I See Red
Ich zögerte noch immer.
Vielleicht war es der Drang, mich nicht zu schnell auf das einzulassen, was Jisung mir anbot.
Vielleicht war es auch nur der Versuch, meine Selbstkontrolle zu bewahren, während ich versuchte, ein bisschen mehr Klarheit zu bekommen.
Doch irgendwann überwand ich meinen Widerstand, stand auf und bahnte mir einen Weg durch die sich immer wieder verändernde Menschenmenge, bis ich endlich an der Bar ankam.
Jisung hatte mich längst bemerkt. Natürlich.
Sein Blick traf mich sofort und das freche Grinsen, das er mir schenkte, ließ mich wieder einmal fragen, ob er mich durchschauen konnte.
„Na, da bist du ja“, sagte er, und seine Stimme klang noch neckischer als zuvor.
„Hast du etwa Lust auf ein bisschen Spaß?“
Ich ignorierte ihn gekonnt, während ich mich auf die Bar stützte und versuchte, mich auf etwas anderes zu konzentrieren.
Es war immer noch laut um uns herum, aber an der Bar war das Licht ein wenig heller, sodass ich sein Gesicht jetzt klarer sehen konnte.
Er sah noch besser aus als zuvor.
Seine dunklen Augen stachen aus dem Schatten der bunten Lichter hervor, tief und ausdrucksstark, als könnten sie eine ganze Geschichte erzählen, wenn man nur lange genug hineinsah.
Seine Haut war makellos, fast unnatürlich perfekt und der schmale Strich seiner Lippen wirkte beinahe wie ein stilles Versprechen.
Ich konnte nicht anders, als über den schmalen Punkt seiner Kinnpartie nachzudenken, die wie ein eleganter Akzent zu seinem insgesamt so markanten Gesicht passte.
Doch es waren seine Haare, die mich am meisten fesselten.
Die wirren, braunen Strähnen, die leicht gelockt waren und ihm auf eine irgendwie chaotische, aber absolut magnetische Weise ins Gesicht fielen. Sie schienen zu leben, sich bei jeder Bewegung zu verändern.
Ich konnte nicht anders, als meinen Blick darauf zu fixieren, als versuchte ich, jedes Detail zu erfassen.
„Was darf’s für dich sein?“
Der Barkeeper, der irgendwie eine vertraute Aura ausstrahlte, unterbrach meine Gedanken.
Ich kannte seinen Namen nicht, aber er hatte ein angenehmes Gesicht – die Art von Gesicht, das einem das Gefühl gab, hierher zu gehören.
Ein wenig älter als wir, mit einem selbstsicheren, aber freundlichen Lächeln.
„Äh, ein Wasser bitte“, stotterte ich, noch immer von Jisungs Präsenz abgelenkt, der immer noch an meiner Seite stand und mich mit diesem provozierenden Lächeln anstarrte.
„Zwei Gläser Whiskey. Vergiss das Wasser, Chan“, sagte Jisung plötzlich.
Ich riss die Augen auf und drehte mich zu ihm.
„Was? Ich trinke keinen Alkohol“, protestierte ich sofort.
„Heute schon“, erwiderte er lässig, als wäre es die normalste Sache der Welt.
Ich versuchte, ihm in die Augen zu sehen, doch diese seltsame, herausfordernde Art, wie er mich ansah, ließ mich den Gedanken, ihm zu widersprechen, fast vergessen. Was war es an ihm, das mich so in den Bann zog?
Warum ließ ich mich von ihm beeinflussen, obwohl ich wusste, dass er nur auf Reaktionen wartete?
„Zwei Gläser Whiskey“, wiederholte der Barkeeper und schob uns die Getränke zu.
Ich sah, wie Jisung die Gläser nahm und sie auf der Theke abstellte, dabei seine Augen nicht von mir wendend.
„Komm schon, Minho. Ein kleines Glas wird dich nicht umbringen“, sagte er mit einem schelmischen Grinsen, das mir fast den Atem raubte.
Trotzdem spürte ich, wie sich eine Welle von Widerstand in mir aufbaute.
Ich war nicht der Typ für Alkohol. Aber es war schwer, dem Druck zu widerstehen, den er aufbaute.
Ich blickte einen Moment lang auf das Glas.
Dann in seine Augen.
„Komm schon, Minho“, sagte er erneut, diesmal sanfter, als würde er mich durch ein unsichtbares Band anziehen.
„Es ist nur ein Glas. Lass uns einfach den Moment genießen.“
Ich wusste, dass er mich nicht loslassen würde, bis ich es tat.
Und vielleicht… wollte ich es auch einfach mal anders erleben.
„Nur ein Glas“, murmelte ich, bevor ich das Whiskeyglas ergriff und es an meine Lippen führte.
Es war ein seltsames Gefühl.
Der scharfe Geschmack brannte in meinem Hals und ich spürte sofort, wie der Alkohol mich für einen Moment durchflutete, wie ein kleiner Funken, der mich aufwühlte.
„Siehst du?“
Jisung grinste und nippte an seinem eigenen Glas.
„Es ist gar nicht so schlimm.“
Aber ich wusste, dass es nie nur um das Trinken ging.
Es war diese Energie, die er versprühte, dieser Reiz, der mich immer wieder dazu brachte, das zu tun, was er wollte. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass das erst der Anfang war.
Ich setzte das Glas ab und atmete tief ein. Jisung hatte gewonnen.
Aber ich hatte das Gefühl, dass ich auch etwas mehr über mich selbst herausfinden würde, je länger ich in seiner Nähe blieb.
Das Whiskey brannte in meinem Magen und für einen Moment fragte ich mich, was ich hier eigentlich tat. Aber dann blickte ich wieder zu Jisung, der mich mit einem schelmischen Lächeln anstarrte, und irgendwie schien alles andere irrelevant zu werden.
Ich nahm einen weiteren Schluck, diesmal langsamer und versuchte, die Wärme zu genießen, die sich nun in meinem Inneren ausbreitete.
Es war seltsam – der Alkohol machte alles ein wenig weicher, verschwommener, als ob der Raum um uns herum weniger real wurde. Aber noch mehr als das war es die Art, wie Jisung mich ansah, die alles intensiver erscheinen ließ.
„Du bist ganz schön hartnäckig“, sagte ich, halb im Spaß, halb Ernst.
Jisung lachte leise, der Klang seiner Stimme wie Musik in meinen Ohren. „Ich weiß. Aber du bist nicht der Typ, der sich leicht ablenken lässt, oder?“
„Ich weiß nicht, was du damit sagen willst“, erwiderte ich, obwohl ich wusste, dass er genau wusste, was er mit „ablenken“ meinte.
Denn irgendwie hatte er mich schon längst aus der Bahn geworfen.
Und vielleicht wollte ich das auch.
Er stützte sich auf die Bar, beugte sich ein Stück näher und blickte mir tief in die Augen.
„Ich mag es, dich zu provozieren, Minho. Du bist wie ein Rätsel, das darauf wartet, gelöst zu werden.“
Seine Worte trafen mich auf eine Weise, die ich nicht ganz einordnen konnte.
Es war nicht nur das, was er sagte, sondern die Art, wie er es sagte – mit einer Sicherheit und einer tiefen Neugier, die in mir ein Bedürfnis weckte, mehr von ihm zu erfahren. Ich spürte einen seltsamen Knoten in meinem Bauch, etwas, das sich nicht nach Angst anfühlte, sondern eher nach einer Herausforderung.
„Du machst es mir nicht gerade leicht“, murmelte ich, während ich das Glas erneut in die Hand nahm und es langsam schwenkte.
„Wer sagt, dass es leicht sein muss?“ Jisung zuckte mit den Schultern, sein Gesicht jetzt nur noch einen Atemzug von meinem entfernt.
Der Duft seines Parfums war jetzt noch intensiver, süß und verführerisch, fast wie ein Versprechen.
Ich versuchte, meinen Blick nicht zu verraten, versuchte, mich nicht von der Nähe, der Wärme, die er ausstrahlte, ablenken zu lassen.
Doch es war schwer, sich nicht von seiner Präsenz einfangen zu lassen.
„Du bist wirklich unheimlich“, sagte ich mit einem fast spöttischen Lächeln, das nicht ganz zu meiner Stimme passte.
„Ich weiß“, antwortete er leise, fast mit einem hauchzarten Lächeln auf seinen Lippen.
„Aber genau das macht es doch so interessant, oder?“
Für einen Moment waren wir einfach nur da, ohne Worte, ohne den Drang, uns zu bewegen.
Es war fast, als hätten wir uns in dieser kurzen Stille verloren, als würde die Welt um uns herum verschwimmen und alles, was noch zählte, war dieser Moment.
Ich konnte das seltsame Gefühl in meiner Brust nicht abstreifen.
Es war, als würde mein Herz schneller schlagen, ohne dass ich es kontrollieren konnte.
Und dann, mit einem Mal, spürte ich etwas, das ich schon lange nicht mehr gefühlt hatte.
Ein Ziehen, ein Drang, der weit über das hinausging, was ich mir in diesem Moment hätte vorstellen können.
„Du hast etwas an dir“, sagte ich schließlich, „etwas, das mich verrückt macht.“
„Das habe ich mir fast gedacht“, grinste Jisung und lehnte sich ein Stück weiter vor.
Er kam noch ein kleines Stück näher, seine Lippen fast so nah an meinem Ohr, dass ich seinen Atem spüren konnte.
„Vielleicht ist es ja Schicksal, Minho. Vielleicht ist es genau das, was du gesucht hast.“
Ich wollte etwas sagen, aber meine Gedanken schienen sich zu verheddern, als er mir so nahe war. Was wusste er über mich?
Und warum ließ ich es zu, dass er mich so in den Bann zog?
„Schicksal?“ Wiederholte ich, beinahe ungläubig. „Was für ein Schicksal?“
Jisung zog sich ein Stück zurück und grinste, als er mir tief in die Augen sah.
„Vielleicht das Schicksal, uns heute Abend zu begegnen. Vielleicht das Schicksal, dass du mir einfach nicht entkommen kannst.“
Es war fast schon zu viel.
Aber statt mich zurückzuziehen, spürte ich, wie sich eine seltsame Neugier in mir regte – eine Neugier, die ich nicht wirklich in Worte fassen konnte. Ich wollte mehr erfahren, mehr über ihn, über das, was uns hierhergebracht hatte.
Der Barkeeper, der sich plötzlich wieder näherte, unterbrach unsere kleine, aber intensiven Unterhaltung. „Noch was für euch?“
Ich warf einen Blick auf Jisung, der immer noch ruhig und selbstsicher an der Bar lehnte.
Er hatte mich überrascht, aber er hatte mich auch in eine Richtung gezogen, die ich nicht erwartet hatte. Ich wusste, dass dieser Abend noch lange nicht vorbei war – und dass ich vielleicht Dinge herausfinden würde, die ich noch nie über mich selbst gewusst hatte.
„Vielleicht später“, antwortete Jisung lächelnd und wendete sich dann wieder mir zu.
„Weißt du, ich glaube, wir haben noch viel Zeit, uns besser kennenzulernen.“
Er nahm meine Hand.
"Komm mit."
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