32 | Plot driven vs character driven [S]
Hallo ihr Lieben,
Es wird Zeit zu einer weiteren Diskussionsrunde. Dieses Mal zu einem Thema, das mich schon seit längerem beschäftigt, weil ich herausgefunden habe, dass es mir sehr viel leichter fällt, Charaktere zu entwickeln als den Plot des Buches selbst.
Heute wird sich der Blogeintrag deswegen um charakterfokussierte (character driven) und plotfokussierte (plot-driven) Geschichten drehen, von denen ihr jeweils einige kennt. Das verspreche ich euch, selbst wenn manche von euch mit der Unterteilung nun noch nicht ganz so viel anfangen könnt.
In Ermangelung wirklich deutscher Übersetzung werde ich im folgenden Text übrigens die geläufigen englischen Begriffe characer-driven und plot-driven verwenden, weil sie mir einfach passender erscheinen. Denn zwischen fokussieren und lenken liegt in meinen Augen dann doch ein sehr großer Unterschied.
Vielleicht habt ihr euch auch schon einmal darüber Gedanken gemacht, ob ihr eine plot-driven oder eine character-driven Geschichte schreiben wollt.
Vielleicht tut ihr das vor dem Anfang eines neuen Buchs auch überhaupt nicht. Dann kann ich euch jedoch versichern, dass ihr unbewusst dennoch eine Entscheidung zwischen den beiden Möglichkeiten trefft.
Doch beginnen wir erst einmal damit, wie genau man die beiden Storytelling-Formen überhaupt unterscheidet und definiert.
1. Character-driven
Diese Arten von Geschichten fokussieren sich auf die inneren Konflikte eines Characters. Seine Gefühlswelt und Emotionen nehmen einen großen Teil des Buches ein. Selbiges gilt für die Charakterentwicklung, die in diesen Geschichten stärker thematisiert wird als äußere Umstände.
Character-driven Geschichten werden vom Innenleben eurer Figuren gelenkt. Der Leser bekommt sehr viele Informationen über die Gefühle und wird von diesen aus über die Handlungen des Charakters nachdenken.
Die Emotionen des Charakters sind es bei dieser Art, die seine Entscheidungen und damit auch die Handlung des Buches bestimmen.
Der Fokus wird oft auch auf Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Personen gesetzt, wobei diese sowohl als Liebende als auch als bloße Freunde die Hauptaufmerksamkeit einnehmen können.
Wir merken also bereits, dass die Gefühlswelt und inneren Konflikte sehr im Vordergrund stehen. Handlungen werde bei dieser Geschichtsform meistens dazu genutzt, um die Charaktere und ihre Denkweise weiterzuentwickeln. Es sind die Charaktere selbst, die den Plot nach vorne puschen.
Deswegen ist es gerade bei character-driven Geschichten umso wichtiger, dass ihr besonders authentische Charaktere habt und genug über sie wisst. Ihr müsst wie sie denken und fühlen, sie blind verstehen können.
Wenn ich euch frage, wie der Charakter in einer bestimmten Situation handeln wird, dann müsst ihr aus seiner Sicht antworten können ohne nachzudenken und eure eigenen Präferenzen außer Acht lassen. Ihr müsst die Charaktere atmen und ihre Denkweisen übernehmen.
Natürlich interagieren die Charaktere auch bei dieser Form mit ihrer Umwelt und Handlung muss ebenfalls passieren, weil die Geschichte sonst nicht nach vorne kommt.
Wenn ihr also überhaupt keine Ideen für eine Handlung, aber perfekt ausgearbeitete Charaktere (und damit meine ich mit perfekt keine fehlerlosen Charaktere) in eurem Kopf habt, dann fragt euch, was das Schlimmste ist, was der Geschichte und dem Charakter passieren kann. Wenn ihr eine Antwort findet, dann schreibt genau das.
2. Plot-driven
Plot-driven Geschichten sind die, bei denen die Handlung im Fokus steht und nicht der Charakter selbst. Externe Konflikte werden thematisiert, genauso wie Events und Situationen, die die Geschichte nach vorne treiben. Oft wird das als Kampf gegen einen Antagonisten passieren, wobei der Antagonist sowohl als Person oder aber auch ganze Gesellschaft gesehen werden kann.
Der Plot ist hierbei sehr viel wichtiger als die Charaktere selbst.
Meistens werden die Charaktere durch die äußerliche Handlung gezwungen, Entscheidungen zu treffen und ihre Charakterentwicklung läuft durch den äußerlichen Zwang und Druck sehr viel schneller ab als unter normalen Umständen. Oft passiert er nicht bloß freiwillig, sondern als Reaktion auf die externen Umstände.
Der Charakter wird dann auf die Handlung angepasst, nicht anders herum. Die Handlung lenkt den Charakter.
Beispiele für plot-driven Geschichten sind die Tribute von Panem oder auch Harry Potter, wo jeweils die äußeren Umstände sehr präsent und allgegenwärtig sind.
Bei Harry Potter begegnet Harry Voldemort ebenfalls durch Zwang, er hat keine Wahl, weil letzter auf der Suche nach Harry ist und nach seinem Leben trachtet. Harry muss sich dem Kampf stellen, ihm bleibt keine wirkliche Wahl und alleine durch diesen Gedanken entwickelt er sich sehr viel schneller als normale Zwölfjährige es tun würden. Das lässt sich auch prima auf die weiteren Harry Potter Bücher anwenden, denn nicht viele Personen müssen mit siebzehn um ihr Leben kämpfen und so viel Verantwortung übernehmen. Hätte es Voldemort nicht gegeben, dann wären Harrys Eltern wahrscheinlich noch am Leben, er wäre ganz woanders aufgewachsen und sehr viel langsamer erwachsen geworden. Ihr seht also, dass der Plot einen großen Einfluss auf den Charakter hatte und deshalb auch im Vordergrund steht.
Auch Harry Potter hat natürlich Gefühle und eine interne Motivation, das macht jedoch nicht den Hauptteil der Bücher aus, sondern eben der Kampf gegen Voldemort. Wir lesen keine seitenlangen Monologe über Harrys innere Gefühlswelt, seine Liebesgeschichten werden nur kurz angerissen und vielmehr wird sich auf die externe Handlung konzentriert.
Bei Panem wird Katniss Name gezogen, worauf sie keinen Einfluss hat, und daraufhin hat sie keine andere Wahl, als in die Hungerspiele zu gehen. Dadurch entwickelt sie sich sehr viel schneller weiter, weil sie ansonsten nicht überleben würde. Erst dadurch wird sie gänzlich zu dem Mädchen, das in Flammen steht. Hätten die äußeren Umstände sie nicht in diese Situation geworfen, hätte ihr Charakter sich auch ganz anders entwickeln können. Das gleiche gilt letztendlich ebenfalls für ihre Wahl zwischen Gale und Peter, auf die die äußeren Umstände (die Hungerspiele und der Krieg) auch deutlichen Einfluss nehmen.
Katniss Everdeen wäre wahrscheinlich einfach ein normales Mädchen, wenn die Hungerspiele nicht existieren würden. Die ganze Geschichte, ihr ganzer Charakter würde sich ändern, wenn der Plot nicht mehr existiert. Bei character-driven Geschichten ändern sich die Charaktere nicht in diesem Maße, wenn sich die Handlung ändert. Wenn Hazel und Gus bei The Fault in Our Stars nicht nach Amsterdam gereist wären, dann wäre Hazels Persönlichkeit dennoch größtenteils dieselbe geblieben. Sie hätte sich durch die Umstände auch verändert, aber nicht in dem Maße wie Katniss, die durch die Arenakämpfe gezwungen wurde sehr viel härter und berechnender zu werden.
Ich wage einfach einmal die gewagte These, dass Liebesromane und Jugendbücher im Romantik Bereich meist eher charakterfokussiert sind, während Actionbücher, Fantasieromane, Krimis und Thriller eher plot-driven sind. Prüft das ruhig auch einmal bei euren eigenen Geschichten, bei mir kommt diese Theorie so gut wie immer hin.
Jedoch gibt es natürlich auch jede der beiden Storytelling-Arten in jedem Genre. Manche bloß seltener oder häufiger. Der Hobbit ist beispielsweise definitiv ein Abenteuerbuch, verfolgt aber dennoch den character-driven Ansatz, weil sich das Buch sehr auf Bilbo und seine Charakterentwicklung konzentriert (Das habe ich mir zumindest sagen lassen. Falls das falsch ist, dann korrigiert mich bitte, denn ich habe das Buch nie gelesen – shame on me).
Übrigens: Nur weil ihr als Autor beispielsweise character-driven Geschichten präferiert, könnt ihr als Leser doch durchaus eine Präferenz für plot-driven Stories haben.
Welche der beiden Versionen nutze ich als Autor?
Viele von uns präferieren unbewusst entweder Charakter oder Plot. Einigen von uns fällt es leichter authentische Charaktere zu entwickeln und lieben es sich auf die Charakter Entwicklung zu konzentrieren. Diejenigen von uns haben direkt ein genaues Charakterbild und finden oft sehr viel schneller den Zugang zu dem Charakter selbst, als zu der eigentlichen Handlung der Geschichte.
Andere mögen es viel mehr, actionreiche und viele Plottwists zu schreiben. Sie haben die ganze Haupthandlung der Geschichte, die wichtigsten Szenen vor dem Schreiben vor Augen, bevor sie überhaupt einen Charakter entwickelt haben.
Das eine schließt das andere nicht aus und sollte das auch keineswegs tun. Gute charakter-driven Geschichten haben dennoch wunderbare Handlung, plot-driven Geschichten im besten Fall auch authentische und gut entwickelte Charaktere.
Wenn ihr nun herausfinden wollt, welche der beiden Arten ihr bevorzugt, dann stellt euch einfach einmal folgende Frage: Was gibt es bei euch zuerst - die ganze Handlung und Plottwist oder ein Bild eines Charakters mit Eigenschaften vor euren Augen? Meistens beantwortet das alleine schon die Frage, welche der beiden Schreibformen ihr unbewusst bevorzugt.
Dabei meine ich übrigens nicht die Grundidee der Geschichte an sich, sondern wirklich eine nähere Plotentwicklung.
Hier noch einmal der Unterschied zur Verdeutlichung:
Idee: Der Ritter versagt im Kampf.
Plot dazu: Der Ritter versagt im Kampf, weil er sieht wie seine Liebst hinterrücks ermordert wird und er vor Trauer nicht mehr klar denken kann.
Ein Plot braucht immer einen Grund, eine Folge oder eine emotionale Situation, die eine Reaktion oder Aktion hervorruft.
Auch ich habe mich einmal gefragt, ob ich character-driven oder plot-driven bevorzuge und habe die Fragestellung auf meine Bücher angewendet.
Bei mir gab es bei Millionenschwer anfangs beispielsweise nur die Idee, dass ein Mädchen mit schwieriger Vergangenheit, und Niall, der vom Weg abkommt, aufeinander treffen. Ich hatte die Charaktere und keine genaue Handlung geschweige denn einen Handlungsort. Eindeutig character-driven also.
Bei Promise wusste ich bloß, dass Harry den Entschluss fasst, seine Versprechen wieder gut zu machen. Die Grundidee stand, aber ich wusste nicht, welche Versprechen es genau sein werden oder welche Handlung stattfinden wird. Aber ich hatte seinen Charakter und seine Fehler, seine Stärken und Schwächen vor Augen.
Beide Male also erst den Charakter, dann die Handlung.
Ich persönlich habe festgestellt, dass meine Geschichten in den meisten Fällen character-driven sind. Die Charaktere sind mir wichtiger als die Handlung selbst, was auch dran liegen könnte, dass ich persönlich der Meinung bin, dass ganze Bücher mit schlechten Charakteren fallen und durch gute so viel besser werden. Meine persönliche Präferenz zeigt sich auch in meinen Geschichten.
Dabei sind diese von der Handlung her hoffentlich nicht langweilig, aber gerade in Jugendbüchern und im Genre Romantik, wo ich häufig unterwegs bin, muss nicht ein Haus nach dem anderen explodieren.
Die wenigen Ausnahmen sind die Fantasy und Dystopie-Geschichten, die ich geschrieben habe oder plane. Da bin ich sehr viel mehr auf die Handlung fokussiert, wobei ich persönlich auch dort sehr authentische Charaktere brauche, bevor ich mir der Handlung überhaupt starten kann.
Das bedeutet jedoch nicht, dass der Plot unwichtig ist. Im Gegenteil: ein noch so gut entwickelter Charakter kann all seine Besonderheit gar nicht zeigen, wenn keine ordentliche Handlung folgt.
Was ist also nun besser?
Darauf gibt es gar keine Antwort und gleichzeitig doch auch die einfachste überhaupt: Es gibt hier kein besser oder schlechter. Es kommt auf das Buch an, euer Ziel, eure Präferenz und die Geschichte, die ihr erzählen wollt
Auch Action-Geschichten lassen sich mit character-driven Plots schreiben, auch wenn das unüblicher ist. Anders herum gilt es genauso. Ihr wollt eine Liebesgeschichte schreiben, die vom Plot geleitet wird? Viel Spaß dabei, das kann durchaus hervorragend gelingen.
Das ist doch das tolle am Schreiben, es ist alles erlaubt.
Zu wissen, welcher der beiden Varianten ihr bevorzugt, kann jedoch erheblich dabei helfen, euch auf die Seite zu konzentrieren, die euch (wenn auch nur unbewusst) schwerer fällt.
Wisst ihr nun, dass ihr character-driven Stories zu schreiben liebt, dann versucht auch die Handlung nicht zu kurz kommen zu lassen und achtet darauf.
Anders herum genauso: Wenn ihr plot-driven Geschichten als Autor liebt, damm entwickelt eure Charaktere dennoch so gut wie möglich und nutzt alle Hilfe, die ihr dabei haben könnt, wenn es euch schwer fällt. Zu empfehlen sind Steckbriefe (aber bitte nur die guten, denn manche Infos braucht man gar nicht – weniger wie im Freundebuch, sondern mehr auf Träume, Ziele, Eigenschaften, Stärken und Schwächen, Ticks und Neigungen fokussiert).
Jedem von uns wird sicherlich eine der beiden Varianten schwerer fallen, doch das ist keine Ausrede, den Plot oder die Charakterentwicklung völlig unbeachtet zu lassen.
Ich plane momentan beispielsweise eine Dystopie und während ich bereits seit Jahren schreibe, ist mir noch nie etwas so schwer gefallen wie dieses Buch. Aus dem einfachen Grund, dass die Handlung und Plot sehr viel mehr zählt als in den Geschichten, die ich normalerweise schreibe. Ich wusste anfangs nicht einmal wieso, bis ich eben darauf gestoßen bin, dass ich ein typischer character-driven Autor bin. Diese fremde Dystopiewelt zu entwickeln, ihre ganzen Gesetze und Eigenarten, ihre Gesellschaft, Religion und alles was dazu gehört, ist eine große Herausforderung (darüber werde ich wahrscheinlich auch irgendwann ein Kapitel schreiben). Doch noch viel wichtiger ist die Handlung an sich, denn sie soll ja nicht vorhersehbar sein und weil ich weiß dass dort meine Schwäche liegt, kann ich mich nun besser darauf konzentrieren. Ich recherchiere bewusst danach und habe mir ein seperates Blatt eingerichtet, in dem ich die Welt aufzeichne, ihre Gesetze aufschreibe und auch die Handlung grob skizziere. Ich setze mich bewusst mit dem Gedanken auseinander, was den Leser am meisten schocken würde und versuche auch, Fehler in die Handlung einzubauen. Nicht immer ist es gut, wenn alles glatt läuft.
Alle Autoren wissen, dass sie einen Style bevorzugen. Die guten versuchen dennoch, eine Balance zwischen Plot und Charakter zu entwickeln. Denn eine Geschichte nur mit Charakteren ohne Handlung oder eine Geschichte bloß mit Handlung ohne authentische Charaktere wird nicht funktionieren, das verspreche ich euch. Das wirkt sich indirekt auch auf Tempo, Schreibstil und Empfinden der Leser gegenüber den Charakteren aus.
Nur weil ihr euch auf eines konzentriert, wird das andere nicht weniger wichtig! Deswegen bitte ich euch wirklich, euch auch auf eure schwächere Seite zu konzentrieren. Denn nur mit Charakter und Plot wird euch letztendlich ein gutes Buch gelingen können.
1. Was bevorzugt ihr beim Lesen? Character-driven oder Plot-driven?
2. Was bevorzugt ihr beim schreiben? Character-driven oder Plot-driven?
3. Fallen euch Bücher ein, die character-driven sind?
4. Fallen euch Bücher ein, die plot-driven sind?
5. Irgendwelche Themenwünsche, die euch noch interessieren würden?
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