Kapitel 29
Danbi stutzte.
Mit allen möglichen Szenarien hatte sie ja gerechnet. Aber ausgerechnet das?
Sie setzte zum Sprechen an, wusste allerdings nicht so recht, was sie eigentlich sagen wollte. Weshalb sie schlussendlich einfach nur fragend zu ihm auf sah.
Christopher hingegen wandt ihr das Gesicht ab, schien hochkonzentriert den furchtbar hässlichen schon halb ausgeblichenen Lampenschirm auf dem kleinen Nachtschränkchen neben dem Bett zu beobachten.
Um seine Nase herum war ein leicht rötlicher Schleier zu erkennen.
Danbi erwischte sich selbst dabei, wie sie sein kantiges Seitenprofil genauestens betrachtete, für einen winzigen Moment versucht war, die Finger auszustrecken.
Gleichzeitig bemerkte sie jedoch, wo sich ihre Hand überhaupt befand. Nämlich auf dem nackten Oberkörper des Sängers. Was dazu führte, dass sie selbige schnell wegzog, fast als hätte sie sich verbrannt.
Christopher bemerkte ihre Reaktion, sah kurz stirnrunzelnd an ihr herab, schob sich schließlich das Fensterbrett im Rücken an ihr vorbei.
"Warte mal.", entkam es Danbi spontan. So überraschend, dass sie sich erst einmal räuspern musste und die Zeit nutzte, um zu überlegen, was sie eigentlich sagen wollte. "Was meinst du mit einsam?"
Christopher antwortete nicht, zuckte lediglich mit den Schultern, während er zum Bett ging.
So hatte Danbi einen direkten Blick auf seinen breiten Rücken, die sich abzeichnenden muskulösen Schulterblätter.
Automatisch biss sie sich auf die Unterlippe, bemerkte nur am Rande, wie er nach dem Morgenmantel griff.
Wollte er diesen furchtbaren Fetzen ernsthaft wieder anziehen?
Mit zwei schnellen Schritten überbrückte sie die kurze Entfernung zu ihm, griff nach dem roten Seidenstoff, um ihn ihm zu entreißen.
"Ich hab doch gesagt, du brauchst das nicht.", murrte sie, zerrte an dem Kleidungsstück. War jedoch wenig überrascht, dass Christopher nicht nachgab.
"Mir ist aber kalt.", entgegnete er trotzig.
"Hier drinnen sind gefühlt vierzig Grad, also erzähl mir nichts.", blaffte sie ihn an, zog erneut so sehr ohne Vorwarnung an dem Stoff, dass ihr Gegenüber das Gleichgewicht verlor, rücklings aufs Bett fiel.
"Ha!", rief Danbi siegessicher aus, reckte die Hand, in der sie den Morgenmantel hielt, in die Luft.
Sie hatte aber nicht mit Christophers Reflexen gerichtet, der sich blitzschnell in eine sitzende Position aufrichtete, ebenfalls den Arm in die Höhe streckte, wieder nach dem roten Fetzen griff und so dafür sorgte, dass Danbi erst auf einem Bein balancieren musste, ehe sie doch nach vorn fiel.
Glücklicherweise wurde sie direkt aufgefangen.
"Hast du auch gerade ein Déja-vu?", hörte sie Christopher fragen, spürte aber auch zeitgleich die Vibration seiner Stimme, da ihr Ohr direkt auf seine Brust gedrückt war.
Danbi war durchaus bewusst, dass sie sich lieber schnellstmöglich aufrichten sollte, wieder Abstand zwischen sie beide bringen.
Aber warum bewegte sie sich dann nicht?
Warum lag sie weiterhin auf ihm, genoss sogar die Wärme, die sein Körper ausstrahlte? Obwohl ihr normalerweise heiß sein müsste ohne Klimaanlage in diesem stickigen Zimmer.
"Warum bist du einsam?", fragte sie plötzlich leise, bewegte sich nicht und spürte so, dass Christopher sich kurz unter ihr verspannte.
Danbi hatte keine Ahnung, wie lange sie einfach nur in derselben Position dalagen. Sie hatte jegliches Zeitgefühl verloren.
Schließlich hörte sie, wie der Sänger tief einatmete: "Ich bin verletzt."
Überrascht hob sie nun doch den Kopf, sah fragend zu Christopher auf, kam jedoch gar nicht dazu, etwas zu erwidern, da sie im nächsten Augenblick seine Hand auf ihrem Scheitel spürte, welche sie sanft wieder nach unten drückte.
Zumindest konnte sie einen kurzen Blick auf ihn erhaschen und erkennen, dass er nachdenklich, fast ein wenig traurig, an die Decke starrte.
"Nicht erst seit jetzt. Schon länger. Ein paar Monate.", erklärte er weiter. Der ruhige monotone Klang seiner Stimme hallte in ihrem Ohr wider. "Deshalb bin ich ziemlich außen vor und kann quasi nichts mit meiner Band zusammen machen."
"Ich dachte, du bist Sänger.", hakte Danbi nach, den Blick auf Christophers Oberarm gerichtet, auf dem sich deutlich sein Bizeps abzeichnete.
Unweigerlich fragte sie sich, wo genau er eine Verletzung hatte.
"Bin ich auch, in einer Gruppe.", antwortete er, klang dabei irgendwie geknickt. "Aber im Moment bin ich nutzlos für sie. Am Anfang hab ich noch zugesehen, während sie trainiert haben, aber irgendwie fühlte ich mich dann außen vor und überflüssig."
"Deshalb treibst du dich in Itaewon rum?", erkundigte Danbi sich, vermied jeglichen Vorwurf in der Stimme.
Sie war eh zu sehr damit beschäftigt, sich zu zwingen, nicht mit den Fingerspitzen über Christophers leicht gebräunte Haut zu streichen.
"Unter anderem. Hier habe ich den Vorteil, dass ich nicht sofort erkannt werde.", erklärte er, lachte dabei leicht, was erneut eine sanfte Vibration auslöste, die sich auf Danbis Körper übertrug, weshalb sie einen Moment lang die Augen schloss. Es war lange her, dass sie sich derart wohl gefühlt hatte. Ausgerechnet in Gegenwart eines ihr Unbekannten.
"Dir ist also nur langweilig.", schlussfolgerte sie trocken. Exakt, was sie vermutet hatte.
Als ob sich tatsächlich jemand für sie interessieren würde.
Ein wenig umständlich stützte sie beide Hände neben Christopher auf der Matratze auf, sah zu ihm auf, bis er ihren Blick ebenfalls suchte, den Kopf unschlüssig leicht zur Seite neigte.
Danbi musterte unverhohlen seinen Oberkörper. So lange bis sie merkte, wie ihm das erneut unangenehm wurde, er die Hände hob. Wohl, um sich wieder zu bedecken.
Weshalb Danbi schnell seine Unterarme packte und wieder aufs Bett drückte, sich ihm entgegen beugte, bis ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren.
Mit einem herausfordernden Lächeln flüsterte sie fragend: "Wollen wir was gegen deine Langeweile tun?"
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