Alles wurde leer. Ich sah sie fallen, ich sah das Blut und im nächsten Moment war ich neben ihr. Sie sah mich nicht an. Verzweifelt suchte ich nach einem Puls, aber ich fand keinen. Er hatte nicht direkt ihr Herz getroffen, aber der Schuss war nur knapp danebengegangen.
Wo kam nur das Blut her? Da war der Puls, endlich hatte ich ihn gefunden. Ich spürte ihn unter meinen Fingern und hielt mich daran fest, als wäre es alles, das mir noch blieb. „Nicht sterben", sagte ich leise. „Hörst du? Nicht sterben." Als ich die Wunde fand, presste ich die Hände darauf. Das sollte doch angeblich immer helfen. Aber ich merkte, wie es eben nicht half.
Ihre Lippen verloren ihre Farbe, ihre Handflächen wurden allmählich weiß. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, als ihr Körper versuchte, sich gegen den Tod zu wehren. „Komm schon", flüsterte ich, „nicht sterben." Aber natürlich halfen die Worte nicht, sie brachten rein gar nichts. Und sie sagte auch nichts.
Keine berühmten letzten Worte, an die sich die Welt für immer erinnern konnte. Einfach nichts. Sie starb mir unter den Fingern weg, während ich vergeblich versuchte, sie am Leben zu halten. Ich hätte gerne geweint, ihr zu Ehren, aber daran verschwendete ich in diesem Moment keinen Gedanken. Selbst Dwight, der den Abzug betätigt hatte, vergaß ich völlig.
Er hatte seine Bedeutung verloren. Juvia lag da, auf dem dreckigen Boden und starrte nach oben in den Nachthimmel, der voller Sterne war. „Du kommst in den Himmel", flüsterte ich, „ganz bestimmt." Die Hoffnung, dass sie nicht sterben würde, schwand mit jeder Minute. Und dann hörte ihr Brustkorb auf, sich zu heben.
Sie sah nicht aus, wie jemand der tot war, vielmehr wie jemand, der gleich aufstehen würde, um mir zu sagen, dass er einen Spaß gemacht hatte. Ich starrte Juvia an. Sie hatte eine Heldin sein wollen und jetzt war sie tot. Wofür war sie gestorben? Jetzt stiegen doch Tränen in meinen Augen auf. Alles verschwamm, wurde wieder klar und löste sich wieder auf.
„Nicht sterben", sagte ich ein letztes Mal. Ich holte tief Luft und drehte mich um. Wieder sah ich in den Lauf einer Pistole. „Sie haben sie getötet", stellte ich fest. Er widersprach nicht, stattdessen fügte er hinzu: „Sie hat mich angegriffen." „Und Sie haben geschossen." „Deine Freundin war dumm. Ich hätte euch beide vielleicht verschont. Jetzt muss ich dich mitnehmen."
Ich widersprach nicht, weil er immer noch die Pistole in den Händen hielt. Mit dem Kopf deutete er auf den Hubschrauber und ich setzte mich zögerlich in Bewegung. Juvia hatte ein Begräbnis verdient. Mit Blumen und einem Grab, das ihr würdig war.
Aber die bekam sie nicht. Als ich auf dem Ledersitz des Hubschraubers saß und aus dem Fenster blickte, war ich versucht, ihr zu winken. Natürlich könnte sie es nicht sehen. Also ließ ich es. Menschenleben waren so einfach zu beenden. Viel zu einfach.
.-.-.-.
Als der Hubschrauber wieder landete, war es bereits morgen. Mein Kopf dröhnte, weil ich ihn gegen die Scheibe gelehnt hatte und so jede noch so kleine Erschütterung gespürt hatte, aber es hatte den Schmerz betäubt. Es war ein niederschmetterndes Gefühl, sie tot zu wissen. Leute in meinem Alter sollten nicht sterben.
Sie sollten auf Partys gehen, ihre Zukunft planen und glücklich sein. Ich wusste, dass nicht jeder so sein konnte. Nicht jeder konnte sich das leisten. Aber niemand hatte ein Recht darauf, ein anderes Leben zu beenden. Juvia war unschuldig gewesen. Sie hatte sich in Sachen eingemischt, die sie nichts angingen, aber sie hatte niemandem etwas Böses getan. Im Gegenteil, sie hatte eine Heldin sein wollen.
„Wohin bringen Sie mich eigentlich?", hatte ich während des Fluges gefragt. Am Anfang war es mir noch egal gewesen, was jetzt mit mir geschah, aber langsam gewann wieder mein Überlebenswillen die Oberhand. Ich bekam keine Antwort. Nochmal fragte ich nicht.
Die Landung kam mir vom ganzen Flug am längsten vor, was vielleicht daran lag, dass ich in der Nacht mein Zeitgefühl verloren hatte. Jetzt, wo die Sonne aufgegangen war, wusste ich, dass mehrere Stunden vergangen sein mussten. Als der Motor erstarb und die Welt still wurde, hatte ich das Gefühl, die Zeit wäre stehengeblieben. Träge nahm ich mir die Schützer von den Ohren.
Richtig, ich hatte ganz vergessen, dass auch Dwight eines trug. Deshalb hatte er mir also vorhin nicht geantwortet. Als ich ausstieg, dachte ich, meine Beine müssen gleich unter mir zusammenbrechen. Nur mit Mühe und Not konnte ich mich aufrecht halten.
Als ich mich wieder umdrehte, hatte Dwight die Waffe bereits wieder auf mich gerichtet. Er war ein vorsichtiger Mann und inzwischen wusste ich ja, dass er nicht zögerte, zu schießen. „Wollen Sie mich etwa auch noch erschießen?", fragte ich ohne jegliche Emotionen. „Nein, ich denke nicht.
Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Spiegelwesen ein so großes Chaos angerichtet haben, dass man es nicht mehr rückgängig machen kann." „Und was hilft Ihnen das? Was bringt Ihnen das ganze Unheil, das die Spiegelwesen über die Menschen bringen?" „Angst, mein Lieber, ist eine mächtige Waffe."
Darauf erwiderte ich nichts mehr. Stattdessen ließ ich mich von ihm in Richtung Villa führen, vor der wir gelandet waren. Sie war weiß, prunkvoll und sicherlich groß genug für fünf Familien. Aber sie schien verlassen zu sein. Dann wären wir ja schon zwei.
Gemächlichen Schrittes führte er mich zu der großen Tür, deren breite Flügel aus hellem Holz bestanden. „Sieht aus, wie ein Schloss, nicht wahr?", fragte Dwight offenbar selbst ganz hingerissen von seiner Behausung. Obwohl ich bezweifelte, dass er mich direkt töten würde, nur weil ich das anders sah, stimmte ich ihm zu.
Ich hatte jetzt nicht den Nerv dazu, mich mit jemandem zu streiten, der eine Waffe auf mich gerichtet hatte. „Ja, ist wirklich unglaublich." Ich konnte gerade genug Enthusiasmus aufbringen, um einigermaßen glaubhaft zu klingen. „Es gibt im Umkreis von 10 Kilometern keinen einzigen Spiegel, dafür habe ich bei der Auswahl dieses Grundstücks besonders geachtet", berichtete er, ganz offensichtlich stolz auf seine Leistung.
„Dann haben Sie das ganze also schon lange geplant?" Um ehrlich zu sein, sollte mich das nicht überraschen. Sawyer wirkte auf mich nicht wie ein Mann, der übereilte Entscheidungen traf. Allerdings hatte ich dennoch nicht damit gerechnet, dass er einen ernsthaften Plan verfolgte.
Ein bisschen Schrecken verbreiten, das schon, aber ein richtiges Ziel hätte ich nicht erwartet. „Fünf Jahre habe ich gewartet, damit ich sicher sein kann, dass der Plan auch ja nicht schief geht." „Und was ist der Plan?" Bevor er mir antwortete, gab er auf einem versteckten Display den Code ein, mit dem sich die Türen öffnen ließen.
Leider verdeckte er mir die Sicht darauf, indem er seinen Körper in mein Sichtfeld stellte. Allerdings ließ er mich keine Sekunde lang wirklich aus den Augen. Offenbar konnte er die Zahlenkombination auch eingeben, ohne hinzugucken. „Der Plan ist, als einer der wenigen Überlebenden aus dieser Sache rauszukommen."
Man musste kein Genie sein, um zu merken, dass man nicht mehr aus ihm herausbekommen würde. Was das betraf, musste ich wohl geduldig sein. Schweigend ließ ich mich durch die langen Gänge der Villa führen. Hier drinnen hatte es nicht mehr viel von einem Schloss.
Die Flure waren schmal und die Decke niedrig, dafür waren die Zimmer vermutlich riesig. Hinter den Türen erwartete ich wahre Säle, aber ich bekam keinen davon zu Gesicht. „Am Anfang wollte ich dieses Haus hier als einen Ort der Rettung verwenden, aber die Menschen haben kein Recht auf Asyl." Ich konnte das kranke Lächeln, das er auf den Lippen trug, praktisch spüren.
Obwohl er hinter mir ging, hatte ich das Gefühl, seine Aura würde mit kalten, grauen Tentakeln nach mir greifen. Ich unterdrückte das Bedürfnis, mir über die Arme zu streichen, um sie zu vertreiben. Stattdessen konzentrierte ich mich auf den Weg. Es gab weder Bilder, noch andere Auffälligkeiten, an denen man sich hätte orientieren können.
Von außen hätte ich in diesem Haus Gemälde, Skulpturen oder teure Vasen erwartet, aber sämtliche Dekoration glänzte hier mit Abwesenheit. „Was hat Ihre Meinung den so verändert?" Als ich keine Antwort bekam, drehte ich mich um. Sein Blick war glasig geworden, doch es dauerte nur wenige Herzschläge, bis er sich wieder gefangen hatte.
„Ich weiß es nicht mehr", sagte er selbstbewusst, stolperte aber selbst fast über seine Worte. Ich bezweifelte, dass er log, dafür hielt ich ihn zu intelligent. Wenn er mir eine Antwort nicht geben wollte, brauchte er das auch nicht. Er musste nicht so tun, als könnte er sich lediglich nicht mehr daran erinnern. Aber das würde dann bedeuten, dass er es wirklich nicht mehr wusste und das ergab keinen Sinn.
„Wenn Sie es nicht mehr wissen, warum wollen sie diesen Ort dann für sich behalten?" „Einfach, weil ich es kann", sagte er ruhig und wirkte nun gar nicht mehr so, als gäbe es Lücken in seinem Gedächtnis. Vor einer Treppe blieben wir kurz stehen. Ich bezweifelte, dass ich eine Chance hatte zu fliehen.
Selbst wenn ich aus diesem Haus rauskommen würde, wüsste ich nicht, wohin ich gehen sollte. Wir waren während des gesamten Flugs über keine einzige Stadt gekommen und ich wusste nicht, wo wir uns befanden. Außerdem war es ohnehin keine allzu gute Idee, in eine Stadt zu gehen. Während wir die Treppe hinabstiegen, wurde mir langsam klar, dass ich wohl dort unten eingesperrt werden würde.
Das ergäbe schließlich Sinn; er konnte mich nicht den ganzen Tag mit der Pistole von Dummheiten abhalten. „Ich hab ein paar Fragen an dich", sagte Dwight Sawyer, bevor er eine massive Eichentüre öffnete und mich mit einer Kopfbewegung dazu aufforderte, das Zimmer zu betreten. „Aber dazu kommen wir später."
Mit der Pistole im Nacken blieb mir wohl gar nichts anderes übrig, als seine Anweisungen zu befolgen. Als sich die Tür hinter mir schloss und ich das Knacken eines Riegels vernahm, der vorgeschoben wurde, umfing mich Dunkelheit. Danach drehte sich ein Schlüssel im Schloss herum. Mit geschlossenen Augen und auf meinen Tastsinn konzentriert, tastete ich nach einem Lichtschalter.
Bis ich ihn gefunden hatte, mussten Minuten verstrichen sein. Das Licht an der Decke flackerte kurz, dann wurde es ganz gleichmäßig. Die Lampe strahlte in einem sauberen Weiß, dass besser in ein Krankenhaus gepasst hätte. Unweigerlich führte mich das zu Juvia zurück. Zum ersten Mal seit ihrem Tod hatte ich Zeit dazu, wirklich Gefühle zuzulassen und darüber nachzudenken, was ich jetzt ohne sie machen sollte.
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