
Kapitel 8.
Misstrauisch begutachtete sie diesen angeblichen Superstar. Zumindest machte es den Anschein als wäre er selbiges.
So wie er von dutzenden Polizeibeamten belagert wurde und auf alles mögliche seine Unterschrift setzen musste.
Danbi verzog angewidert das Gesicht.
Anstatt sich um den Mord an ihrer Freundin zu kümmern und möglichst zügig die noch frischen Beweise zu sortieren, verbrachte dieses Revier die kostbare Zeit damit, dümmlich für Selfies mit einem Prominenten zu grinsen und ihm in einer Tour die Hand zu schütteln.
"Hast du dich einigermaßen beruhigt?", riss eine allmählich bekannte Stimme sie aus ihren Gedanken.
Jongin hielt ihr eine Getränkedose entgegen. Irgendein kohlensäurehaltiges Zuckerwasser, das er wohl aus einem der in den Gängen verteilten Automaten gezogen hatte.
Eigentlich mochte Danbi keine Softgetränke, die ihr das Gefühl gaben, die Zähne weich werden zu lassen.
Aber der Polizist wollte sicherlich nur nett sein.
Die Geste zählte. Sozusagen.
Zögernd griff sie nach der Dose. Ihre Fingerspitzen berührten dabei kurz die von Jongin und für den Bruchteil einer Sekunde schien ein Stromschlag durch ihren Körper zu gehen.
Verwirrt schüttelte sie sich kurz.
Was war das denn?
"Alles in Ordnung?", erkundigte ihr Gegenüber sich besorgt. Er schien nichts dergleichen mitbekommen zu haben. Oder hatte sich einfach dermaßen gut unter Kontrolle, sich nichts anmerken zu lassen.
"Ich bin wahrscheinlich nur müde.", winkte Danbi geflissentlich ab, hielt die Dose in ihrer Hand, wog sie nachdenklich hin und her.
Jongin nickte bedächtig: "Verständlich nach so einer Nacht. Du solltest nach Hause gehen und dich ein paar Stunden ausruhen."
Schnell schüttelte sie den Kopf.
"Ich würde eh kein Auge zumachen können und außerdem...", sie stutze, ließ seine Worte in ihrem Hinterkopf noch einmal Revue passieren.
Stirnrunzelnd blickte sie zu ihm auf: "Warum duzen wir uns eigentlich plötzlich?", fragte sie vorsichtig.
Es war ihr vorhin schon aufgefallen, jedoch hatte sie es im ersten Moment nicht richtig mitgeschnitten, womöglich als Versehen betrachtet.
Aber diesmal schien er sie bewusst ohne die üblichen Förmlichkeiten anzusprechen.
Ein Grund mehr, weshalb sie ihn nun forschend beäugte, kurz sprachlos war, weil seine geradezu perfekten vollen Lippen sich zu einem Lächeln verzogen.
"Wer mich so leidenschaftlich mit Schimpftiraden tituliert, legt sicherlich keinen Wert auf Höflichkeiten.", gab er zur Antwort.
Danbi spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht schoss.
Ihre Hände schlossen sich fester um die Getränkedose in ihrem Schoß, die sie zusätzlich zur Ablenkung hochkonzentriert begutachtete. Nur um Jongin nicht in die Augen sehen zu müssen.
Warum nur hatte sie sich ausgerechnet in seiner Nähe nicht unter Kontrolle?
Bei jedem anderen war ihr herzlich egal, was er von ihr hielt oder dachte.
Selbst dieser ach so besondere Sänger konnte ihr gestohlen bleiben.
Sie war noch immer nicht vollends von seiner Unschuld überzeugt.
Ja, er hatte Jiwoon gefunden. Aber weshalb waren seine Klamotten dann mit Blut besudelt?
Hatte er sich auf sie drauf gelegt, um sie vor dem Regen zu schützen, oder was?
Automatisch glitt ihr Blick von dem rot gefärbten Shirt höher zu seinem Gesicht.
Dafür, dass er angeblich unfassbar berühmt sein sollte, benahm er sich nicht gerade selbstsicher inmitten der um ihn herumstehenen Gruppe.
Statt großspurig Autogramme zu verteilen, schien er laut dem Ausdruck auf seinem Gesicht gerade wahrscheinlich viel lieber woanders zu sein. Er vermied Sichtkontakt und das freundlich wirkende Lächeln erreichte nicht einmal seine Augen, weshalb es gestellt, nahezu kalt und unglaubwürdig wirkte.
Sie hatte fast schon ein bisschen Mitleid mit ihm.
Gleichzeitig wühlte sie aber auch in den imaginären Schubladen ihres Gehirns. Um einen Anhaltspunkt zu finden.
War dieser Typ wirklich derart prominent? Wenn das halbe Revier ihn belagerte, schien durchaus möglich zu sein, dass sie selbst ihn bestimmt auch schon mal irgendwo gesehen hatte.
Im Fernsehen, vielleicht in der Werbung? Auf irgendeinem Reklame Poster möglicherweise.
Aber eigentlich konnte sie sich relativ gut Gesichter merken. Und das von diesem Christopher war ja nun nicht gerade ein alltäglicher Anblick mit den typischen banalen Zügen.
Danbi zwang sich regelrecht, ihre Erinnerungen nach ihm zu durchforsten. Ohne Erfolg.
Wahrscheinlich handelte es sich bei ihm um so einen Schnulzensänger, der höchstens im öffentlichen Fernsehen auftrat und besonders alternde Hausfrauen zum Seufzen brachte.
"Er hat ein Alibi.", schlich sich Jongins ruhige Stimme plötzlich wieder in ihre Gedanken.
Verwirrt wandt sie ihm den Kopf zu, benötigte einige Wimpernschläge, bis seine Worte wirklich zu ihr durchdrangen, sie den richtigen Sinn dahinter verstand und sich letztendlich zu einem knappen Lächeln zwang.
"Sein Handy war zum errechneten Zeitpunkt des Todes im Netzwerk einer Karaoke-Bar eingebucht.", führte Jongin weiter aus.
"Wann war das?", erkundigte Danbi sich alarmiert. Bisher war sie davon ausgegangen, dass ihre Freundin erst dem Mörder zum Opfer gefallen war, kurz bevor sie selbst am Tatort auftauchte.
Der Polizist musterte sie unschlüssig. Scheinbar war er selbst überrascht von der Reaktion, entschied sich schlussendlich aber gegen eine genauere Erklärung und schüttelte lediglich den Kopf: "Ich habe schon viel zu viel gesagt."
Oh bitte, war das sein Ernst?
Vor zehn Minuten hatte er noch ganz eindeutig mit ihr geflirtet und jetzt fiel ihm schlagartig ein, dass er ja ein rechtschaffener Bulle war?
Danbi schaute emotionslos zu ihm auf. Innerlich jedoch brodelte es.
Wie oft hatte sie diese Reaktion jetzt schon erlebt?
Sicherheitshalber warf sie einen Blick auf die Hände des Polizisten. Sie wäre wenig überrascht gewesen, dort einen Ring zu entdecken.
Jongins Finger waren leer. Was theoretisch aber nichts bedeuten musste.
"Ich sollte nach Hause fahren.", sagte sie mit einem Mal, stand von dem sowieso viel zu unbequemen Plastikstuhl auf, drängte sich regelrecht an Jongin vorbei, der bewegungslos vor ihr aufgebaut stand.
"Soll ich dich fahren?", fragte er plötzlich, hob sogar leicht die Hand an, als wolle er sie so vom Gehen abhalten, senkte selbige in der nächsten Sekunde allerdings wieder.
Mit einem Stirnrunzeln registrierte Danbi die Geste sowie das Angebot.
"Besser nicht.", ihre Lippen zu einem dünnen Strich gepresst. "Macht bestimmt keinen so guten Eindruck auf Ihre Kollegen."
Sie wandt sich ab, erkannte noch kurz im Augenwinkel den verdutzten Gesichtsausdruck des Polizisten, was ihr zumindest innerlich ein kleines Grinsen bescherte.
Erhobenen Hauptes lief sie an der Traube aus Polizisten vorbei, welche diesen Christopher noch immer belagerten.
Ihre Blicke trafen sich für einen Moment. Danbi kam nicht umhin, sich zu fragen, was ausgerechnet jemand wie er in einer Bar wie der suchte, wo sie ihn das erste Mal gesehen hatte.
Oder in einer Wohngegend, die abgeschieden von den üblichen Partymeilen lag.
Wie konnte er Jiwoon dort zufällig gefunden haben?
Es erschloss sich ihr einfach nicht, was jemand aus einem überteuerten Viertel ausgerechnet dort zu suchen hatte.
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