IV: a light that never comes
Auf dem Bahnsteig, wippte Rob nervös auf seinen Fersen herum und starrte im Sekundentakt auf die Anzeige. Es schien eine Minute kaum zu vergehen.
Im Krankenhaus wurden seine Wunden genäht, was äußerst schmerzhaft gewesen war. Nun hatte er zwei weiße Verbänden um die Hände gewickelt und konnte kaum etwas in die Hand nehmen. Geschweige denn etwas angreifen. Er bekam auch eine Ampulle Blut, da sein Blutverlust erschrocken stark gewesen war. Die Ärzte überrascht, wie er sich so überhaupt noch auf den eigenen Beinen halten hat können.
Mike sah nur zu Bourdon und traute sich nichts zu sagen. Er ließ ihn einfach, da er zu angespannt war. Die kleinste Sache konnte dieses angespannte Band zum Reißen bringen.
So erklang die Stimme der immer höflich wirkenden Lady, die jeden Zug, der in den Bahnhof einfuhr, ankündigte. Shinoda ignorierte es. Er hatte mehr zu verarbeiten, als dass ihm so etwas wichtig war. Den ganzen Flug, der problemlos und Last-Minute verlaufen und in der Economy Class, ein noch nie ausprobierter Luxus, hinter sich gebracht wurde, hatte Mike nachgedacht. Wie er ihr nun vor die Augen treten sollte.
In seinem Kopf war das klischeehafte Bild abgelaufen, welches eine Ohrfeige für ihn beinhaltete. Sie musste mehr als nur ein wenig sauer auf ihn sein. Doch er wusste nicht, ob sie wusste, dass Mike der Auslöser des ganzen gewesen war. Hatte doch Rob ihr die Hiobsbotschaft versetzt. Alles auf sich genommen.
Shinoda wollte ihr am liebsten gar nicht erst vor die Augen treten. Er wollte sich in der hintersten Ecke des Landes verstecken und sich erst in ein paar Jahren wieder zum Dienst melden.
Mike wurde von Bourdon in den Zug gezogen und stolperte leicht überwältigt hinein. Sie ließen sich auf den ersten freien Doppelplatz nieder und machten es sich für vier satte Stunden Fahrt bequem. Reisten sie doch durch das halbe Land.
Beide schwiegen. Beschäftigten sich. Zu viel mit ihren Gedanken.
Rob, der noch vor kurzem sein zweistündiges Starren auf die Landschaft beendet hatte, sah zu Mike, der ihm gegenüber saß. Man sah ihm an, dass es Bourdon schwer fiel.
"Mike, es muss dir bewusst sein, dass ich dir noch nicht ganz verziehen habe", atmete er tief durch, "ich habe viel nachgedacht. Wahrscheinlich zu viel. Aber ich danke dir, dass du mich nicht hängen gelassen hast", deutete er auf die vorbeirauschenden Bäume, Häuser und Straßen, "und mir ist auch bewusst geworden, dass es vielleicht nicht sein sollte. Du weißt schon."
Darauf begann er Daumen zu drehen. Mike brauchte etwas Zeit, um die Materie in seinem Kopf zergehen und verarbeiten zu lassen.
"Was?", hielt er eine Hand hinter sein Ohr und beugte sich leicht Rob entgegen, "den letzten Satz habe ich nicht gehört."
Wenn auch nur mühselig, begann Bourdon leicht zu lachen und Mike ließ es sich auch nicht entgehen, worauf er noch ernst hinzufügte: "Wenn das nicht so sein soll, dann springe ich von der Golden Gate Bridge."
Bourdon schüttelte den Kopf und sah wieder zum Fenster hinaus, schützte seinen Ellbogen am Fensterbrett ab und kaute leicht auf seinen Daumennagel herum. Ein sanftes, wenn auch kaum erkennbares Schmunzeln stand auf seinen Lippen.
"Dann lassen wir es nicht soweit kommen."
"Ich bin froh, dass du das sagst", fuhr Mike sich durch seine schwarzen Strähnen und schlüpfte aus den Schuhen, um sich im Schneidersitz zu platzieren, da er ihn bei allerlei Reisen bevorzugte, um Reiseübelkeit zu vermeiden.
"Warum sollte ich das auch wollen", schnaubte Rob leicht amüsiert, wenn auch ernst gemeint, "für mich wird es nur schwer, dir in nächster Zeit zu vertrauen. Warum glaubst du, ich würde es mir wünschen, dass du von einer Brücke springst?"
"Ich habe wirklich etwas angerichtet", kratzte sich Mike verlegen am Hinterkopf, als würde er sich selbst nicht wirklich verzeihen, was er ja auch nicht tat. Seine Gedanken kreisten nur um das, was er kaputt gemacht hatte.
Rob schüttelte den Kopf und sah zu ihm: "Ich würde meinem Freund doch nicht wünschen dass er, t..."
Bourdon brach ab. War er doch knapp daran selbst vorbeigeschrammt. Um 23:57. Er hatte auf die Uhr gesehen. Hatte sein komplettes Leben hinterfragt. Hatte das Licht gesehen. Doch irgendetwas hat von einer Aufgabe gesprochen. Einer Tat, die er vollbringen müsste. Man hatte ihn nicht in das Weiß eintauchen lassen.
Als Bourdon wieder in sich gekehrt war, musste Mike noch eine Frage stellen, die für ihn wichtig war. Nur so könnte er alles in seinem Kopf niederlegen.
"Sind wir das?", war es leise, "Freunde?"
Rob sah ihn an. Mit einem Blick der schon genug verriet, aber zu leer war, um Auskunft zu geben.
"Sind wird das irgendwann einmal nicht gewesen, dann hätte ich das gewusst."
Das war das letzte, welche Worte gesprochen worden war. So saßen sie, verbrachten weitere zwei Stunden stillschweigend. Und blieben im Zug, als alle hinausstürmten.
Mike, der nur vor sich hingedöst hatte, zuckte auf und schnappte seinen Koffer vor seinen Füßen, während er in die Schuhe förmlich sprang. Er hatte es leicht verschlafen, als der Zug zum Halten gekommen war.
Shinoda war gerade dabei, loszustürmen, als Rob ihn nur fragte, was er so dringlich zu erledigen hatte.
"Na, ausstiegen", kam es aufgehetzt und Mike starrte seinen Freund an. Der saß immer noch in gleicher Position, schon fast wie ein Mönch wirkend. Keine Eile. Die Ruhe selbst.
"Müssen wir nicht", kratzte er sich am leichten Drei-Tage-Bart, "setz' dich Mike."
"Aber ich..."
Rob lachte kurz: "Setz' dich hin. Wir steigen erst nach drei Stationen aus. Jetzt vertrau' mir mal ein wenig."
Erst als der Zug ins Rollen kam und sie keine Chance mehr hatten, auszusteigen, ließ Mike sich verdutzt auf seinen Platz nieder.
Er wusste nicht, was Rob im Schilde führte, zweifelte aber auch nicht daran. War Bourdon doch derjenige gewesen, der knappe drei Monate hier verbracht hatte.
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