Kapitel 3
Dumpf hallte das Platschen in der angrenzenden Gasse nach, immer dann, wenn Danbi absichtlich in eine der Pfützen sprang.
Der regen hatte aufgehört, zurück blieben die Spuren in Form von nass glänzenden Straßen und dutzenden mal mehr und mal weniger großen Wasserlachen auf dem Asphalt.
Noch waren die Straßen menschenleer. Höchstens eine streunende Katze erschreckte sich vor dem glucksenden Geräusch und den damit vermeintlich verbundenen Spritzern, flitzte mürrisch miauend davon in die nächstmögliche dunkle Ecke.
Danbi mochte das. Also nicht die Sache mit dem Katzen verscheuchen. Aber das Springen in Pfützen.
Wenn sie eine große Wasserlache entdeckte, übte das eine magische Anziehungskraft auf sie aus und sie hatte das Bedürfnis, mit beiden Füßen hinein zu hüpfen. Am besten barfuß, so wie jetzt.
Bei den noch warmen Temperaturen von der tagsüber aufgeheizten Stadt, gab es nichts Schöneres als im schutz der Dunkelheit nachts die leeren Straßen zu nutzen und ihrem inneren Kind freien Lauf zu lassen.
Tagsüber hätte das eher merkwürdige Blicke der Passanten hervorgerufen.
Schlussendlich waren sie doch noch in der Bar versackt. Wie üblich.
Aus einem Bier wurden schnell drei, dazu noch das ein oder andere Glas Soju.
Dabei philosophierten sie über gefühlt jedes Thema. Bis sie eben doch wieder auf ihre jeweiligen Zukunftswünsche zu sprechen kamen. Auch wie eigentlich fast jedes Mal.
Genauso schwärmte Jiwoo mal wieder von ihrem Traum als brave Ehe- und hausfrau eines angesehenen Arztes. Ihre persönliche Wunschvorstellung eines kleinbürgerlichen Lebens irgendwo in der Vorstadt. Hauptsache weit weg von Itaewon.
Weit weg von den Clubs, Bars und heruntergekommenen winzigen Appartments. Weit weg von ihrem jetzigen Leben.
Danbi konnte nicht anders, als darüber zu schmunzeln.
Eher unglaubwürdig, dass ausgerechnet jemand wie sie es waren, von einem klischeehaften Ritter in strahlender Rüstung aus dieser Ruine gerettet werden sollten. Das gab es tatsächlich nur im Märchen.
Letztendlich würde es ihnen ja doch nur so ergehen wie dem Großteil der Frauen in diesem Bezirk: entweder alleinerziehend an der Armutsgrenze. Oder verheiratet mit einem arbeitslosen Nichtsnutz, gerne alkoholabhängig.
Danbi wägte ab, welche der Szenarien ihr lieber wäre.
Na toll, jetzt war sie frustriert. Da halfen auch keine glitzernden Pfützen mehr.
Außerdem wurde die angenehme Ruhe eh urplötzlich zerschnitten von lauten unüberhörbaren Sirenen in der Ferne.
Was erwartete sie auch in einer Großstadt? Vogelgezwitscher im Morgengrauen?
Wohl eher weniger. Auch deshalb, weil es zwischen den Häuserschluchten kaum Platz für Vögel gab.
Sie sollte einfach nach hause gehen, sich in ihr Bett kuscheln und so genug Energie tanken, um heute Abend wieder ihrem Job nachzugehen. So wie jeden Tag in den letzten Jahren.
Von einem normalen geregelten Arbeitsleben konnte sie höchstens träumen. Wobei sich diese Vorstellung wohl eher zum Albtraum entwickeln würde.
Danbi konnte sich selbst beim besten Willen nicht im hübschen Kostümchen in einem Großraumbüro vorstellen.
Das war nichts, was sie sich jemals gewünscht hatte. Tagein tagaus derselbe Trott, immer zurückhaltend lächeln und stumpfsinnig Zahlen in irgendwelche Tabellen eintragen.
Schon allein beim Gedanken daran schüttelte es sie.
Sie hatte sich mehr oder weniger für ihr aktuelles Leben entschieden. Und im Moment war sie trotz mancher Widrigkeiten relativ glücklich.
Bis auf die Tatsache,dass diese verdammte Sirene einfach nicht aufhörte. Im Gegenteil, eher immer lauter wurde.
Genervt drehte Danbi sich um, hielt nach dem Urheber dieses Lärms Ausschau und konnte gerade noch rechtzeitig von der Straße springen, um dem vorbeirasenden Polizeiwagen auszuweichen.
Der hätte sie höchstwahrscheinlich wirklich überfahren, derart lebensgefährlich schnell wie er unterwegs war.
War das überhaupt erlaubt?
Okay, vielleicht war es auch etwas mutig von Danbi, einfach mitten auf der Straße spazieren zu gehen. Allerdings hatte sie für gewöhnlich um diese Uhrzeit die Stadt für sich gefühlt allein.
Welcher normale Mensch war unter der Woche schon um kurz vor vier unterwegs? Es sei denn, er hatte wirklich richtig miese Arbeitszeiten.
Allmählich wurde die Sirene wieder leiser, nur das Blaulicht schien ihr noch aus der Ferne entgegen. Dennoch vernahm sie weitere Motorengeräusche hinter sich, drehte sich überrascht um.
Zwei weitere Einsatzwagen rasten just in dem Moment an ihr vorbei. Zwar lautlos, aber dennoch ebenso schnell wie ihr Vorgänger.
Nun doch neugierig geworden tapste Danbi über den Bürgersteig. Sie hatte vollkommen vergessen, wieder in ihre Schuhe zu schlüpfen. Viel zu groß war der Drang, zu erfahren, was geschehen war, dass gleich drei Polizeiautos des ansässigen Reviers hier unterwegs waren.
Es war nicht so, dass sie irgendwie sensationsgeil wäre und unbedingt gaffen müsste. Aber das hier war immerhin ihr zu Hause, ihre Gegend.
Da konnte man schon mal einen Blick riskieren, was denn so vor sich ging.
Mit Sicherheit war es bestimmt eh nur wieder eine Lappalie. Eine Schlägerei oder ein Ehestreit, der eskaliert ist. Nichts, was hier nicht eh an der Tagesordnung war.
Allerdings hatte sie so zumindest später was zu erzählen.
Erwartungsvoll huschte sie unauffällig zu der Stelle, wo sie die Polizeiwagen vermutete. Genug Licht machten sie auf jeden Fall.
Anders als vermutet befand sich der Ort des Geschehens nicht direkt hinter der nächsten Kreuzung, sondern tatsächlich noch eine Straße weiter.
Witzig, genau in ihrer Wohngegend. Die war eigentlich berüchtigt dafür, der wohl unspektakulärste Platz in ganz Itaewon zu sein. Hier wurden nicht mal Fahrräder geklaut.
Zu den drei Einsatzfahrzeugen hatten sich mitlerweile zwei weitere Autos gesellt. Ein schwarzer Transporter mit dezentem Blaulicht im Kühlergrill und ein auf den ersten Blick vollkommen unauffälliger PKW.
Das Aufgebot wirkte wie im Film, staunte Danbi nicht schlecht.
Inklusive Absperrband, das von einem Polizisten abgerollt wurde, einen großflächigen Bereich weithin als Tatort markierte.
Spätestens bei diesem Anblick wurde ihr doch flau im Magen.
Sie hoffte, der Einsatz würde nicht jemanden betreffen, den sie persönlich kannte. Im schlimmsten Fall auch noch mochte.
Man sollte ja niemandem den Tod wünschen. Jedoch diese neugierige alte Schachtel, die schräg gegenüber ihrer Wohnung lebte, hätte ruhig mal einen kleinen Einbruch verdient.
Aber ob dafür direkt so eine wichtig aussehende Belegschaft anrücken würde?
Ihre Neugierde war kaum auszuhalten.
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