Dark Red
Irgendwann hatte ich Seungmin dazu überreden können, mit Jeongin reden zu können.
Die Zeit, in der er weg war, fühlte sich gut an. Es war für einen Moment nicht so, als wäre ich für ihn verantwortlich.
Die Musik des Clubs dröhnte immer noch in meinen Ohren, als Seungmin plötzlich zurückkam. Ich sah ihn schon von Weitem und spürte sofort, dass etwas nicht stimmte.
Seine Schultern waren angespannt, seine Schritte hastig und als er näher kam, sah ich die Tränen, die über seine Wangen liefen.
Seine Augen waren rot, voller Wut und Schmerz, und bevor ich überhaupt etwas sagen konnte, stand er plötzlich vor mir.
„Seungmin…“ begann ich, aber bevor ichweitersprechen konnte, packte er mein Gesicht mit beiden Händen und zog mich in einen Kuss.
Es war abrupt, voller Emotionen und Chaos.
Ich war so überrascht, dass ich einen Moment brauchte, um zu realisieren, was passierte. Die Wärme seiner Lippen war da, doch genauso fühlte ich die Verzweiflung dahinter.
Bevor ich reagieren konnte, löste er sich von mir, drehte sich um und warf einen langen, provokanten Blick in Richtung Jeongin, der uns aus der Ferne beobachtet hatte.
Jeongins Gesicht versteinerte sich und ich sah, wie er den Kopf schüttelte, bevor er sich abwandte und den Club verließ. Das war der Moment, in dem Seungmin vollständig zusammenbrach.
Er schluchzte laut, das Geräusch durchbrach die laute Musik und das Stimmengewirr um uns herum.
„Seungmin!“ rief ich, aber er konnte mich nicht hören, oder vielleicht wollte er es auch nicht.
Jisung war plötzlich an meiner Seite. Er fasste die Situation schneller zusammen, als ich es konnte und gemeinsam brachten wir Seungmin hinaus in die kühle Nachtluft.
Seine Schluchzer wurden nur lauter und ich konnte spüren, wie er fast unter seinem eigenen Gewicht zusammenbrach.
Jisung hielt ihn aufrecht, während ich versuchte, ein Taxi heranzuwinken.
In der Fahrt zurück zur Wohnung war die Atmosphäre bedrückend. Jisung saß neben Seungmin und versuchte, ihn zu beruhigen, indem er leise auf ihn einsprach.
„Hey, Seungmin. Es wird alles wieder gut. Du bist stärker, als du denkst, okay? Wir sind bei dir.“
Doch Seungmin reagierte nicht.
Er schüttelte nur immer wieder den Kopf, die Tränen liefen unaufhaltsam über sein Gesicht.
„Ich will ihn zurück“, flüsterte er schließlich, seine Stimme so leise, dass ich fast dachte, ich hätte es mir eingebildet.
„Ich will ihn einfach nur zurück.“
Ich tauschte einen schnellen Blick mit Jisung, der genauso hilflos aussah wie ich.
Als wir die Wohnung erreichten, führten wir Seungmin direkt ins Schlafzimmer.
Er war zu erschöpft, um zu protestieren, ließ sich ins Bett sinken, doch das Weinen hörte nicht auf.
Es war, als hätte er den Schmerz tief in sich hineingefressen und jetzt brach alles heraus.
Ich setzte mich an die Bettkante und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Jisung saß direkt neben mir, sein Gesicht voller Sorge.
„Seungmin“, sagte ich leise.
„Wir sind hier. Du bist nicht allein.“
„Ich will ihn zurück!“ schluchzte Seungmin und vergrub sein Gesicht in den Händen.
„Ich will ihn zurück, Minho. Warum hat er mich verlassen? Was hab ich falsch gemacht?“
„Du hast nichts falsch gemacht“, sagte ich sanft, auch wenn ich wusste, dass meine Worte ihn nicht erreichen konnten.
„Manchmal… manchmal wissen Menschen nicht, was sie wollen. Aber das hat nichts mit dir zu tun.“
Jisung nickte zustimmend und legte eine Hand auf Seungmins Rücken. „Minho hat recht. Du bist unglaublich, Seungmin. Und wenn er das nicht sieht, dann ist das sein Fehler, nicht deiner.“
Doch es half nichts.
Seungmin weinte weiter, sein Körper bebte vor lauter Emotionen, bis er schließlich vor Erschöpfung einschlief.
Im Wohnzimmer schenkte ich Jisung und mir ein Glas Wein ein.
Ich ließ mich schwer auf die Couch neben ihn fallen und seufzte.
„Das war… intensiv“, sagte Jisung und nahm einen Schluck.
„Wie hältst du das aus?“
„Ich muss“, antwortete ich schlicht und sah ihn an.
„Er ist mein bester Freund. Ich kann ihn nicht einfach so hängen lassen.“
Jisung nickte und schwieg für einen Moment. Dann lehnte er sich etwas näher zu mir.
„Aber du kannst dich auch nicht völlig aufopfern, Minho. Irgendwann musst du auch an dich denken.“
Ich schaute ihn an, überlegte, was ich darauf sagen sollte.
„Das ist leichter gesagt als getan. Wenn du jemanden so nah an dich heranlässt… dann machst du alles, um ihm zu helfen.“
Jisung legte eine Hand auf meine.
„Ich verstehe das. Aber denk daran, dass du auch jemanden brauchst, der auf dich achtet.“
Seine Worte trafen mich, und ich wusste, dass er recht hatte.
Doch bevor ich etwas sagen konnte, änderte Jisung plötzlich das Thema.
„Du weißt, dass du ziemlich gut darin bist, anderen zu helfen“, sagte er mit einem kleinen Lächeln.
„Vielleicht solltest du das beruflich machen.“
Ich lachte leise.
„Therapeut Minho? Klingt nach einem Albtraum.“
„Vielleicht“, sagte Jisung und grinste, „aber ich wette, du wärst großartig darin.“
Ich schüttelte den Kopf und nahm einen großen Schluck Wein.
„Ich bleibe lieber bei dem, was ich kann.“
Jisung sah mich an, sein Lächeln wurde weicher.
„Du bist ein guter Mensch, Minho. Ich hoffe, du weißt das.“
Ich erwiderte seinen Blick und fühlte, wie sich etwas in meiner Brust zusammenzog. Es war ein Moment, der sich seltsam intim anfühlte, und ich wusste, dass es nicht nur der Wein war.
„Danke“, sagte ich schließlich.
„Das bedeutet mir viel.“
Wir saßen noch lange da, redeten über alles und nichts, während die Nacht sich langsam um uns legte. Und für einen Moment fühlte sich die Welt ein bisschen leichter an.
Die Stimmung im Raum veränderte sich langsam, als das Gespräch tiefer wurde.
Der Wein in unseren Gläsern war längst zur Hälfte geleert und die Nacht hatte eine Art Schutzschild um uns gelegt, als wäre alles, was wir sagten, nur für uns bestimmt.
Jisung lehnte sich ein wenig näher an mich, sein Blick fixierte meinen mit einer Intensität, die ich nicht von ihm gewohnt war.
„Du weißt, dass du mir wichtig bist, oder?“ fragte er leise.
Ich spürte, wie mein Herzschlag sich beschleunigte.
Es war keine typische Bemerkung von Jisung. Er war normalerweise der, der alles mit einem Witz abtat, doch hier war nichts Witziges, nur Ehrlichkeit. „Du mir auch“, sagte ich und sah ihn an.
„Mehr, als ich dir wahrscheinlich je gesagt habe.“
Er lächelte, aber da war etwas anderes in seinem Ausdruck.
„Das habe ich gehofft zu hören“, murmelte er und rückte noch ein Stück näher.
Unsere Knie berührten sich nun leicht, ein Kontakt, der so klein war, aber dennoch einen Sturm in mir auslöste.
„Weißt du, Minho“, begann er nach einem Moment des Schweigens, „du bist einer der wenigen Menschen, bei denen ich das Gefühl habe, dass ich komplett ich selbst sein kann. Keine Masken, kein Verstecken.“
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, also nickte ich nur. Doch Jisung ließ sich davon nicht abschrecken.
„Du bist immer so stark für andere, Minho“, fuhr er fort, „aber ich frage mich manchmal, ob du jemanden hast, der das Gleiche für dich tut.“
Seine Worte trafen mich wie ein Schlag. Ich schluckte und versuchte, mir nichts anmerken zu lassen. „Vielleicht habe ich das nicht“, gab ich schließlich zu.
„Aber ich habe gelernt, damit klarzukommen.“
„Vielleicht solltest du das nicht müssen“, sagte er, und seine Stimme war so leise, dass sie fast ein Flüstern war.
„Vielleicht solltest du jemanden haben, der sich genauso um dich kümmert.“
Ich konnte nicht anders, als den Blick zu senken, meine Finger um das Glas zu schließen, das ich noch immer hielt.
„Du machst es einem wirklich schwer, dich nicht zu mögen, weißt du das?“ sagte ich schließlich, halb im Scherz, halb ernst.
Jisung lachte leise, aber es war kein typisches, lautes Lachen.
Es war ein warmes, tiefes Geräusch, das mich irgendwie noch nervöser machte.
„Vielleicht will ich das ja“, sagte er, und ich spürte, wie die Atmosphäre noch dichter wurde.
„Vielleicht will ich, dass du mich magst.“
Ich hob den Blick und sah ihn an. Seine Augen waren weich, aber da war auch etwas anderes – etwas, das ich nicht sofort einordnen konnte. „Jisung“, begann ich, aber ich wusste nicht, wie ich weitermachen sollte.
„Was?“ fragte er, und sein Lächeln wurde ein bisschen schief.
„Habe ich dich zum Schweigen gebracht? Das passiert nicht oft.“
„Vielleicht“, gab ich zu.
„Vielleicht denke ich gerade über Dinge nach, über die ich nicht nachdenken sollte.“
„Und warum nicht?“
Seine Stimme war jetzt tiefer, seine Worte langsamer. Er beugte sich ein kleines Stück näher zu mir, und ich spürte seinen Atem auf meiner Haut. „Manchmal ist Nachdenken genau das, was man tun sollte.“
Bevor ich antworten konnte, war er noch näher.
Seine Lippen berührten meine, zögernd, fast fragend.
Es war ein Kuss, der viel zu kurz war, aber dennoch so intensiv, dass ich kaum atmen konnte.
Als er sich ein wenig zurückzog, sah er mich an, und sein Blick war voller Unsicherheit.
„War das okay?“ fragte er leise, seine Stimme fast ein Flüstern.
Ich zögerte nicht. „Ja“, sagte ich und zog ihn wieder zu mir, diesmal entschlossener.
Der zweite Kuss war intensiver, wärmer und ich fühlte, wie mein Herz schneller schlug. Es war, als würde all die Spannung, die zwischen uns geherrscht hatte, in diesem Moment explodieren.
Als wir uns schließlich voneinander lösten, lehnte er seine Stirn gegen meine und lachte leise.
„Du bist wirklich gefährlich, Minho“, sagte er.
„Gefährlich?“ Ich hob eine Augenbraue, ein kleines Lächeln auf meinen Lippen.
„Das könnte ich auch über dich sagen.“
Er grinste, aber sein Ausdruck wurde schnell wieder ernst.
„Ich meine es ernst. Du bist… du bist mehr, als ich erwartet habe. Mehr, als ich verdiene.“
„Hör auf mit dem Quatsch“, sagte ich, aber meine Stimme war weicher, als ich beabsichtigt hatte.
„Du verdienst alles, Jisung.“
Er sah mich an und ich konnte sehen, dass er etwas sagen wollte, aber er hielt sich zurück.
Stattdessen lehnte er sich wieder an mich, sein Kopf auf meiner Schulter, und wir saßen da, schweigend, aber in diesem Moment war keine weitere Antwort nötig.
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