Kapitel 32
Das war ein Scherz, oder?
Automatisch verspürte Danbi das Bedürfnis, nach einer versteckten Kamera Ausschau zu halten.
Nie und nimmer konnte das purer Zufall sein. Besonders nicht, dass ausgerechnet er jetzt vor ihr stand. In seinem wahrscheinlich maßgeschneiderten schwarzen Anzug, der ihn noch respekteinfößender wirken ließ.
"Mister Kim.", brachte sie mit piepsiger Stimme hervor. Na prima. Sie wollte sich eigentlich nichts anmerken lassen und versuchen, so gelassen wie möglich rüber zu kommen.
Ihr Gegenüber nickte ihr nur knapp zu, blieb ansonsten jedoch vollkommen stumm.
"Was machen Sie hier?", startete sie einen neuerlichen Versuch, diesmal mit deutlich tieferem Klang.
"Dasselbe könnte ich Sie fragen, nicht wahr?", erwiderte er ausdruckslos. Und so verflucht cool, dass Danbis Knie sich förmlich in Wackelpudding verwandelten.
Fast schon ehrfürchtig blickte sie zu ihm auf, gab dabei wie automatisch die Tür frei, dass er ins Zimmer eintreten konnte.
"Ich? Also...", angestrengt suchte sie in ihrem urplötzlich leergefegten Kopf nach einer plausiblen Antwort. "Ich dachte, ich nehme mir eine kleine Auszeit. Nach allem, was passiert ist."
Ja, das klang überhaupt nicht verdächtig.
"Verstehe. Ein Kurzurlaub.", nickte er knapp, blickte sich deutlich angewiderten Ausdruck im Gesicht in dem heruntergekommenen Raum um, der schließlich an ihr selbst haften blieb, sie von unten bis oben regelrecht abscannte.
Danbi brauchte einen Moment, um zu verstehen. Bis sie realisierte.
Nämlich, dass sie nichts außer ihrer Unterwäsche trug, ihm so auch noch die Tür geöffnet hatte.
Ein Deja Vu überkam sie. Schnell bückte sie sich zu dem roten Seidenmantel, der noch immer am Boden lag.
"Ja, genau.", pflichtete sie Jongin bei, zog den Mantel über und band ihn vorsichtshalber extra fest.
"Mit Mister Bang?", hakte der Polizist in bester Verhörmanier nach.
Danbi starrte ihn verwirrt an: "Wen?"
"Christopher Bang.", erklärte er, ließ sie dabei nicht aus den Augen.
"Ach, Chris.", rief sie auf, als sie verstanden hatte, winkte jedoch im selben Moment ab. "Ja, das war eher Zufall. Wir sind uns eigentlich nur über den Weg gelaufen und...", sie stutzte. "Halt mal. Beobachten Sie mich?"
"Zufall. Das bringt mein Job so mit sich.", entgegnete er schulterzuckend.
"Dachte ich mir. Zufälle gibt's. ", Danbi zwang sich dazu, ruhig zu bleiben, sich keine Blöße zu geben. Und ganz besonders, sich nicht anmerken zu lassen, dass ihre Gedanken rasten.
"Zufall auch, dass zwei Hauptverdächtige in einem Mordfall zusammen von einem Tatort verschwinden, um in einem billigen Stundenhotel unterzukommen.", führte Jongin weiter aus, schritt am Fenster vorbei, warf wie zufällig einen kurzen Blick hinaus.
"So billig ist es eigentlich gar nicht und...", wollte Danbi sich gerade rechtfertigen, bevor sie das volle Ausmaß seiner Worte erst begriff. "Was? Wieso Tatort? Nur weil ich in dem Club gearbeitet habe, heißt das nicht..."
"Ich rede nicht vom Shangri-la.", unterbrach Jongin sie ruhig, aber bestimmt.
"Sondern?"
Sie durchforstete all ihre Erinnerungen, aber konnte keinen noch so kleinen Anhaltspunkt finden, auf was der Polizist anspielte.
Er hatte sie doch im Club gesehen. Eindeutig. Wie auch nicht. Sie hatte sich schließlich mehr als auffällig verhalten mit ihrem lausigen Versteckspiel.
Aber eigentlich auch nur sie.
Wie konnte er von Chris wissen, der zu dem Zeitpunkt auf dem Dach wartete?
"Ich nehme an, Sie waren beide zu abgelenkt, um die aktuellen Nachrichten zu verfolgen.", meinte er, den Kopf leicht in Richtung des Bettes mit den zerwühlten Laken geneigt.
Danbi starrte ihr Gegenüber nur an, war viel zu fassungslos über seine Unterstellung.
Was glaubte er, was sie hier getan hatte? Sich mit Chris durch die Kissen gerollt?
Okay, ganz falsch war die Annahme nicht. Schon allein aufgrund der Tatsache, dass sie gerade nichts weiter als einen gefühlten Hauch von Nichts unter dem seidenen Morgenmantel trug. Welcher übrigens gar nicht so muffig roch wie im ersten Moment angenommen. Eher wirkte es so, als hätte der glatte Stoff vollkommen den Eigengeruch von Chris angenommen.
Dieses dunkle Aroma, dass gleichzeitig so angenehm wirkte und ihr jedes Mal in die Nase stieg, sobald der Sänger in ihrer direkten Nähe war. Oder mal wieder das Bedürfnis hatte, sie in eine Umarmung zu ziehen.
Von einer plötzlichen Handbewegung in ihrem Blickfeld aus ihren Gedanken gerissen, blinzelte sie mehrfach, sah Jongin überrascht an.
Oder eher auf das Display eines Mobiltelefons, dass er ihr direkt vor die Nase hielt.
Die Augen zusammengekniffen versuchte sie, den relativ klein geschriebenen Text vor sich zu erkennen. Und zu lesen.
"Brutaler Mord an einer jungen Frau erschüttert Itaewon.", las sie murmelnd vor, überflog die restlichen Sätze aber stumm. Zumindest so lange, bis sie verstand: "Das ist bei mir. In meiner Nachbarschaft. Aber..."
Ihren entsetzten Gesichtsausdruck nicht verbergen könnend wich sie einen Schritt zurück, prallte mit dem Rücken gegen die Zimmerwand, von der dadurch deutlich hörbar Putz rieselte.
"Wann?", war das einzige, was sie raus bekam.
Jongin hob seinen Arm ein Stück in die Höhe, schaute nachdenklich auf die durchaus teuer wirkende Uhr an seinem Handgelenk und antwortete recht emotionslos: "Vor etwas mehr als fünf Stunden."
Danbi hörte kaum, was er sagte. In ihren Ohren ein Rauschen, das jedes Geräusch dämpfte, ihr jedoch die Chance gab, sich voll und ganz auf ihre Gedanken zu konzentrieren.
Fünf Stunden. Sie rechnete. Überlegte, wann sie aus ihrem Appartement geflüchtet war. Ob sie womöglich etwas hätte mitbekommen können. Oder vielleicht Chris.
Sie hielt den Atem an.
Er war bei ihr. Die ganze Zeit.
Erst jetzt fiel ihr ein, dass sie denselben Wortlaut wie im Artikel schon einmal gehört hatte. Nicht exakt gleich, aber vom Inhalt her übereinstimmend.
Vorhin. Als sie den Fernseher eingeschaltet hatte. Bevor Chris ihr die Fernbedienung abgenommen hatte und plötzlich wie verwandelt wirkte.
Reflexartig drehte sie den Kopf zu dem TV-Gerät.
Das Rauschen in ihren Ohren wurde lauter. Dazu kam ein Herzrasen, das sie sich fühlen ließ, als hätte sie gerade einen Halbmarathon hinter sich.
Sie sah ihr eigenes Spiegelbild in dem Fernsehgerät, stellte fest, wie albern sie in dem Morgenmantel wirkte. Und wie ihr versteinerter Gesichtsausdruck dazu vollkommen unpassend war.
Fehl am Platz.
"Ist alles in Ordnung?", hörte sie Jongin fragen, ehrlich besorgt.
Wie in Trance richtete sie den Blick auf ihn.
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