36 | Der Antagonist [S]
Hallo ihr Lieben,
Weil ich gerade tausend andere Dinge dringender machen müsste, schreibe ich natürlich lieber diesen Blogeintrag. Zu meiner Verteidigung: Dieses Thema steht schon seit Ewigkeiten auf meiner Liste und endlich werden wir uns auch wirklich damit befassen.
Was ist ein Antagonist?
Ich glaube, uns ist allen klar, was man unter einem Antagonisten versteht. So gut wie jede Geschichte hat zumindest einen Antagonisten zu bieten. Wenn ich euch die gängigen Bücher nenne, dann werdet ihr mir sicherlich in Sekunden sagen können, wer der Gegner unserer geliebten Helden ist.
Harry Potter dient mit Voldemort, aber auch im weiteren Sinne mit den Todessern oder Professor Umbridge. Über Teile des Buches könnte man selbst Professor Snape als Antagonist zählen.
Da sieht man auch direkt einen überaus wichtigen Punkt: Ein Antagonist muss nicht zwingend der Antagonist bleiben, es reicht, wenn man die Leser davon überzeugt, dass diese entgegen des Helden handeln.
Bei den Tributen von Panem ist es beispielsweise Präsident Snow, der jährlich 24 Kinder in die Arena schickt, damit diese sich gegenseitig umbringen. Aber auf weitere Weise auch einfach das Kapitol und die Gesellschaft an sich.
Womit wir bei einem weiteren wichtigen Punkt wären:
Meiner Meinung nach muss ein Antagonist nicht immer unbedingt ein Mensch sein. Es eignen sich auch Krankheiten, ganze Gesellschaften oder eine unerfüllbare Aufgabe im weiteren Sinne als Gegenspieler. Darüber kann man sicherlich seitenlang diskutieren, sicherlich werdet ihr mir hier nicht alle zustimmen, aber auch das ist das Spannende an diesem Blog. Wir haben alle unterschiedliche Ansichten.
Wenn wir an Antagonisten denken, dann fallen uns sicherlich allen erst einmal vor allem Fantasybücher, Actionbände oder Dystopien sowie Abenteuergeschichten ein. Aber wenn wir ehrlich sind, kann doch durchaus in jedem Genre ein Antagonist auftauchen.
Sei es in Liebesgeschichten wenn jemand weiteres mit dem Liebhaber verwickelt ist oder in einem Jugendbuch die böse Mutter, die gegen die Beziehung spielt. Außerdem kann auch einfach der Liebhaber selbst der Antagonist sein, wenn ein Konflikt entsteht und eure Hauptpersonen unterschiedlicher Meinung sind.
Bei Schneewitchen ist es sicherlich die Königin, die wir alle kennen, womit durchaus auch gerade in Märchen Antagonisten eingesetzt werden.
Aber auch bei The Fault in Our Stars (deutsch: Das Schicksal ist ein böser Verräter) kann ich nach meiner Auffassung einen Antagonisten finden, in diesem Fall der Krebs, gegen den die beiden Hauptpersonen ankämpfen müssen.
Ebenfalls kann eine innere Zerissenheit, also eine Uneinigkeit im Hauptcharakter selbst, als Antagonist dienen. Das kann beispielsweise der Stolz einer Person sein oder eine schlechte Eigenschaft, zum Beispiel, das ein Charakter keine Entscheidungen treffen kann oder sich ohne Nachdenken in Gefahrensituationen stürzt.
Wie weit oder eng man die Definition des Antagonisten auch fasst, eins ist sicher: Der Großteil der Bücher bedient sich einem Gegenspieler. Eigentlich klar, denn Bücher entstehen durch Konflikte und wie kann man besser Konflikte erzeugen als mit Antagonisten?
Was unterscheidet einen guten Antagonisten aber nun von einem schlechten?
Es gibt hier sicherlich tausend Punkte, von denen ich im Folgenden einige diskutieren werde
Wichtig ist mir jedoch vor allem eines: Ein guter Antagonist muss dem Leser dennoch greifbar erscheinen.
Antagonisten sind (im engeren Sinne) immer Personen. Sie haben Gefühle, sie haben Ziele und sie haben Motivationen. Sie träumen genauso wie unsere Helden, haben Eigenschaften und wollen etwas erreichen. Zwar nicht das, was die Leser wollen, aber sie sind dennoch menschlich.
1. Ein Antagonist muss nicht immer durchgehend schlecht sein.
Gerade Gegenspieler mit einigen Grauzonen oder wenigen Eigenschaften, die die Leser auch teilen, können eine Geschichte sehr viel spannender machen. Wenn man Teile seiner Motivation nachvollziehen kann, werden die Leser viel mehr gefesselt. Die Leser müssen der Perspektive des Antagonisten nicht zustimmen, aber sie müssen sie doch verstehen können.
Was im Gegenzug bedeutet: ihr müsst euch als Autor in den Antagonisten hereindenken können. Ihr müsst ihn verstehen, ihn fühlen und eure eigenen Ansichten ausblenden. Aus seiner Sicht muss seine Mission einen Sinn ergeben, er muss schlüssig sein und das Ziel muss in den Augen des Antagonisten gerechtfertigt sein. Erst wenn ihr ihn durchschaut, könnt ihr ihn auch auf ordentliche Weise in eure Geschichte einbringen. Ein Antagonist muss zwingend ebenfalls authentisch wirken.
2. Ein Antagonist braucht Ziele. Ihr als Autor müsst diese Ziele kennen.
Ihr müsst sein Leben kennen, seine Ziele, seine Träume. Ihr braucht eine Motivation, die der Antagonist verfolgen kann. Ihr müsst wissen, wieso genau er seine Eigenschaften besitzt und wieso er seine Denkweise verfolgt. Tut ihr das nicht, werdet ihr in den meisten Fällen gnadenlos scheitern.
3. Habe ich vorhin noch gesagt, dass ein Antagonist nicht immer menschlich sein muss? Dem stimme ich immer noch zu, aber noch besser ist es, wenn dieser nicht menschliche Gegenspieler in einer Person verewigt wird.
Bei den Tributen von Panem ist die Gesellschaftsstruktur der eigentliche Gegner. Aber um ein menschliches Feindbild zu haben, hat Suzanne Collins den Präsidenten dieser Gesellschaft erschaffen, der all dieselben Werte widerspiegelt und daran glaubt.
Wenn ihr also eine Dystopie schreibt, macht es durchaus meistens Sinn, mindestens eine mächtige Person zusätzlich als Feindbild niederzulegen.
Wenn euer Antagonist eine religiöse Sekte ist, dann bestimmt einen Anführer, den die Leser vor Augen haben können.
4. Lasst eure Antagonisten menschlich erscheinen.
Verpasst ihnen Probleme. Das ist erst einmal einfach gesagt, aber wahrscheinlich einer der schwierigsten Punkte, denn es ist eine schmale Gradwanderung zwischen Authentizität und Komödie. Euer Antagonist darf sich vor etwas fürchten (zB. vor Dunkelheit, davor alleine zu sein), aber ihr solltet vielleicht lieber darauf verzichten, ihm die Eigenart zu verpassen, nie ein gleiches Sockenpaar zu tragen. Das mag ebenfalls einen Grund haben, macht ihn in den Augen der Leser jedoch eher lächerlich und damit weniger fürchterlich.
5. Gebt eurem Antagonisten Schwächen.
Übermächtige Gegner sind langweilig und unglaubwürdig. Jeder einzelne von uns hat Schwächen und erst das lässt einen Antagonisten authentisch wirken. Außerdem gewinnt in den meisten Büchern unser Held, oder nicht? Das kann er bloß tun, wenn der Antagonist ebenfalls nicht ohne Schwächen da steht. Ansonsten würde dieser immer gewinnen oder die Geschichte unglaubwürdig werden.
6. Ein Antagonist darf sich entwickeln.
Genau wie unsere Hauptpersonen darf der Antagonist natürlich eine Charakterentwicklung durchmachen. Das ist keinesfalls verboten und macht ihn in vielen Fällen umso glaubhafter. Lasst ihn von seinen Fehlern lernen, seine Ziele ändern. In manchen Fällen kann er sich sogar durch bestimmte Ereignisse so verändern, dass er die Seite wechselt.
7. Lasst den Antagonisten gewinnen.
Nicht zwingend am Ende, aber kleine Siege solltet ihr ihm doch eingestehen, damit die Geschichte glaubhaft wirkt. Nicht jeder gewinnt immer, nicht jeder verliert immer. Lasst ihn Schlachten gewinnen, Argumente gewinnen und euren Held in bestimmten Situationen ausstechen. Eine Geschichte ist ein Wechselspiel von Aktion und Gegenaktion. Der Konflikt muss leben und man muss als Leser spüren, dass der Held die Welt nicht ohnehin rettet. Erst das hilft dabei, dass man als Leser mitbangt und in die Geschichte hineingezogen wird.
Ein Beispiel ist hier zum Beispiel Six of Crows (deutsch: Das Lied der Krähen): Die Hauptcharaktere entwickeln einen Einbruchsplan und dennoch geht andauernd alles schief. Dadurch fürchten sich die Leser um die Teilnehmer.
8. Ein Antagonist muss nicht immer zwingend das Böse selbst sein.
Es eignet sich jeder, der einen Konflikt mit dem Hauptcharakter hat. Selbst die Omi am Fenster, die einen Schreibzettel verteilt, wenn der Hauptcharakter falsch parkt und danach mit ihren Enkeln Weihnachtsplätzchen backt.
9. Show don't tell
Es reicht nicht einfach, wenn ihr erwähnt, dass der Antagonist der Böse ist. Das müsst ihr an Handlungen und bestimmten Beispielen festmachen. Umso besser ist es, wenn dies nicht bloß durch Erzählung geschieht, sondern die Leser den Antagonisten in Aktion erleben.
Beschreibt ruhig wie er jemandem foltert und lasst den Leser die Schmerzen des Opfers sehen.
10. Euer Antagonist darf keinesfalls nervig wirken.
Wenn er das tut, werden die Leser ihn nicht mehr ernst nehmen.
Bestes Beispiel ist wahrscheinlich hier Umbridge aus Harry Potter, die alle einfach bloß lächerlich und deswegen sehr viel weniger böse fanden.
Folgendes müsst ihr beim Schreiben immer bedenken:
Der Antagonist ist der Held seiner eigenen Geschichte.
Wie immer ein paar Fragen:
1. Muss ein Antagonist eurer Meinung nach immer zwingend ein Mensch sein?
2. Sucht euch eine eurer Geschichten aus. Habt ihr einen Antagonisten in ihr? Welchen?
3. Tut ihr euch leicht damit, eure Antagonisten zu entwickeln?
4. Müssen Antagonisten eurer Meinung nach genauso gut ausgearbeitet werden wie euer Held?
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