Kapitel 63
"Naja, also..", stotterte sie, überlegte dabei fieberhaft, ob sie erstens die Wahrheit sagen sollte. Und wenn ja, wie schmeichelhaft sie die ganze Sache umschreiben sollte.
Chris sah sie forschend an. Seine dunklen Augen, die immer ein wenig verschlafen wirkten, schienen sie jetzt regelrecht zu durchbohren.
"Es ist eine Bar, okay?", versuchte sie abzuwiegeln, nachdem sie sich seinem Blick doch ergeben hatte.
Kaum zu glauben, dass er überhaupt in der Lage war, derart einschüchternd zu wirken.
Dieser Kerl schien so viele verschiedene Facetten zu haben. Schwer herauszufinden, wer davon der echte Chris war. Welche der bisher gezeigten Emotionen lediglich gespielt waren, einer Maske ähnlich. Die das wahre Gesicht verdecken sollte.
"Fein, dann lass uns rein gehen.", schlug er vor, setzte sich direkt in Bewegung.
Reflexartig griff Danbi nach seinem Handgelenk, um ihn von dem Blödsinn abzuhalten.
"Eine Bar voller notgeiler Typen pro Abend reicht mir, danke.", rief sie gleichzeitig entsetzt aus, stemmte sich mit aller Kraft gegen die Wand.
Und wäre aufgrund dessen kurz darauf beinahe ausgerutscht, als Chris sich plötzlich entschied, sich doch wieder zu ihr zu drehen.
"Notgeil?", hakte er misstrauisch nach.
Da, schon wieder dieser Blick.
Ernst, kühl, fast schon ein bisschen angsteinflössend.
Nichts von den sonst so sanften braunen Augen, die sie verschmitzt anblitzten.
"Naja, du weißt doch wie das in Itaewon ist.", wiegelte sie schnell ab, setzte ein möglichst unschuldiges Lächeln auf.
Irgendwie hatte sie gerade das Gefühl, ihr Gegenüber nicht unnötig zu provozieren. Sie konnte absolut nicht einschätzen, wie er reagieren würde, wenn er zu viele Details über diesen Laden erfährt.
"Nein, natürlich nicht. Wie auch? ", entgegnete er. Okay, da musste sie ihm wohl oder übel beipflichten.
"Aber du weißt es.", fügte er unerwartet hinzu, machte einen Schritt auf sie zu, stand jetzt direkt vor ihr. Beinahe bedrohlich. "Also sag mir verdammt nochmal, was IN da drinnen treibt."
Danbi hob ungläubig die Augenbrauen: "Bist du bescheuert, mich so anzumachen?", blaffte sie empört, hob wie aus Reflex beide Hände, schubste den Sänger gegen die Brust von sich.
"Ich hab ja wohl auch allen Grund dazu. Wer schleppt mich denn hier her und redet denn die ganze Zeit um den heißen Brei?", erwiderte er aufgebracht.
Bitte? War sie jetzt schuld, dass er sich so hochfuhr? Obwohl sie nur hilfsbereit sein wollte und seinen Freund vor irgendeiner dümmlichen Entscheidung bewahren wollte?
" Du bist doch derjenige, der mir die ganze Zeit am Arsch klebt.", motzte sie nun auch. "Dann renn doch in diesen verdammten Club und finde selber raus, was es ist. Aber komm bloß nicht auf die Idee, nach mir zu rufen, wenn du dich wieder in die Scheiße geritten hast."
Wütend machte sie auf dem Absatz kehrt. Sowas würde sie sich ganz bestimmt nicht bieten lassen.
" Und wo willst du jetzt hin? ", rief Chris ihr hinterher.
" Weg von dir. ", lautete ihre knappe Antwort.
Lieber verbrachte sie die Nacht irgendwo auf der Straße, als sich noch länger Vorwürfe anhören zu müssen.
Sie hatte gerade mal ein paar Meter geschafft, als sie Arme spürte, die sich von hinten um sie legten, im nächsten Moment an einen warmen Körper gezogen wurden.
Was sollte das denn jetzt werden?
Verwirrt registrierte sie Chris direkt hinter sich, seine Stirn in ihre Halsbeuge geschmiegt.
Danbi war nicht fähig, sich zu rühren.
"Geh nicht.", flüsterte der Sänger, seine Stimme wieder ruhig und sanft, wie sie es gewohnt war.
Für einen Augenblick schien sie derart verblüfft, ihr kam nicht einmal der kleinste Laut über die Lippen.
Was sollte sie davon halten?
Eben noch wirkte sein Blick, sein ganzes Auftreten so bedrohlich, dass Danbi das Gefühl hatte, die Person vor sich weder einschätzen zu können, noch im schlimmsten Fall etwas entgegen zu setzen.
Und nun sollte das auf einen Schlag passé sein?
"Ich brauche dich.", sprach Chris leise direkt an ihrem Ohr, erzeugte mit seinem warmen Atem eine Gänsehaut auf ihrem Körper, die ihresgleichen suchte.
Kurzzeitig schien jede ihrer Hirnfunktionen unterbrochen zu sein.
Der graue Klumpen hinter ihrer Stirn war eher damit beschäftigt, sich über all die netten Details der aktuellen Situation zu freuen.
Zum einen wäre da die wirkliche angenehme Körperwärme von Chris, die nach und nach in die einzudringen schien. Eine willkommene Abwechslung nach der feuchtkalten Wartezeit.
Und dann noch der Duft, welcher von dem Sänger ausging. Dieses verfluchte dunkle, gleichzeitig warme Aroma, dass sich in den Sensoren ihrer Nase festsetzte, sie regelrecht betäubte. Am liebsten hätte sie sich für immer an ihn geschmiegt, um in seinem Geruch zu versinken.
Und dann sagte er auch noch, er braucht sie.
Welches Mädchen träumt bitte nicht davon, gebraucht zu werden?
Seelig lächelte Danbi vor sich hin, genoss für einen winzigen Augenblick die Nähe.
Bevor ihr klar wurde, wie dämlich sie sich eigentlich benahm. Wie dämlich Chris sich benahm.
Unsanft löste sie sich aus der Umarmung. Eine Umklammerung traf es wohl eher. Drehte sich zu ihm, trat aber gleichzeitig einen Schritt vor ihm zurück. Falls er wieder das Bedürfnis haben sollte, seine Arme auszustrecken und ihr insgeheim damit weiche Knie verpasste.
"Was du brauchst, ist ein guter Doktor. Für deine abgedrehten Stimmungsschwankungen.", blaffte sie ihm entgegen. Zur Unterstützung ihrer Worte vollführte sie mit dem Zeigefinger noch kleine kreisende Bewegungen neben ihrer Schläfe.
Chris schien dennoch nicht zu begreifen, was gemeint war, fragte er doch verdutzt:" Stimmungsschwankungen?"
"Ach bitte.", stöhnt Danbi genervt auf. "Erst bist du schüchtern, dann besorgst du es mir halb und kurz darauf hast du Angst vorm Knutschen und haust einfach ab."
"Ich hab.. Das Auto..", stotterte er geradezu überfordert, zeigte blind in irgendeine Richtung.
"Und was war das gerade bitte? Denkst du, es macht mich in irgendeiner Form scharf, wenn du dich wie ein Psychopath aufführst?", Danbi war kaum noch zu bremsen. Dass ihr Gegenüber sie jetzt wieder so ahnungslos anstarrte führte zusätzlich dazu, ihre Rage zu steigern.
"Ich wollte dir keine Angst machen.", versuchte der Sänger sich zu entschuldigen, trat einen Schritt auf sie zu.
"Hast du aber.", entwich es ihr ungewollt, weshalb sie sich direkt auf die Unterlippe biss. "Bleib einfach weg von mir."
Ohne ein weiteres Wort der Erklärung, machte sie auf dem Absatz kehrt. Vergewisserte sich nach einigen Metern aber nochmal mit einem vorsichtigen Blick nach hinten, dass Chris ihr nicht erneut folgte.
Sollte sie froh darüber sein, weil er noch immer an Ort und Stelle verharrte, ihr lediglich besorgt nachschaute?
Gleichzeitig versuchte sie die leise Stimme in ihrem Kopf zum Schweigen zu bringen, welche sie süffisant fragte, wer eigentlich hier verrückt war.
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