
S E C H S
Summer hatte unser Haus schon verlassen, als Taehyung zu mir kam und Jimin eben auch ging. "Und du sagst mir nichts?", warf er mir schon vor. "Das war aus ihrer Initiative..", versuchte ich mich zu rechtfertigen. Ich war extrem glücklich über gestern, wie sie sich mir einfach hingegeben hat..
Ich riss mich aus meinen Gedanken und eigentlich war ich mir sicher, dass ich bestimmt irgendwelche Dinge für die Schule erledigen musste, aber mir brannte die Frage auf der Zunge, was da war, mit dem Unfall. Scheinbar war ich - nicht auf meine Umgebung achtend - auf die Straße gerannt. Und dann? Ein Auto? Fahrerflucht? Zeugen? Wieso wusste ich nichts? Irgendjemand musste es ja gesehen haben, sonst wüsste ja auch niemand von dem Unfall. Ich war etwas enttäuscht, als mir einfiel, dass meine Eltern noch arbeiteten und seufzte. „Jeongguk? Antwortest du mal?"
„Mh?", ich hatte zwischenzeitlich gar nicht mitbekommen, dass Taehyung geredet hatte, geschweige denn eine Frage an mich richtete.
„Was hast du gefragt?", ich guckte zu ihm, mit meinem Glas Milch in der Hand. Ich erinnerte mich an meinen Traum und interessierte mich nicht weiter für seine Frage. „Tae, trinkst du gerne Milch? 3,8?"
„3,8 ist das wahre", lächelte er schief, nahm sich ein Glas und füllte sich etwas mehr von der Milch aus dem Kühlschrank ein. Also stimmten auch solche banalen Eigenschaften. Auch die Art, wie er es sagte, war genau gleich, wie in meinem Traum. „Also, zurück zu meiner Frage: Wann willst du Mum und Dad von Summer erzählen?"
„Achso, ja, ich lade sie bald einfach zum Essen ein, am besten ihre Familie..", ich wurde nachdenklich und kam wieder zurück auf den Unfall. Vielleicht wusste Taehyung mehr darüber? „Was weißt du über den Unfall?"
„Deinen? Nicht viel. Es gab noch keine Verhandlungen darüber. Aber es war ein Autounfall, alles, was am Ort des Vorfalls gewesen ist, wurde auch konfisziert. Auch der Täter ist unbekannt. Und das komischste ist deine Rolle."
„Wie meinst du das?"
„Du warst scheinbar total unbewusst über das, was los war, berichten Augenzeugen. Du bist verwirrt auf die Straße gerannt und plötzlich, wie aus dem Nichts, kam ein Auto."
„Und die Augenzeugen haben nicht aussagen können, ob es Fahrerflucht war. Sie könnten nichts weiter sagen, alle Gedächtnisse blank", er nahm einen Schluck von der Milch. „Wieso weißt du so viel darüber?"
„Weil Jimin mit mir zusammen nachgeforscht hat. Uns kam es sehr komisch vor, dein Verhalten, meine ich. So bist du nicht drauf. Drogen nimmst du auch nicht. Alles sehr sehr komisch, wirklich"
„Ich merk' schon.. und wie habt ihr das alles herausgefunden?"
„Wir waren bei der Kanzlei, wo der Fall eingetroffen ist. Und wir haben Polizisten ausgequetscht und die Ärzte, die sich um dich kümmern sollten."
„Wie habt ihr das denn bitte angestellt?!"
„Wir haben die Infos gekauft", meinte er Schulter-zuckend und nahm noch einen großen Schluck. War das nicht kriminell?
„Okay.. ich muss mit Summer reden", ehe ich aufstehen konnte, hielten mich an beiden Armen zurück und zwang mich, wieder Platz zu nehmen. „Nein, du wirst jetzt nicht mit ihr reden. Lass euch mal Abstand. Chill mal und kläre die Sache mit Jennie, damit nicht zu viele Leute etwas falsches denken", ich rollte meine Augen und stand auf. Ich könnte ja auch über meinen Balkon raus und sie besuchen. Oder aber ich würde auf Tae hören. Vielleicht würde mich Summer tatsächlich zu anhänglich finden. Dann müsste sie eben warten. War auch in Ordnung für mich...
Später, als Taehyung in seinem Zimmer war, öffnete ich meine Social-Media Seiten und klärte alles, mit ein paar Bildern, ein paar privaten Nachrichten. Letztendlich würden eh alle etwas über Summer wissen. Ich könnte es nicht für immer bei einem Geheimnis belassen. Und ich wollte es auch gar nicht. Was ich wollte war, dass alle Menschen von ihr wussten und ich mir sicher sein konnte, dass niemand versuchen würde, an sie ranzukommen. Ich-
Ich übertrieb es. Ich wollte nicht so ein eifersüchtiger Freund sein, der ihr alles verbieten würde. Aber irgendwie konnte ich nicht aufhören darüber zu denken. Hoffentlich würde diese Phase der besitzergreifenden Art irgendwann aufhören. Summer würde letztendlich nur deswegen von mir weg wollen.
Als ich dann bemerkte, wie meine Gedanken abschweiften, kam ich zurück nach Instagram und klärte letzte Fragen, als ich mein Handy dann endlich weglegte und aufstand. Draußen schien die Sonne und ich kam nicht davon Weg, an Summer zu denken. Wieso fiel es mir denn so schwer, mit meinen Gedanken nicht dauernd um sie zu kreisen? Ich lag auf der Küchentheke und Taehyung kam runter. „Jeongguk, geh da runter, wie oft denn noch? Wieso liegst du immer auf dieser Theke?"
„Immer? Was meinst du denn- achso ja. Ich erinnere mich nicht mehr daran.", stellte ich leise fest.
„Ich dachte dein Traum sei der Realität ähnlich gewesen"
„Ja, da hatte ich aber etwas zu tun, anstatt auf Theken zu liegen."
„Oh, tut mir ja leid, Mister Oberboss"
„Alter was ist los? Willst du Stress?"
„Du traust dich doch eh zu nichts"
„Hä? Taehyung, was willst du? Was ist passiert?"
„Nichts Junge, verpiss dich von der Theke und hör auf mich zu nerven"
„Ich, dich? Wohl eher du mich?", ich stand schon längst wieder auf den Beinen und fragte mich tatsächlich was hier abging. Versuchte er etwas? War das ein Experiment? War er in Wirklichkeit immer so?
Er ging an mir vorbei an den Kühlschrank und ich stöhnte genervt auf, als ich mich schon umdrehte und in mein Zimmer zurück ging. Was war falsch bei Taehyung?
Vielleicht hatte er ja mit Jimin gestritten? Dass ich dieses Thema ruhen lassen wollte, war gelogen, weshalb ich mich daran machte, Jimin anzurufen, welcher nach ein paar Sekunden abhob, obwohl ich mir sicher gewesen war, dass er nicht mit mir reden wollen würde (falls er überhaupt Stress mit Taehyung hatte).
„Was ist", fragte er gerade heraus und ich verlor ein wenigen Sicherheit, „Hat Tae dich beauftragt, anzurufen?", er schien genervt zu sein, seine Stimme war tiefer und er sprach langsamer. „Eh- Nein. Ich wollte dich fragen, ob alles okay ist, weil Tae mies drauf ist. Er.. schafft mir ein wenig Angst.", gab ich erst zögernd zu. „Na super", antwortete Jimin nur und schien nicht weiter reden zu wollen. „Und, eh, was genau ist los?", wollte ich das trockene Gespräch aufrecht erhalten und er seufzte. „Hat er die schon von deinem Unfall erzählt? Dass er die Informationen gekauft hat?"
„Ja", langsam wurde mir mulmig zumute. Ich dachte vorher, dass das für Tae normal sei, dass er Geld für Informationen tauschen würde - oder dass es zu seinen Charakterzügen und seiner Verhaltensweise passen würde. Scheinbar schien selbst Jimin sein Verhalten nicht so ganz zu akzeptieren.
„Er ist verrückt geworden auf dem Punkt deines Unfalls. Er beschäftigt sich Tag und Nacht damit, er verzichtet sogar auf Schlaf. Und jetzt, als du ihm von deinem Traum erzähl hast, wirkt er richtig besessen. Langsam wird mir das zu viel", Jimin schien wirklich entsetzt und besorgt zu sein. Aber zu seiner Aussage wurde seine Stimme durch Trauer unterstützt. „Er- echt? Ist er wirklich so sehr damit beschäftigt?"
„Ich sag's dir! Und jetzt wollte ich mich mit ihm treffen, doch er hat keine Zeit. Also, ich fand das ja am Anfang auch extrem interessant, aber so sehr? Ich habe eine Pause für unsere Beziehung eingefordert."
„Du hast was?"
„Ja- ich bereue es", meinte er mit Nachdruck.
„Aber?"
„Aber ich habe Angst, dass er meine Entschuldigung nicht annimmt. Und ich habe Angst, dass er mich nicht anhören wird."
„Jimin. Komm zu uns und klär' das mit ihm, er ist total bestürzt. Bitte.. Klärt das, ich habe euch nur zusammen in Erinnerung."
„Ja.. ich werde es morgen machen, ich brauche etwas Abstand"
„Okay.. viel Glück dann"
„Danke Man"
Und so legte ich auf. Es war etwas Angst einflößend, dass mein Stiefbruder auf diesem Punkt so ausartete, auch, wenn es mich zum Teil auch interessierte, was an dem Tag wirklich passiert war.
„Yo, Bruder ich habe eine komische Nachricht bekommen", meine Zimmertür wurde unsanft aufgestoßen und Taehyung kam mit schwungvollem Schritt hereingetreten, seine Haare waren durcheinander und wippten mit jedem seiner Schritte elanvoll mit. „Und es betrifft die Ursache, weshalb du diesen komischen Traum hattest", gab er hinzu und nun fing ich an, ihm mit beiden Ohren zuzuhören. „Was steht drin"
„Dazu musst du die Vorgeschichte kennen. Hör gut zu. Viele, eigentlich fast alle, Zeugenaussagen sprechen von einem sehr hellen Glimmer oder sowas in der Art, als das Auto auf dich stieß. Klar, es könnte das Auto-licht gewesen sein, aber dann hätten ja nicht fast alle davon gesprochen, weil es ja nur geradeaus scheint. An dieser Stelle hört jede Erinnerung auf, zu funktionieren. Jedenfalls hast du ja auch von meinen Flügeln im Traum gesprochen. Auch ein helles Glimmen, oder wie du sagtest: Muskovite.
Und die Nachricht lautet so: ‚Wo die Muskovite auf Flügel treffen und die Erinnerung zur Realität wird, findest du deine Memorien wieder'", er beendete seine Erzählung, saß gemütlich auf meinem umgemachten Bett und sah mich aufgeregt an.
Ich hörte ziemlich viele Parallelen zu meinen eigenen Geschichten, zu meinem Traum, aber konnte das wirklich sein? Dass das alles in der Wirklichkeit Form annahm? Wieso hatte er und nicht ich die Nachricht bekommen? „Und?", fragte er mich plötzlich und ich sah von dem Punkt weg, den ich fixiert hatte und schüttelte kurz den Kopf. „Was?"
„Was denkst du von der Nachricht?"
„Oh, eh, ja.. Tae, ich muss etwas erledigen!"
„Jetzt? Um diese Uhrzeit? Es ist fast 7"
„Ja, wir sehen uns.. wann anders"
Ich riss mich von meinem ledernen Schreibtischstuhl hoch und packte eine meiner Bauchtaschen mit ein paar nützlichen Sachen. Meine Beine trugen mich bis vor die Haustür, wo ich nach einem Feuerzeug griff, "Außerdem bin ich kein Kind mehr", rief und dann schaltete sich mein Verstand wieder ein. Tief in meinen Gedanken wusste ich, wo ich hin wollte, was die Nachricht mir vorgab, aber ich wollte es nicht ganz wahrhaben. Diese Nachricht konnte zwei Dinge bedeuten. Kwon Jiyongs Residenz oder die Psychiatrie (Meine Schule), wobei ich mich in den Gedenken an Kwon Jiyong wesentlich wohler und geborgener fühlte, als daran zu denken, was in der Anstalt alles passiert war. Aber was würde mir mehr Antworten liefern? Es konnte ja nicht wirklich sein, dass mein Stiefvater etwas damit zu tun hatte. Ich musste mit meinem Unterbewusstsein die Menschen, die ich kannte, verwenden, vielleicht hatte mein Traum gar nichts mit der Realität zu tun? Aber was hatte Taehyung mit dem ganzen zu tun? Irgendetwas war da.. er hatte nicht ohne Grund diese Nachricht bekommen, er wusste mehr als er herausfinden könnte.
In der Schule konnte schlecht etwas sein, dort konnte ich weder rein noch konnte dort jemand sein, der mir mehr sagen konnte als ich suchte. Ich konnte mir denken, dass hier irgendetwas falsch lief. Nicht nur mein Traum war komisch. Ich kam zu dem Schluss, dass doch irgendetwas sein musste, etwas übernatürliches vielleicht? Vielleicht war irgendein Mafioso hinter mir her. Oder gleich mehrere Leute. Aber was konnte ich schon besonderes sein? Was hätte so wichtig an mir oder meiner Familie sein? Waren wir vielleicht eigentlich in einer Sekte? Oder selber irgendwelche Mafia-angehörigen? Waren wir überhaupt Koreaner? Waren wir vielleicht wieder in einem Traum?
Wow, stellte ich mir gerade wirklich existenzielle Fragen auf dem Weg zu meiner Psychiatrie?
Schule, meinte ich.
Im Endeffekt hatte ich mich nämlich dazu entschieden zur Schule zu gehen. Dort fing alles an, dort hatte ich die Flügel zum ersten Mal gesehen. Wahrscheinlich gab es bestimmt irgendwelche Höfe unseres Hausmeisters, die so versteckt waren, wie es der in meinem Traum war.
Ich stand vor dem Gebäude, suchte mit meinen Blicken nach irgendwelchen Menschen, aber dort war niemand. Kurz sah ich hoch, in der Hoffnung ein brennendes Licht zu sehen, aber es war zu hell. Niemand würde jetzt ein Licht anschalten. Wie sollte ich rein kommen?
Ich entschied mich für das Suchen nach einer offenen Tür. Wenn die Leute dort wirklich etwas von mir wollten und auf meine Ankunft warteten, sollten sie es mir nicht allzu schwer machen. Wahrscheinlich war ich nur paranoid, dort war bestimmt niemand, aber ich wollte nur sicher gehen. Ein bisschen wünschte ich es mir schon noch, dass etwas spannendes passieren würde, etwas, was mich zu mehr Klarheit in meinem Traum führen würde. Vielleicht war der Weg wie ich dachte nicht ganz nachvollziehbar, aber ich suchte nach mehr Adrenalin.
Nachdem ich aufgewacht war, war es natürlich aufregend für mich, mein Leben kennen lernen zu können, aber im Endeffekt war der Traum meine Realität, die mir mehr Sicherheit bot, als mein jetziges Leben. Und jetzt wo es diese Hinweise gab..
Wollte ich nicht aufhören, nur weil ich wach war.
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