Kapitel 9.2 - Zweistrom
Ich hob die Augenbrauen, doch er grinste nur und lief los, ohne mir zu antworten. Gespannt folgte ich ihm über die leise knarrenden Holzplanken bis zur Tür einer Kajüte. Xutas Zaexupas war darauf eingraviert und ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass das sein Name war. Das diese Kajüte seine war und das dieses Schiff offenbar nicht seinem Vater, dem König sondern tatsächlich Zain gehörte.
Nun wurde mir doch etwas flau im Magen. Ich war noch nie im Schlafzimmer eines Mannes, mit dem ich nicht blutsverwandt war, selbst wenn es sich dabei nur um eine Kajüte handelte.
Hatte der Prinz etwa vor...? Wollte er mich verführen? Hatte er mich deshalb so plötzlich geküsst?
„Schlies die kurz die Augen" flüsterte er von hinten in mein Ohr und trotz seines warmen Atems bekam ich eine Gänsehaut. Meine Nervosität stieg ins Unermessliche und trotzdem, ging ich seiner Bitte nach.
Ich hörte, wie die Tür aufschwang, und er dirigierte mich mit einem sanften Druck gegen meinen Rücken an ihr vorbei, eh sie mit einem klacken zurück ins Schloss fiel. Das Geräusch ließ mich zusammenzucken und ich hörte sein Grinsen, während er fragte „Sind wir heute ein wenig schreckhaft?"
„Ich äm..." Diese ganze Situation überforderte mich langsam und ich unterdrückte das bedürfnis, die Augen zu öffnen.
Immer schneller hämmerte mein Herz gegen das meine Brust, so als wollte es ausbrechen und davonlaufen.
Das Rascheln von Kleidung übertönte plötzlich das Pochen meines Herzens und auch wenn ich es vorher nicht für möglich gehalten hätte, wurde ich noch unruhiger.
Endlich sagte er „du kannst sie wieder öffnen" doch ich war unsicher, ob ich das überhaupt wollte. Was wenn er unbekleidet vor mir stand?
Zu warten würde an dieser Situation allerdings nichts ändern, also holte ich tief Atem und öffnete zögerlich die Augen. Zuerst nur einen kleinen Spalt. Doch der reichte, um mir ein verschwommenes Abbild von Zain zu offenbaren. Er war nicht nackt, sondern hielt etwas großes, Helles vor sich.
Flatternd schlug ich die Augen ganz auf und der Anblick verschlug mir die Sprache. Alles was ich hätte sagen können klang lächerlich und so starrte ich wortlos auf das schönste Kleid, das ich je gesehen hatte. Zwei schmale Träge hielten es auf dem Bügel in Zains Hand und endeten am Brustteil, dass mich an die Form eines Herzens erinnerte. Der Stoff wirkte seidig und war mit feinem Goldstaub bedeckt.
Meine Heimat war das Land des Goldes und trotzdem hatte ich noch nie ein so teures Kleid gesehen, geschweige denn getragen.
Zain grinste, als er meinen Blick sah und forderte mich auf, es anzuziehen.
„Ich.. Das.. Das ist doch viel zu wertvolle. Was wenn ich es schmutzig mache, oder kaputt?"
Er schmunzelte nur „Mach dir mal keine Gedanken" damit lies mich allein, so das ich mich umziehen konnte. Im vorbei gehen, drückte er mir das Kleid in die Hand und ich hätte beinah aufgeseufzt. Dieser Stoff sah nicht nur unheimlich schön aus, er war auch noch unglaublich weich.
Ich beschloss, nicht weiter zu protestieren, sondern befreite mich aus meinen durchgeschwitzten Sachen und schlüpfte in das Kleid. Dann ging ich nach oben und es fühlte sich an, als würde ich in einer großen, weichen Wolke aus flüssigem Gold umhergehen. Bei jeder Bewegung funkelten die Partikel im Licht und das Kleid erschien mir wie die Verkörperung der Sonne selbst.
Nur eins verunsicherte mich. Der Herzausschnitt war im Vergleich zu meiner üblichen Kleidung ziemlich Freizügigkeit gestaltet. Oder womöglich erschien es mir nur so. Weil ich es nicht gewohnt war.
Zu meinem Pech konnte ich es nicht überprüfen, denn es gab auf dem gesamten Schiff nicht einen Spiegel. Mir blieb also nichts anders übrig, als nach Zain zu suchen und seine Meinung abzuwarten.
Der Prinz stand mit Yasir in der Nähe des Masts und schien mit den Vorbereitungen beschäftigt, doch als er hörte, dass sich jemand näherte, wandte sich sein Blick mir zu. Sein Gespräch mit Yasir verstummte abrupt, und ich versuchte, ihre großen Augen zu ignorieren, während ich da stand und nicht wusste, was ich sagen sollte. Zains Leibwächter war so schlau sich unauffällig zurückzuziehen und nun spürte ich die ungeteilte Aufmerksamkeit des Prinzen auf mir.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, wich seinem Blick aus und betrachtete die vorbeiziehende Landschaft. Die Dielen des Schiffes, seine Schuhe. Nur nicht sein Gesicht.
„Du siehst wundervoll aus." Hörte ich seine Stimme und wagte es, langsam den Blick zu heben. Sein Gesicht wurde von einem sanften Lächeln geziert und die Sonne funkelte in seinen Augen.
„Danke"
Das Wort hing in der Luft und drückte nicht annähernd, aus was ich gerade fühlte. Wie sehr es mir schmeichelte. Wie dankbar ich ihm für dieses Kleid war und wie nervös mich das trotz allem machte.
Elegant Schritt er zu mir hinüber und streckte mir eine Hand entgegen. „Darf ich um diesen Tanz bitten ?"
Langsam klappte ich meine Augenlider zu und wieder auf. Wie kam er nur auf die Idee jetzt zu tanzen?
Das Ganze war mir unerklärlich und trotzdem legte ich meine Hand in die seine. Sie war so viel großer als meine und es überraschte mich immer wieder, wie weich sie sich anfühlte. Die Hände meiner Brüder waren sehr viel rauer, aber vielleicht war das eine Eigenart der Yeron.
Zain legte seine andere Hand an meine Hüfte und seine Wärme durchdrang den zarten Stoff des Kleides, so das ich sie deutlich auf meiner Haut spürte.
Sanft drückte er meinen Körper an seinen und machte den ersten Schritt. Wie automatisch finge ich an Gleichschritt an zu tanzen.
Im Hintergrund hörte ich sogar Musik.
Hatte er das extra organisiert, oder bildete ich mir das nur ein, weil ich so vertieft in diesem Moment war?
Unauffällig sah ich mich um und endete einen seiner Männer mit einem Instrument, das ich nicht kannte.
Ich kam nicht dazu, es genauer zu betrachten, denn ich spürte seine Hand auf meiner Wange und er drehte meinen Kopf zurück in seine Richtung. Unsere Blicke trafen sich und ich hatte das Gefühl in dem Meer, aus flüssigem Gold, zu versinken das seine Iris so faszinierend machte.
Unser Blickkontakt unterbrach nicht mehr eine Sekunde. Wie verzaubert sahen wir uns an und schwebten über das hölzerne Deck des Schiffes. Es war beinah magisch. Doch der Moment dauerte nicht lange. Schon unterbrach der Steuermann unseren Tanz „Wir erreichen in etwa einer Stunde die Stadt."
Zains Brauen zogen sich herunter und er kniff die Augen ein wenig zusammen „Danke für die Mitteilung"
Die Mimik machte deutlich das er das Gegenteil, von dem meinte, was er sagte und der Steuermann hatte es eilig zu verschwinden.
Gefolgt von Zains missbilligenden Blicken huschte er über das Deck zurück zum Steuerrad. Dort griff er nach der Manschette seines Ärmels und war plötzlich schwer damit beschäftigt, einen Fleck weg zu polieren, der meiner Vermutung nach gar nicht existierte.
Ich war auch nicht begeistert, dass er unseren Tanz unterbrochen hatte, doch strich mit dem Daumen sanft über den Handrücken des Prinzen, bis er seine Aufmerksamkeit wieder mir zuwandt.
Im Augenwinkel sah ich, wie sich die Schultern des Steuermanns entspannten, doch dann konzentrierte ich mich ganz auf Zain und fragte „Müsst ihr noch etwas vorbereiten?"
Die Antwort ahnte ich bereits und bestätigte es, mit einem nickten. Logisch, sonst hätte der Mann uns sicher nicht gestört.
„Dann werd ich euch nicht länger aufhalten."
Ein Schmunzeln zog über sein Gesicht und er lies seine Finger durch mein Haar wandern und spielte mit den spitzen „Ihr solltet Seraphia bitten sie euch ein wenig zuerecht zu machen bevor wir ankommen."
Meine Wangen wurden heiß. Er hatte recht. Ein noch so schönes Kleid würde nichts nützen, wenn meine Haare so aussahen, als hätte ich eine Woche in der Wildnis verbracht. Auch wenn genau das der Fall war.
Ich nickte hastig und machte mich auf die suche nach der Magierin. Es gab nicht besonders viele Orte auf diesem Schiff, an denen sie sich hätte aufhalten können und so wurde ich schnell fündig.
Sie ging mit mir zurück in Zains Kajüte und platzierte mich auf einem Stuhl. Die Luft vor mir begann zu flimmern und plötzlich konnte ich mein eignes Abbild in ihr erkennen. Ganz ohne Spiegel. „Wie machst du das?"
Sie kicherte ein wenig und stellte eine Gegenfrage „Wieso sehen wir uns in einem Spiegel?
Ich zuckte mit den Schultern. Darüber hatte ich noch nie nachgedacht. Es war einfach selbstverständlich. Eine Tatsche, die man hinnahm, ohne sie zu hinterfragen. „Ich weiß nicht, naja er spiegelt."
„Ja er spiegelt" nickte sie und begann mein Haar zu kämmen, während sie erklärte „Das bedeutet er reflektiert das Licht. Alles was wir sehen, sehen wir nur weil das Licht auf diese Dinge trift, von ihnen zumindest zum teil reflektiert wird und dann zurück in unser Auge fällt. Deshalb sehen wir auch nichts wenn es dunkel ist" Sie seufze, als wäre das eine Sache die man, schon als Kleinkind lernte und teilte von der von der Stirn ausgehend ein paar feine Haarsträhnen ab. Die später das Gesicht umspielen würden. Das restliche Haar band sie zu einem Pferde und fuhr fort „Ohne dich mir Deteils zu langweilen. Ein Spiegel reflektiert sehr gut, deshalb können wir uns selbst darin sehen."
Langsam verstand ich und doch stellte sich mir eine Frage „Du sagtest aber alles reflektiert das Licht."
Ich sah, in der seltsamen magischen Spieglung, wie sie mit den Augen rollte und nun doch weiter ausholte. „Ich sagte zumindest teilweise. Einige Farben schlucken mehr von dem Licht als andere. Was wir als schwarz sehen schluckt fast alles Licht und was wir als weis sehen reflektiert es beinah ganz."
„Aber wieso seh ich mich dann nicht in einer weisen Wand?" Unterbrach ich sie und hörte sie seufzen. Sie musste mich für unglaublich dumm halten. „Tut mir leid das ich diese Dinge nicht weis."
„Es ist schon gut." Sie seufze leise „Ich vergesse immer wie wenig Menschen sich mit der Natur um sich herum befassen. Aber wenn du etwas lernen willst solltest du mich nicht unterbrechen." Dabei dreht sie den Zopf leicht ein und fixiert das ganze, indem ihr sie ein dünnes Band hinzufügt. „Vielleicht kannst du dir die Frage selbst beantworten. Was ist der unterschied zwischen einer Wand und einem Spiegel?"
Wollte sie mich nun testen, um herauszufinden wie dumm ich war? Tatsächlich musste ich kurz darüber nachdenken. Immerhin waren das zwei absolut verschiedene Objekte. Es gab eine lange Liste von Dingen, die sie unterschieden. Die Größe, das Material, es gab kaum Gemeinsamkeiten und so fragte ich mich, auf welchen Unterschied sie hinaus wollte. Vielleicht sollte ich mich eher fragen, was Dinge gemeinsam hatte, in denen ich mein Spiegelbild betrachten konnte. Die ruhige Oberfläche eines Sees und ein glänzend poliertes Tablett waren sich nicht besonders ähnlich, außer: „Ein Spiegel ist Glatt und eine Wand nicht."
Ich sah, wie ein leichtes Lächeln ihr Gesicht streifte „Na siehst du, das war doch gar nicht so schwer." Sie schlug den Zopf nach oben ein und fixiert ihn mit mehreren Haarnadeln.
„Aber ich versteh es immernoch nicht. Wieso sehen wir uns in glatten flächen, in Rauen aber nicht? Schluken die auch das Licht?"
Sie runzelte die Stirn und fragte sich offenbar, ob ich diese lächerliche Frage ernst meinte. Doch ich hatte inzwischen begriffen, dass ich nie etwas lernen würde, wenn meine Fragen immer dann aufhörten, wenn ich mich ihr gegenüber unwissend fühlte.
Sie fing ein paar herausgerutschte Strähnen ein und befestigte diese ebenfalls mit Haarnadeln. „Weil eine Wand rau und nicht glatt ist, wird das Licht in alle Richtungen gestreut. Das heißt, die Lichtstrahlen werden in viele unterschiedliche Richtungen geworfen." Demonstrativ erschuf sie einen Lichtstrahl, der sich plötzlich in viele aufteilte, eh sie ihn wieder verpuffen ließ. „Ein Spiegel dagegen ist so glatt, dass das Licht genau so zurückgeworfen wird, wie es auf ihn gefallen ist."
Das alles war für mich so unglaublich schwer vorstellbar. Ich war kein Yeron. Ich konnte kein Licht kontrollierten. Bisher dachte ich, immer es würde einfach nur die Umgebung erhellen. Doch je mehr ich darüber erfuhr, umso stärker begriff ich auch, wie mächtig sie waren. Was sie alles Maipuliren konnten. Doch die eigentliche Frage hatte sie noch nicht beantwortet „Und wie erschaffst du diese Spieglung einfach in der Luft, Luft reflektiert doch nicht."
Sie lies das magische Abbild verschwinden und stellte sich nun vor mich „Ich brauche keinen Spiegel, der das Licht zurückwirft. Ich leite seinen Weg einfach selbst um. Und jetzt Augen zu."
Kurz war ich irritiert, doch dann sah ich, dass sie eine kleine Dose mit Goldpuder in der Hand hielt, und schloss die Augen.
Gleich im Anschluss spürte ich eine sanfte Berührung auf meinen Liedern und den Goldstaub, der darauf zurückblieb, eh ich sie wieder öffnete.
War das nicht ein etwas zu viel des guten?
Andererseits, wenn ich es mit ihrem Makeup verglich, war ein wenig Goldstaub auf den Augen sehr dezent. Vielleicht war es in ihrem Land ja mode?
Seraphia trat einen Schritt zurück und betrachtete mich wie ein Kunstwerk. Es war mir schlicht unangenehm, also stand ich auf und meinte „Dann geh ich mal Zain suchen."
Ich drückte die Türklinke hinunter und blickte über meine Schulter, um der Magierin lächelnd ein „Danke" zuzuwerfen. Dabei trat ich bereits einen Schritt nach draußen und lief geradewegs gegen eine große, warme Mauer, die sich beim Hinsehen als Zain offenbarte.
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