5. Kapitel *
Ich zog die Sachen, wie es mir aufgetragen wurde, an und betrachtete mich im Spiegel. Ich trug eine enge schwarze Hose mit einem breiten Gürtel und eine dunkelgrünen Bluse mit Spitze. Dazu zog ich schwarze, schlichte Ballerinas an. Meine Haare kämmte ich einmal durch und ließ sie dann So wie sie waren. Anschließend trug ich Mascara, Make up, Eyeliner und leicht khakifarbenen Lidschatten auf.
Dann trat ich aus meinem Abteil. Ich ging ans Fenster der Zugtür und schaute hinaus. Vor mir erstreckte sich ein weiter See. Links sah man hohe schlossartige Gebäude, deren bunte Fassaden man schon von weitem glitzern sah. Hoheitsvolle Brücken, marmorierte Plätze und quietschbunte Leute. Kurz verschwand das Bild, wahrscheinlich weil wir in einen Tunnel fuhren. Eine Hand legte sich mir auf die Schulter und ich zuckte zusammen. Erschrocken drehte ich mich um. Hinter mir stand Alex und schaute aus dem Fenster, ohne mein Erschrecken zu bemerken.
"Es beeindruckt einen jedes mal auf's Neue.", murmelte er zu mir.
Ich drehte mich wieder zum Fenster. Mittlerweile hatten wir den Tunnel hinter uns gerlassen und befanden uns mitten in der Stadt. Ich lehnte mich an Alex und genoss einfach den Ausblick. Alex gab mir ein Gefühl von Sicherheit, er gab mir Halt. Er war wie ein großer Bruder für mich, er ersetzte sozusagen John. Eigentlich war es fragwürdig, ob man eine Person, die man kaum kannte, als einen Bruderersatz bezeichnen konnte. Aber er strahlte einfach eine ruhige Aura aus und kam immer so ruhig und weise rüber.
"Wir sind da. Pass auf, die Tür geht gleich auf!", riss er mich aus meinen Gedanken.
Mittlerweile waren auch Anny, Sam und Zacharia gekommen, ohne das ich es bemerkt hatte. Hastig stellte ich mich wieder richtig hin und mir stieg die Hitze in mein Gesicht. Was die sich jetzt wohl dachten? Vorallem; was Zacharia jetzt wohl dachte? Es war nicht normal, dass ein Tribut solches Vertrauen zu seinem Mentor aufbaute, und deshalb war es sofort unangemessen, abtörnend. Schließlich waren wir hier um zu sterben, um Anderen Spaß und unterhaltung zu bereiten. Wir selbst, durften keine positive Gefühle dabei haben. Ironisch musste ich auflachen, worauf mich Alex stirnrunzelnd ansah und Zacharia den Kopf schüttelte, aber ich drehte mein Gesicht so, dass niemand meinen Gesichtsausdruck sah. Das würde mir nur unnötigen Ärger und Streit mit Zacharia einbringen.
Der Zug hielt sanft an, die Zugtür ging auf und mich empfing ein ohrenbetäubender Lärm. Alle möglichen Leute, ob jung oder alt, riefen und schrien irgendetwas als sie uns sahen. Friedenswächter umringten uns schützend und schirmten uns von den Kameras und Reportern ab. Wir gingen schnell in das gegenüberliegende Gebäude, ohne auf die Stimmen und die Kameras zu achten. Sobald die Türen hinter uns geschlossen waren, atmete ich erleichtert aus. Sowas war garantiert nichts für mich, denn vor den Kameras fühlte ich mich direkt unwohl und beobachtet. Ich hatte schon fast Angst, etwas falsch zu machen. Zacharia schob uns sofort weiter in das Gebäude. Wir gingen durch endlose Gänge und durchquerten hunderte Räume, sodass ich mich schon nach kurzer Zeit fragte, wie riesig dieses Gebäude eigentlich war.
Irgendwann zeigt Zacharia auf eine große Doppeltür auf der linken Seite und sagte zu mir: "Hier findet dein Fotoshooting statt. Geht einfach hinein. Wir anderen gehen weiter. Danach holt dich ein Avox wieder ab und bringt dich zum Gebäude der Tribute auf deine Etage."
"Viel Glück!", rief Alex mir noch hinter her und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln.
Damit ging sie weiter und die anderen waren gezwungen ihr zu folgen, weil die Friedenswächter sich immer noch um uns herum verteilt hatten. Ich machte die Tür auf und betrat einen riesigen Raum. Überall lagen Kameras, Scheinwerfer und Zubehör für das Fotoshooting herum und eine riesengroße Leinwand war an der einen Wand gespannt. Sofort kam ein blauhaariger, dunkelhäutiger Mann auf mich zu und beobachtete mich kritisch von oben bis unten. Er trug schwarze Designerstiefeletten mit leichtem Absatz, dazu eine weit ausgeschlagene, schwarze Seidenhose und ein mit Leopardenmuster versehenes Hemd, welches er bis oben hin zugeknöpft hatte. In seinen blauen Haaren hing Glitzer, seine künstlichen Wimpern zierten bunte Federn. Verrückt. Eindeutig verrückt. Egal. Tief durch atmen. Jetzt begann mein Fotoshooting.
-
Geschafft lag ich auf meinem Bett und starrte die Decke an. Ich hatte einen anstrengenden Tag hinter mir. Zuerst die Ernte, dann das Gespräch mit Mum und Mela, die Zugfahrt und schließlich das Fotoshooting. Es war ganz gut verlaufen, der Fotograf war einigermaßen zufrieden mit mir gewesen, obwohl ich ihm am Ende fast an die Gurgel gegangen wäre, weil ich das zehnte Outfit anziehen musste. Jetzt wollte ich mich kein Stück mehr bewegen, aber wie mir gerade einfiel, hatte ich ja noch zwei Gespräche mit Zacharia und Alex oder Anny. Dabei wollte ich nur noch schlafen. Trotzdem ging ich müde zu meinem Ankleidezimmer. Dort wühlte ich alle Schränke durch, bis ich eine bequeme schwarze Jogginghose, ein graues Top und eine schlabberige, grob gestrickte, bordeauxfarbene Strickjacke gefunden hatte. Dann warf ich mich wieder aufs Bett und schaute Fernsehen bis es halb acht war und ich das Wohnzimmer unserer Etage aufsuchte. Im Wohnzimmer warteten schon Zacharia, Anny und Alex. Kurze Zeit später kam auch mein Bruder hinzu. Ich war aufgeregt, ich wollte wissen, wen ich als Mentor hatte und war gespannt auf das Gespräch - trotz meiner Müdigkeit. Alex begann schließlich zu sprechen: "Also, wir drei haben uns heute während eurer Fotoshootings zusammengestzt und uns Gedanken darüber gemacht, wer von wem Mentor wird. Wir haben uns auch ziemlich schnell geeinigt. Ich werde Ninas Mentor sein und Anny wird Sams Mentor sein."
Mir fiel ein Stein vom Herzen, als er mir ein aufrichtiges Lächeln zuwarf. Alex war mein Mentor! Das ich so etwas wie Glücksgefühle als Tribut empfinden konnte, war für mich schier unmöglich, doch Alex hatte es geschafft, genau das Gegenteil zu beweisen.
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