XVI: hands held high
Alles was sie konnte, war nur dazustehen und erst einmal zu realisieren, was sie gerade über sich ergehen hat lassen.
Er hatte sie geküsst und das nicht gerade kurz. Und warum war das Gefühl vorhanden, dass er es erneut machen sollte? Sie kannte ihn nicht. Also verstand sie auch nicht, warum sie so etwas empfinden sollte.
Noch weiter in seine Sweatjacke vergraben, trat sie den kurzen Nachhauseweg an. So fiel ihr Blick zum Himmel hinauf, an dem dunkle Wolken sich breit machten und leichte Sorgen in ihr ausbreiteten, nass zu werden.
Sie hoffte inständig und zugleich grundlos, dass er den Weg zurück gefunden hatte. Hatte er doch fließend Englisch mit starkem amerikanischen Hauch gesprochen und wirkte nicht sehr erfahren hier in der Gegend. Nahm sie es ihm, den man Rob nannte, nicht wirklich übel, da es eines der verlassensten Dörfer in der Umgebung war, wo nie so schnell jemand her fand.
Angekommen, schälte sie sich sofort aus dem beengenden Kleid, welches Tracht genannt und in rot und mit blauer Schürze war, um sich in bequemere Klamotten zu werfen. Dies hieß grüne, weite khakifarbene Militärhose und ein T-Shirt in weiß, mit schwarzem Druck darauf. Die Drumsticks wurden sorgfältig im Nachtkästchen verstaut und ihr Aufzug für das Konzert aufgehängt im Kasten verstaut. Nach einem erleichterten Seufzer, der sie ein wenig mehr zur Ruhe kommen ließ, stapfte sie geradewegs in die Küche, um sich dort einen Kaffee zu gönnen. Der wohl verdiente Abendkaffee, der als keines Ritual ihren Feierabend schmückte.
Als die hellblaue Tasse mit den weißen großen Punkten unter der laufenden und arbeitenden Kaffeemaschine stand, driftete sie mit ihren Gedanken ab. Zum Lächeln von Rob, wie er es anscheinend selbst nicht begriffen hatte. Und sie erst recht nicht.
Sie musste zugeben, war sie geschmeichelt von seinen Komplimenten gewesen, doch hätte sie so etwas erwartet. Und das am meisten verblüffendste war, dass sie diesen Kuss über sich ergehen lassen hatte, als wäre es ein Trommelwirbel.
Der wundervolle Geruch von frisch zubereiteten Kaffee stieg ihr in die Nase und auch noch ein anderer Duft, der sie verzaubert. So nahm sie die Tasse und stellte sie auf dem Tisch ab, während sie zum Kühlschrank eilte, um sich etwas Milch zu holen. Danach auch noch zwei Würfel Zucker, ohne dass dieser noch nicht zugeteilte Duft sie verließ.
Als sie mit dem Löffel zweimal umrührte, verharrte sie und hob den Ärmel der Jacke an ihre Nase, welchen sie nicht ablegen konnte.
Dieser war schier getränkt mit dem Duft, der zu Rob gehören musste und brachte ihren Verstand zum kurzzeitigen Aussetzen, worauf sich ein Lächeln auf ihre Lippen zauberte. Doch auch ein Gedanke neben den Bildern in ihrem Kopf schoss ihr, dass sie nicht einfach seine Jacke behalten konnte. Schließlich würde er sie brauchen. Doch für heute war sie zu müde, um noch nach draußen zu gehen und Rob zu suchen, wo sie doch nicht wusste, in welchem Haus er einquartiert war. Außerdem war es gerade halb elf geworden und der Regen prasselte sanft auf das Dach, während der Donner und seine Blitze sich dieses Mal eher im Zaum hielten.
Sie stand vor der Terrassentür und starrte sehnsüchtig hinaus zu ihrer Hängematte, auf die sie sich schon den ganzen Tag gefreut hatte. War sie nun durchnässt und bei diesem Wetter nicht mehr zu benützen, da sie unter freiem Himmel zwischen zwei großen Apfelbäumen gespannt war. Blätter lagen von dem Wind auf dem Boden verstreut und erinnerten an ein leichtes Schlachtfeld. Sally musste sich konzentrieren, nicht schon wieder abzudriften und nahm einen kurzen Schluck des heißen Gebräus, worauf sie ihre Hände, die in den schwarzen Ärmel fast verschwanden, um die Tasse geschlungen erneut zur Küchenzeile wanderte.
Groß war ihre Küche nicht, aber auch nicht wirklich klein, worauf sie in ein Mittelmaß fiel. Neben der langen Küchenzeile mit allerlei Inventar, hatte auch noch ein Kühlschrank hinter der Tür seinen Platz gefunden. Mitten im Raum stand ein langer hölzerner Esstisch, an dem sich gute acht Personen einfinden konnten. So war alles, neben den weißen Wänden und knarrenden Holzdielen als Boden, komplett. Den ersten Blitz des Tages schenkte sie kurz Aufmerksamkeit, bevor sie über die Kekspackung herfiel. Ihre Lieblingskekse, die eine Kleinigkeit an einem Abend waren. Meistens ging auch noch eine Schokoladentafel auf ihre Kosten, doch heute scheint es ihr nicht an dem Glückshormon Serotonin zu fehlen. Eher an guten Antworten auf das Geschehene, welches sie nicht wirklich losließ.
Sie ließ sich auf das weiche Sofa nieder und knabberte an einem Keks, während sie mit der anderen ihre Tasse hielt und mit dem kleinen Finger an der Fernbedienung den Knopf zum Einschalten des Fernsehers betätigen konnte. Sofort kam ihr ein Fußballspiel beim Sender durchsuchen, nach einer halbwegs guten Serie, in die Quere, bei welchem sie blieb und den kleinen Männchen zusah, wie sie über den Rasen wie verrückte hetzten.
Ein nicht bewusstes Lächeln stand auf ihren Lippen, während sie ihren Mund nun hinter der Sweatjacke vergrub. Der zarte Duft von Rob benebelte wieder ihre Sinne und versuchte den Gedanken in ihr, die Jacke zurückzugeben, zu ersticken. Doch war ihr kleiner Plan schon weit davon, in den Kinderschuhen zu stecken, um ihn jetzt noch ablegen zu können. Ein Grund, warum sich nun kurz ihre Zähne zeigte, da sie ihre Lächeln kaum mehr im Zaum halten konnte. War dieser Abend doch zu verrückt gewesen, um irgendetwas daran eigenartig zu finden, wo er doch in gewisser Hinsicht und bei wirklichem zugeben, wunderschön gewesen war.
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