeln, wann immer er an's Meer dachte. Die Freude wurde begleitet von dieser unbeschreiblichen Sehnsucht, die er bereits kannte, doch zum ersten Mal, hatte er Hoffnung, dass er irgendwann die Magie des Meeres kennenlernen würde und keine Allergie ihn aufhalten konnte.
Lennox blieb noch einige Tage eingesperrt, Essen und Trinken nahm er sich, nachdem er die Hausarbeit erledigt hatte. Zum Glück waren seine Einkäufe noch nicht ganz aufgebraucht! Am Montag wurde er von seinem Vater geweckt und in die Schule geschickt. Lennox freute sich dermaßen, dass er zum Bus rannte. Er erwischte sogar einen früher als sonst, sodass er eine Viertelstunde vor Schulbeginn schon da war. Aber nicht mal das konnte er genießen, da Herr Gondraf aus dem Gebäude trat. Auch wenn Lennox wenig Lust auf irgendwelche Anschuldigungen hatte, wollte er wenigstens zeigen, dass er da war. Also machte er auf sich aufmerksam, indem er rief:
„Guten Morgen, Herr Gondraf!"
Sein Blick schnellte zu Lennox und blickte ihn prüfend an.
„Na sieh mal einer an, wie schön, dass du dich auch nochmal blicken lässt! Was ist diesmal deine Ausrede?"
Obwohl er eigentlich keinen Bock auf sowas hatte, konnte Lennox nicht ruhig bleiben:
„Ich war bei der Polizei, weil ich mich mit meinem Vater und seinen Freunden geprügelt habe, danach hatte ich zu Hause viel zu erledigen!"
„Du stellst auch wirklich ständig irgendwas an! Den Ausflug hast du auch verpasst!"
Ach stimmt, der war ja am Freitag gewesen! Immerhin etwas Positives, dachte Lennox zufrieden. Herr Gondraf musste ihm angesehen haben, was er dachte, denn er schüttelte sprachlos den Kopf. Kurz darauf hatte er seine Starre scheinbar hinter sich, denn er verdonnerte Lennox zum Nachsitzen und ging dann zurück ins Gebäude. Lennox folgte kurz darauf. Erstmal machte er im Klassenzimmer auf sich aufmerksam, dann begann der langweilige Unterricht und seine Gedanken schweiften ab.
Nach der Schule trieb er sich in der Stadt herum und kaufte sich was zu essen, von dem bisschen Geld, was er von zuhause hatte mitgehen lassen. Er blieb möglichst lange draußen, bis es dunkel wurde und er zur Wohnung lief. Er erreichte sie relativ schnell und klopfte, da sein Fenster noch immer verriegelt war. Lennox hörte Schritte und sein Vater öffnete. Scheinbar hatte er ihn geweckt, was gar nicht gut war.
„Kommst du auch endlich mal wieder?", murrte er benommen.
Lennox verdrehte innerlich die Augen und schob sich einfach an dem Mann vorbei in sein Zimmer, wo er schnell die Hausaufgaben machte und danach versuchte, die Verriegelung vom Fenster zu lösen. Nach einigen Versuchen fand er die richtige Technik für das Schloss und das Fenster ließ sich öffnen. Lennox kletterte auf's Dach und starrte zum Himmel, der heute leider ziemlich bedeckt war. Nur das leichte Schimmern des Mondes schaffte es durch die Wolken. Er seufzte. Lennox war hier eingesperrt, seit seine Mutter weg war, wurde ihm jetzt klar. Und irgendwann musste er den Mut finden und aus seinem Käfig ausbrechen, um frei sein zu können!
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