Red Cups
Es war ein milder Nachmittag, die Sonne stand tief am Horizont und färbte die Straßen in warmes, goldenes Licht.
Die Luft hatte diesen ganz bestimmten Duft von nahendem Frühling, obwohl der Winter noch spürbar war.
Ich stand vor Jisungs Wohnung und starrte auf die Klingel, meine Hand schwebte zögernd darüber.
Warum war ich plötzlich nervös?
Wir hatten uns so oft getroffen, so viele Stunden zusammen verbracht und dennoch fühlte sich dieser Moment anders an. Vielleicht, weil ich wusste, dass heute eine Grenze überschritten werden könnte. Nicht nur für uns beide, sondern auch in meinem Kopf.
Ich atmete tief durch und drückte die Klingel. Einen Moment später öffnete Jisung die Tür.
Er sah aus wie immer: ein bisschen zerzaust, ein bisschen müde, aber mit diesem leichten Lächeln, das mich jedes Mal aus der Fassung brachte.
„Hey“, sagte er und lehnte sich an den Türrahmen.
„Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.“
„Sorry, ich musste noch was erledigen“, log ich, obwohl der einzige Grund für meine Verspätung mein unentschlossenes Grübeln war.
Er zog eine Augenbraue hoch. „Na dann. Wo gehen wir hin?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich dachte, wir könnten einfach ein bisschen spazieren, was essen und sehen, wo uns der Tag hinführt.“
„Klingt gut“, sagte er, schnappte sich seine Jacke und folgte mir nach draußen.
Wir liefen durch die belebten Straßen der Stadt, vorbei an Cafés, kleinen Läden und den immerwährenden Geräuschen des Stadtlebens.
Die Sonne wärmte uns leicht und ich merkte, wie meine Nervosität langsam schwand. Mit Jisung fühlte sich alles einfacher an, natürlicher.
„Also, Minho“, begann er nach einer Weile und warf mir einen Seitenblick zu.
„Was ist der wirkliche Grund, warum du mich heute rausgeholt hast? Keine Clubs, kein Chaos, nur… wir?“
Ich überlegte kurz, ob ich ehrlich sein sollte. Dann entschied ich mich für einen Mittelweg.
„Ich wollte einfach Zeit mit dir verbringen. Ohne Ablenkung.“
Er grinste leicht. „Ohne Ablenkung also? Ich fühle mich geehrt.“
„Du solltest dich geehrt fühlen“, erwiderte ich trocken, was ihm ein leises Lachen entlockte.
Wir landeten schließlich in einem kleinen Restaurant, das ich schon seit Jahren kannte.
Die Tische waren aus dunklem Holz, die Beleuchtung war gedämpft und es roch nach frischen Gewürzen und Kräutern. Wir bestellten zwei einfache Gerichte und saßen uns gegenüber, während ich versuchte, die Worte zu finden, die ich schon den ganzen Tag sagen wollte.
Nach dem Essen liefen wir weiter, der Tag wich langsam der Dämmerung, und die Straßen begannen sich zu leeren. Die Stadtlichter flackerten auf und ich führte ihn an einen ruhigeren Ort – einen kleinen Park am Flussufer, wo die Geräusche der Stadt nur noch ein fernes Murmeln waren.
„Es ist schön hier“, sagte Jisung und steckte die Hände in die Taschen seiner Jacke.
„Ich komme oft hierher, wenn ich nachdenken muss“, gab ich zu.
Er warf mir einen schnellen Blick zu. „Und worüber denkst du heute nach?“
Ich blieb stehen, sah zum Fluss hinunter, der träge unter den Brücken hindurchfloss. Die Worte lagen mir auf der Zunge, aber ich wusste nicht, wie ich sie herausbringen sollte.
„Über uns“, sagte ich schließlich leise.
Jisung blieb ebenfalls stehen, seine Augen suchten meinen Blick.
„Was meinst du mit ‚uns‘?“
Ich drehte mich zu ihm um. „Ich meine… was das zwischen uns ist. Was es werden könnte.“
Er schwieg, seine Augen wanderten kurz über den Fluss, bevor sie wieder zu mir zurückkehrten.
„Minho, ich… ich weiß es nicht. Das habe ich dir schoneinmal. Ich weiß nicht, was du von mir willst.“
„Ich will dich“, platzte es aus mir heraus, bevor ich mich zurückhalten konnte.
„Aber ich weiß nicht, ob du das auch willst. Oder ob das… zwischen uns nur einmalig war.“
Seine Augen weiteten sich leicht, und ich sah, wie er schluckte.
„Ich… Minho, das ist kompliziert. Ich weiß nicht, ob ich bereit bin, das jetzt zu definieren. Ich habe keine Nerven, dieses Gespräch noch einmal zu führen... “
„Warum nicht?“ Ich trat einen Schritt näher zu ihm. „Was hält dich zurück?“
Er senkte den Blick, spielte mit dem Saum seiner Jacke.
„Weil ich Angst habe. Angst, dass es nicht funktioniert. Angst, dass ich dir nicht das geben kann, was du willst.“
Ich legte eine Hand auf seine Schulter, zwang ihn, mich anzusehen. „Jisung, ich will nur dich. Alles andere ist mir egal.“
Sein Blick wurde weicher und für einen Moment war da diese Stille zwischen uns, in der nur der Fluss und die entfernten Geräusche der Stadt zu hören waren.
„Du machst es einem wirklich schwer, dich nicht zu mögen“, murmelte er schließlich und lächelte leicht.
„Dann hör auf, es zu versuchen“, sagte ich, ohne nachzudenken.
Er lachte leise, und es war dieses Lachen, das mich endgültig aus der Fassung brachte. Ich wollte ihm sagen, wie sehr ich ihn wollte, wie sehr ich ihn brauchte, aber die Worte blieben mir im Hals stecken.
Jisung blieb stehen, seine Hände tief in den Taschen vergraben.
„Ich habe Angst, dass es mit uns genauso enden könnte, wie bei Seungmin und Jeongin.“
Seine Worte hingen schwer in der Luft. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen, und ich suchte verzweifelt nach den richtigen Worten.
„Jisung… das kannst du nicht wissen. Wir sind nicht wie sie.“
Er schüttelte langsam den Kopf, sein Blick war in die Ferne gerichtet. „Minho, sie haben dass bestimmt auch nicht gedacht, dass es so endet. Sie haben gelacht, sie haben sich geliebt und dann... irgendwann war alles kaputt. Sie konnten es nicht mehr reparieren.“
„Aber wir sind nicht sie,“ erwiderte ich fest, versuchte, die Unsicherheit aus meiner Stimme zu verbannen. „Jisung, schau mich an. Du weißt, dass ich dir niemals wehtun würde. Du weißt das.“
Er drehte sich zu mir um, seine Augen schimmerten im schwachen Licht. „Ich weiß, dass du das nicht willst. Aber niemand will das, Minho. Und trotzdem passiert es. Was, wenn wir uns auch verlieren? Was, wenn wir uns gegenseitig kaputt machen?“
Seine Worte schnürten mir die Kehle zu, aber ich zwang mich, ruhig zu bleiben.
„Jisung, wir können es besser machen. Wir werden es besser machen. Wir reden, wir hören einander zu und wir kämpfen – für uns. Ich glaube daran.“
Er presste die Lippen zusammen, zögerte.
„Ich brauche Zeit. Ich weiß, dass du es anders siehst, aber ich… ich kann das jetzt noch nicht. Ich will es nicht überstürzen.“
Seine Stimme war leise, fast ein Flüstern, aber ich konnte die Entschlossenheit dahinter spüren. Meine Hände ballten sich unbewusst zu Fäusten, doch ich zwang mich zu nicken.
„Okay. Ich verstehe. Nimm dir die Zeit, die du brauchst.“
Aber innerlich zerriss es mich. Wie konnte ich ihn gehen lassen, wenn mein ganzes Wesen nach ihm schrie?
Wir liefen weiter, schweigend, aber meine Gedanken überschlugen sich. Jedes Mal, wenn ich an ihn dachte – an sein Lächeln, an die Art, wie er lachte, an die Wärme, die er ausstrahlte – spürte ich diesen Schmerz, als würde mir etwas fehlen.
Die nächsten Tage waren ein Albtraum.
Ich konnte nicht aufhören, an ihn zu denken. Jede Nachricht von ihm ließ mein Herz höher schlagen, nur um dann wieder zu sinken, wenn sie nichts Persönliches enthielt.
Ich war ständig unruhig, fühlte mich verloren, als hätte jemand ein Stück von mir genommen und ich wusste nicht, wie ich es zurückholen sollte.
Jisung war überall in meinen Gedanken und doch war er unerreichbar. Und das machte mich wahnsinnig.
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