
Kapitel 18
Bitte sag nicht meinen Namen. Bitte sag nicht meinen Namen.
Einem Mantra gleich wiederholte Danbi die immer gleichen Worte in ihrem Kopf.
Zeitgleich versuchte sie sich an einem Fluchtplan. Allerdings scheiterte es wieder und wieder schlussendlich an einem Detail.
Dieses saß weiterhin brav auf dem Stuhl, die Hände im Schoß gefaltet mit unschuldiger Miene zu ihr auf.
Gerade noch konnte sie bei dem Anblick ein Seufzen unterdrücken.
Ja, er könnte ihr theoretisch egal sein.
Laut Polizei war er unschuldig. Sie selbst hatte zwar keinerlei Beweise, dass er der Täter war. Allerdings auch keine, die dagegen sprachen.
Im schlimmsten Fall saß sie gerade mit einem Frauenmörder in einem vier Quadratmeter kleinen Raum fest. Und überlegte ernsthaft, wie sie ihn schützen konnte.
Danbi wusste nicht, was eigentlich schlimmer an der Tatsache war.
"Wir haben eine große Auswahl an Frauen. Welchen Typ bevorzugen Sie?", die Stimme von Ravi riss sie abrupt aus ihren verqueren Gedankengängen, holte sie ins Hier und Jetzt zurück. Und somit auch in ihre beschissene Situation.
Jongin schnaubte verächtlich, entgegnete knapp:" Den lebenden."
Erneut herrschte einige Sekunden lang diese bedrückende Stille.
Danbi musste es nicht mit eigenen Augen sehen, um zu wissen, dass die beiden Männer sich gegenseitig fokussierten. Wie wilde Raubtiere bereit zum Sprung. Immer darauf wartend, der andere macht einen Fehler, zuckt zuerst.
"Das ist der Grund, weshalb Sie meinen Umsatz für den heutigen Abend zu nichte machen?", erkundigte der Besitzer sich, allmählich doch gereizter, dem leicht mitschwingenden Unterton in der Stimme nach zu urteilen.
"Der Grund liegt rund zehn Meter von Ihrer Hintertür entfernt.", antwortete Jongin, fügte nach einem gefühlt ewig dauernden Atemzug und sicher mehreren ratlosen Gesichtern hinzu: "Tot."
Danbi stockte der Atem. Zum Glück jedoch nicht nur ausschließlich ihr der Geräuschkulisse nach zu urteilen.
Trotzdem hielt sie sich den Mund zu, um einen möglichen Laut zu verbergen.
Gleichzeitig gaben ihre Knie nach. Sie konnte regelrecht spüren, wie sie zeitlupenhaft das Gleichgewicht verlor, halb zusammensackte.
Jedoch nicht wie erwartet auf dem Boden aufschlug.
Keine Ahnung, wie er es geschafft hatte, von seinem Stuhl zu springen und sie gleichzeitig reflexartigartig aufzufangen. Aber jetzt fand sie sich in Christophers Armen wieder.
Schon wieder.
Genauso wie sie schon wieder diesen Geruch wahrnahm, der ihn umgab. Dessen Aroma auf eine Weise angenehm war, dass Danbi am liebsten die Augen geschlossen und alles um sich ausgeblendet hätte. All den Schmerz, all das Chaos.
"Was soll das heißen?", herrschte Ravi plötzlich durch den Raum. Derart laut, dröhnend. Mit Sicherheit war nicht nur Danbi erschrocken zusammengezuckt.
Bis auf die Tatsache, dass sie zeitgleich noch enger von Christopher umarmt wurde.
"Ich muss Ihnen bedauerlicherweise mitteilen, dass uns ein Verbrechen mitgeteilt wurde, bei welchem sich das Opfer als eine Ihrer Mitarbeiterinnen rausgestellt hat.", erklärte Jongin weiter, vollkommen abgeklärt und emotionslos."Die Dame trug einen dunkelroten seidenen Morgenmantel. Klingelt da was?"
Danbi selbst war sofort klar, um wen es sich handelte. Weshalb sich erneut alles in ihrem Inneren zusammen zog.
Wieder wurde jemand getötet, den sie kannte. Mehr oder weniger gut.
Aber zu dem sie selbst vorher Kontakt hatte.
Wieder war Jongin als angeblicher Spezialist involviert.
Und wieder dieser Christopher.
Augenblicklich richtete Danbi sich auf, wand sich dabei aus der Umarmung und schob den Sänger zusätzlich noch von sich.
Dieser schaute sie verblüfft an. Den Kopf leicht zur Seite geneigt hob er die Augenbrauen, bewegte gleichzeitig die Lippen stumm, formte damit ein lautloses "alles okay?"
Am liebsten hätte Danbi laut aufgelacht.
Nichts war okay.
Absolut gar nichts.
Ihr Herz raste. Sie ließ den Sänger keine Sekunde aus den Augen, rutschte dabei unauffällig weiter nach hinten. Bis sie die Tür im Rücken spürte. Und ihr erneut klar wurde, dass sie in der Falle saß.
Hinter ihr befand sich Jongin mit bestimmt mindestens einem Dutzend weiterer Polizisten. Direkt vor ihr ein Typ, den sie eigentlich gar nicht kannte und daher auch absolut nicht einschätzen konnte.
Ein Typ, der im schlimmsten Fall dem perversen Hobby nachging, wahllos Frauen abzuschlachten.
"Keiner verlässt den Raum!", war Jongin plötzlich zu hören, weshalb Danbi automatisch den Kopf drehte, versuchte, durch den Spalt etwas zu erkennen.
Alles, was sie sehen konnte, waren Schatten, die blitzschnell hin und her rannten. Immer wieder rumpelte irgendwas, mindestens drei Gläser gingen zu Bruch.
Egal, was da draußen vor sich ging, es könnte ihr die Möglichkeit zur Flucht geben.
"Was passiert da?"
Das Flüstern war so nah, dass Danbi ihm nicht mal das Gesicht zudrehen musste, um zu wissen, wie nah Christopher ihr war. Obendrein spürte sie seinen Atem an ihrem Hals, was darauf schließen lassen konnte, er hockte genau vor ihr.
Im ersten Moment wusste sie gar nicht, wie sie reagieren sollte. Ihr Körper schien geradezu gelähmt.
Was war eigentlich los mit ihr?
Oder besser: was war los mit diesem Typen?
Nicht nur, dass er sie ständig umarmen wollte. An sich schien er immerzu Nähe zu suchen.
Vorsichtig bewegte sie das Gesicht zur Seite, konnte so nun direkt erkennen, dass Christopher nicht nur so vor ihr kniete, dass er ebenfalls durch den Türspalt linsen konnte, sondern auch nur wenige Zentimeter von ihr entfernt war.
Sie hatte direkten Blick auf sein Profil, welches in erster Linie von der markanten Nase beherrscht wurde. Aber auch die ausgeprägte Kinnpartie, genauso wie die volle leicht überstehende Oberlippe erregten Aufmerksamkeit, der sie sich kaum entziehen konnte.
"Wenn sich jetzt alle prügeln, können wir uns rausschleichen.", murmelte er, den Blick weiter auf die lautstarke Szene draußen gerichtet.
"Was?", stutzte Danbi verwirrt, riss sich geradezu von dem Anblick los.
"Dieser komische Bulle ist gerade mit dem halbnackten Typen nach hinten verschwunden.", redete Christopher einfach weiter, nahm scheinbar keinerlei Notiz von ihrer Zwischenfrage.
Nicht nur deswegen starrte sie ihn nun fassungslos an.
Bulle? Komisch?
Am liebsten hätte sie Christopher dafür gegen den Oberarm gehauen.
Dieser komische Bulle war ja wohl mehr Mann als er. Und der halbnackte Typ...
Okay, damit war hoffentlich ihr Boss gemeint.
Aber mit dem sollte man besser niemanden vergleichen.
Viel interessanter erschien ihr eher diese plötzliche Sinneswandel.
Vor zehn Minuten noch schien Christopher ein kleiner Schulunge, der brav auf seinem Stuhl hockte.
Dieser Mann jetzt vor ihr dagegen war nahezu das genaue Gegenteil.
"Bei drei rennen wir los.", sagte er plötzlich, griff unvermittelt nach ihrer Hand.
Danbi blinzelte verwirrt.
Wo wollte er denn bitte hin? Und weshalb mit ihr?
War er wahnsinnig geworden?
Wenn sie jetzt wie zwei Spinner an einer Gruppe Polizisten vorbei rannten, würde das wesentlich mehr Aufmerksamkeit erregen.
Sie zerrte ihre Hand zurück.
"Denkst du, das ist ein Spiel?", zischte sie ihn weiterhin flüsternd an. "Wir sind nicht Bonny und Clyde."
"Aber ich bin Bangchan.", erwiderte er ebenso leise, warf ihr nur einen kurzen Seitenblick zu, fügte erklärend hinzu, weil er ihren verwirrten Gesichtsausdruck entdeckte: "Künstlername."
Richtig, vor ihr stand ja ein angeblicher Promi.
Sie selbst hatte von ihm zwar noch nie gehört, aber für andere musste das nicht gelten. Wie das ausging dürfte sie selbst auf dem Polizeirevier erfahren.
Ob er das damit meinte?
Könnte es tatsächlich sein, dass er sie schützen wollte?
Oder dachte er eher an sich selbst dabei? Sich und sein Image. Welches natürlich Schaden nehmen würde, wenn raus kam, dass er sich heimlich in einem Stripladen herumtrieb.
"Also?", erneut hielt er ihr seine Hand hin, schaute sie erwartungsvoll an, als sie zögerte.
Sie war immer noch der Meinung, dass das eine ganz dumme Idee war.
Hinzu kam, dass sie sich nicht sicher war, ob sie ihm wirklich vertrauen konnte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro