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,,Du gehörst nicht hierher!''

Sofern er nicht von unerfreulichen Gedanken an den nahe bevorstehenden Montag vermiest wird, ist der Sonntag für viele Menschen ein sehr entspannter Tag, an dem sie ausschlafen und anschließend einer beliebigen Freizeitbeschäftigung nachgehen oder auch einfach mal gar nichts tun können.

Für Simon Vogt war von der allgemeinen Zwanglosigkeit des gerade erst anbrechenden Tages jedoch wenig zu spüren. Wie alle anderen Insassen der JVA Köln war er auch an diesem Wochentag früh geweckt worden und würde den größten Teil der nun folgenden Stunden auf den wenigen Quadratmetern eines karg eingerichteten Haftraumes verbringen.

Man musste kein herausragender Menschenkenner sein um zu erraten, dass es dem jungen Mann im Moment nicht besonders gut ging. Zusammengekauert saß er am Kopfende seines eisernen Bettgestells und klammerte sich an eine Tasse des chemisch-süßlich schmeckenden, aber zumindest warmen Tees, den die Anstalt jeden Morgen verteilte. Die langen, blondierten Haare hingen wirr in sein Gesicht und verdeckten nur teilweise die Augenringe sowie die krustigen Rückstände, die die Tränen der Nacht auf seinen bleichen Wangen hinterlassen hatten.

Peter Schuster betrachtete seinen Zellenkameraden nachdenklich, während er sich genussvoll sein spartanisches Frühstück einverleibte. Eigentlich hätte es ihm nur recht sein können, dass Vampire-Simi ihm erneut seine Ration abgetreten hatte. Die vorgeschriebene tägliche Kalorienzahl war unabhängig von Gewicht, Alter und körperlicher Aktivität für jeden Gefangenen gleich und reichte kaum aus, um einen großen, stämmigen Mann wie ihn ausreichend satt zu machen. Ein hagerer Bursche wie Simon würde sicherlich mit weniger Energie auskommen, aber ganz ohne ging es dann ja doch nicht. Peter fragte sich, ob er Simon zum Essen zwingen sollte, wenn dieser später auch das Mittagessen ausschlagen sollte, wie er ihn am vorigen Tag auch zum Duschen geschickt hatte.

Für Simon war es eine grauenhafte Vorstellung gewesen, den eigenen, halbwegs sicher scheinenden Haftraum zu verlassen und sich in einer Gemeinschaftsdusche zu entkleiden, die auch von Gewalttätern, Mördern und Vergewaltigern benutzt wurde. Trotzdem hatte er sich schließlich gefügt, denn Peter war zornig geworden und hatte ihm mit seiner lauten Stimme Angst eingejagt. Etwas wirklich Schlimmes war nicht geschehen, aber er hatte ein paar unangenehme Blicke kassiert, das Wasser war zu kalt gewesen und der Boden so widerlich, dass er sich zurück in der Zelle voller Ekel die Fußsohlen im Waschbecken abgeschrubbt hatte, um keinen Fußpilz zu bekommen.

Simon zog die Nase hoch. Die Situation erschien ihm hoffnungslos. Fast eine Woche war er nun schon eingesperrt und er hatte das Gefühl, dass man ihn hier vergessen hatte. In den ersten Tagen war viel losgewesen: Man hatte ihm einem Haftrichter vorgeführt, seine Anwältin hatte ihn besucht, Taddl war gekommen und einmal waren auch Polizisten dagewesen, die Fragen gestellt hatten über Rainer Clebsch und Simons Flucht, wie sie die gescheiterte Fahrt zu seinen Eltern genannt hatten.

Seit Freitag aber herrschte nun absolute Funkstille, niemand schien sich mehr für Simon zu interessieren. Keiner sagte ihm, wie es weitergehen oder wann überhaupt wieder irgendetwas passieren würde. Ihm blieb nur übrig zu warten. Wie lange und worauf wusste er nicht.

Die negativen Gedanken und Angstgefühle ergriffen erneut Besitz von Simon, wie es in den letzten Tagen häufig der Fall gewesen war. Ein unangenehmer Druck engte seinen Brustkorb ein und gestattete ihm nur noch flache Atemzüge zu tun, seine kraftlosen Arme schienen kaum noch in der Lage, die Tasse festzuhalten, und sein Herz schlug so schnell, als wäre er gerannt. Der kleine Haftraum schien ihn zu erdrücken, er wollte hinaus, wusste aber, dass die Stahltüre fest verschlossen war.

Vielleicht würde die Polizei ihm nie glauben, dass er nichts mit dem Mord zu tun hatte. Vielleicht würden sie den wahren Täter nicht finden. Vielleicht würden am Ende auch seine Familie und seine Freunde überzeugt sein, dass er ein schlechter Mensch war, und ihn im Stich lassen. Vielleicht würde man ihn vor Gericht bringen und schuldig sprechen. Vielleicht würde er für immer hier bleiben müssen!

Simon spürte, wie die Panik ihn zu übermannen drohte, aber er wollte sich nicht kampflos ergeben. Derartigen Zuständen war er schon lange nicht mehr hilflos ausgeliefert, er besaß Werkzeuge, um ihnen entgegentreten zu können. Tief holte er Luft und versuchte, seine beängstigende Gedankenwelt zu verlassen. Wie er es in der Therapie gelernt hatte, konzentrierte er sich zunächst auf fünf Dinge, die er sehen konnte: Da waren seine Haarspitzen, ungekämmt beschränkten sie sein Sichtfeld. Seine Fingernägel mit den unschönen Nagellackresten. Die beigefarbenen Ärmel seines ausgewaschenen Pullovers. Die weiße Tasse mit dem bräunlichen Tee in ihr. Der grauweiße Bettbezug.

Es kostete viel Kraft, die eigenen Gedanken aus ihren natürlichen Bahnen zu reißen, ihren organischen Fluss zu unterbrechen und sie in künstlich geschaffene Kanäle zu lenken. Doch Simon wusste, dass dies momentan seine einzige Chance war, dass ihm gerade niemand helfen konnte. Er musste es alleine schaffen. Er konnte nicht auf den Deus ex machina hoffen, keiner würde ihm die Hand reichen, niemand würde ihm auf halbem Weg entgegenkommen.

Derartige Gedankengänge vermochten es selbstverständlich nicht, das Gefühl der Verlassenheit zu mindern. Im Nu hatten die Ängste die Macht über Simons Bewusstsein zurückerobert. Verzweifelt kämpfte er dagegen an. Angestrengt und mit gläsernem Blick richtete er seine Gedanken erneut auf die fünf erstbesten Gegenstände in seinem Sichtfeld, ging sie nacheinander durch, benannte sie und verweilte eine Zeitlang auf den Begriffen. Weiter ging es mit vier Dingen, die er fühlen konnte. Bewusst spürte er die laue Restwärme der Keramiktasse an seinen Händen. Den groben Stoff der Anstaltskleidung auf seinem Oberkörper. Die metallenen Stangen des Bettgestells an seinem Rücken. Er schloss die Augen, atmete tief ein und aus und fühlte das Gewicht der geliehenen Gitarre auf seinen Füßen.

Simon spürte, wie die Methode langsam wirkte, sein Körper und der kleine Haftraum fühlten sich nicht mehr so unwirklich und fremd an. Dennoch brachte er die Übung zu Ende. Bewusst richtete er seine Aufmerksamkeit auf das Klappern, das Peter mit dem Besteck verursachte, auf die Geräusche aneinanderschlagenden Metalls auf dem Gang, wo wohl gerade eine Tür geschlossen wurde, und auf das leise Stimmengewirr, das durch die Wand aus dem angrenzenden Haftraum drang. Der allgegenwärtige Gestank nach kaltem Rauch sowie der süßliche Geruch und Geschmack des Gefängnistees waren nicht die angenehmsten Empfindungen, aber sie ließen Simon zumindest vorübergehend aus der negativen Gedankenspirale und den Angstgefühlen entkommen.

Als sich sein Herzschlag beruhigt hatte und die innere Anspannung der vertrauten, niederdrückenden Leere Platz gemacht hatte, schlich sich Simon auf die Toilette, sank kraftlos nieder und ließ die Tränen laufen. Er wusste nicht, wie lange er das noch durchstehen konnte.


Taddl konnte natürlich nicht wissen, wie miserabel sein Freund sich gerade fühlte, aber er hatte eine deutliche Ahnung. Wie so oft hatte er auch die vergangene Nacht vollständig an seinem Schreibtisch verbracht, allerdings war es diesmal nicht die Musik gewesen, die ihn wach gehalten hatte. Anstatt vielsilbiger Reimketten und geistreicher Vergleiche hatte er in den letzten Stunden ermutigende Worte gesucht, die nichtsdestotrotz der Wahrheit entsprachen, denn beschönigen wollen hatte er die Lage nicht.

Taddl hatte sich eingelesen und die nackten juristischen Tatsachen waren kaum geeignet, irgendjemandem Hoffnung zu machen. Eine Untersuchungshaft war in Deutschland theoretisch auf eine Dauer von sechs Monaten beschränkt, aber in der Praxis wurde diese Frist nicht gerade selten verlängert. Von wenigen Wochen bis zu mehreren Monaten oder sogar über zwei Jahren wäre alles drin, aber davon hatte Taddl seinem Freund selbstverständlich nichts geschrieben. Auch davon, dass Frau Sullivan einen Antrag auf Haftprüfung gestellt hatte, hatte er nicht berichtet, denn es war unwahrscheinlich, dass sie damit Erfolg haben würde. Der Tatverdacht war offensichtlich gegeben und die Fluchtgefahr würde man besonders nach Wavvys unüberlegter Aktion kaum glaubhaft abstreiten können. Laut der Anwältin würden für diesen Haftgrund oft schon eine hohe zu erwartende Haftstrafe, eine ausländische Staatsbürgerschaft oder in manchen Fällen sogar das Sprechen einer Fremdsprache genügen.

Nein, Taddl hatte sich dagegen entschieden, überhaupt ein Wort über die gesetzliche Lage oder eine mögliche, baldige Entlassung zu verlieren. Stattdessen hatte er Wavvy versichert, dass er und ebenso alle anderen ihn nicht vergessen hatten, dass sie ihn so oft wie möglich besuchen würden und dass einige Klamotten sowie vor allem die Gitarre schon auf dem Weg zu ihm waren. Taddl hatte seinem Freund klargemacht, dass er wertvoll war und geliebt wurde. Er hatte ihm geschrieben, dass er stolz auf ihn war, wie er durchhielt und nicht aufgab. Dass er ihn für einen wundervollen Menschen hielt und er sich glücklich schätzte, sein Freund sein zu dürfen.

Es war ein herzerwärmender Brief geworden, wie er nur den intensiven Gefühlen einer durchwachten Nacht entspringen konnte, die jegliche gesellschaftlich antrainierte Zurückhaltung in die Dunkelheit verbannte und freimütig das Herz sprechen ließ.

Nachdem er sich alles noch einmal durchgelesen hatte, steckte Taddl die mit zahlreichen kleinen Zeichnungen verzierten Blätter in den bereitliegenden Umschlag und klebte ihn zu. Die Marke platzierte er so, dass sie zum oberen und rechten Rand den gleichen Abstand hatte, und notierte darunter die Adresse in ordentlichen Druckbuchstaben.

Nachdenklich starrte er auf den nun fertigen Brief in seinen Händen, betrachtete die Anschrift des Gefängnisses, ohne sie wirklich wahrzunehmen. Eine leise Stimme regte sich in seinem Hinterkopf. Taddl kannte und fürchtete sie. Sie drang aus einem unzugänglichen Teil seines Bewusstseins, ließ ihn an seinen Überzeugungen zweifeln und rüttelte an seinem Selbstbild. Hinterhältig fragte sie, warum er diesen ganzen Aufwand überhaupt betrieb. Seit Wavvy verschwunden war, hatte er sich um so vieles selbst gekümmert, obwohl er die meisten Aufgaben problemlos einer von Kims Mitarbeiterinnen hätte anvertrauen können. Er hasste es doch, mit fremden Leuten zu telefonieren. Warum hatte er trotzdem unbedingt selbst einen Besuchstermin vereinbaren wollen? Warum war nur der große, gute Taddl höchstpersönlich geeignet gewesen, eine vertrauenswürdige Anwältin für Simon zu finden? Und warum musste es auch wieder er selbst sein, der das Wäschepaket zusammenstellte und abgab, der sich um die Katzen kümmerte und Briefe schrieb?

Wenn ihm eine andere Person diese Fragen gestellt hätte, hätte Taddl sofort einleuchtende Gründe für sein Handeln parat gehabt. Da es aber er selbst war, aus dem die Stimme sprach, konnte er sie nicht so leicht abwimmeln. Hatte er all dies wirklich aus reinem Herzen getan, allein aufgrund seiner Freundschaft zu Wavvy, um diesem in der Stunde der Not möglichst schnell und gut zu helfen? Oder ging es ihm doch viel mehr darum, nach außen als der glänzende Held dazustehen? Sich so zu verhalten, wie es seiner Meinung nach von ihm erwartet wurde, vom berühmten Taddl, dem Vorzeigeempathiker, dem guten Freund, dem strahlenden Vorbild, das keinen Funken Böses in sich trug? War er wirklich ein guter Mensch, oder tat er in Wirklichkeit nur so?

Taddl hatte ein feines Gespür dafür, was sozial erwünscht war, und war sehr gut darin, sich dementsprechend zu verhalten. Vielleicht lag der Ursprung dieses Verhaltensmusters schon in der Ausgrenzung, die er im Kindergarten erfahren hatte, wo er den bayerischen Dialekt der anderen Kinder nicht verstanden hatte. Auch die Scheidung seiner Eltern hatte vermutlich ihren Teil beigetragen. Und die bereits im Teenageralter begonnene YouTube-Karriere hatte es ganz sicher nicht besser gemacht. Wie viel kam wirklich aus ihm selbst und was tat er nur, um vor anderen gut dazustehen?

Eins wusste Taddl: Er war ein Meister darin, sich selbst etwas vorzugaukeln. Einen Moment lang war er sich nicht einmal mehr sicher, ob die Gefühle echt gewesen waren, die er vorhin beim Schreiben empfunden hatte.

,,Er ist mein Freund!", sagte Taddl plötzlich in den stillen Raum hinein und verscheuchte damit seine Selbstzweifel. ,,Sowas ist doch selbstverständlich!"

Es war halb acht, als Taddl mit Pipi eine schnelle Runde drehte und den Brief in einen gelben Briefkasten warf. Als er anschließend endlich schlafen ging, streckte bereits die Herbstsonne zaghaft ihre schwachen Strahlen nach dem sonntäglichen Köln aus, das allmählich zu einem gemächlichen Treiben erwachte.


Bis in die Büros der Kriminalinspektion war die Gemütlichkeit des anbrechenden Sonntages nicht vorgedrungen, denn hier wurde auch am Wochenende gearbeitet, besonders, wenn es um die Aufklärung eines Tötungsdeliktes ging. Kriminalkommissarin Stefanie Berg erledigte zusammen mit sieben weiteren Kolleginnen und Kollegen den Schreibtischteil ihrer Arbeit. Sie alle waren ein wenig müde und frustriert, denn die Tat lag nun schon zwei Wochen zurück und noch immer waren sie der Lösung nicht greifbar nahe, obwohl sie teilweise 16 Stunden am Tag daran arbeiteten. Gino Rainer Clebsch war ein überaus aktiver und engagierter Mensch gewesen, hatte viele Freunde und Bekannte gehabt und öffentlich eine starke Meinung vertreten, womit er sich eine Menge Feinde gemacht hatte. Die Ermittlungen waren daher äußerst umfangreich, immer wieder taten sich neue Spuren auf, weitere Menschen kamen als Verdächtige in Betracht und mussten befragt werden.

Die aktuell vielversprechendsten Entwicklungen hingen jedoch mit der Aussage des Kellners Jonas Abels zusammen, der am Freitag zugegeben hatte, einige der später am Tatort aufgetauchten Indizien zeitweilig in seinem Besitz gehabt zu haben. Allerdings hatte er ebenfalls behauptet, die Haare sowie das Feuerzeug in den Müll geworfen zu haben, nachdem man ihm sein seltsames Vorhaben ausgeredet hatte.

,,Diese Caroline Hafner hat also diese wirre Geschichte bestätigt?", unterbrach Stefanie Berg die allgemeine Stille im Raum, als sie das Wort an ihre Kollegin Renate richtete, die die Vernehmung am vorigen Tag durchgeführt hatte. Es ging natürlich aus dem Vernehmungsprotokoll hervor, aber Stefanie wollte gerne die Einschätzung Renates erfahren, wie glaubwürdig die Aussage der Zeugin gewesen war.

Die Angesprochene reagierte sofort: ,,Ja, klang sehr nachvollziehbar, wenn Sie mich fragen. Der Typ scheint nicht die hellste Kerze zu sein."

Stefanie schnaufte. Sie hätte es deutlich weniger diplomatisch ausgedrückt. Abels war einfach ein Idiot. Es war ihr unbegreiflich, wie jemand so wenig Fähigkeit zum logischen Denken besitzen konnte.

,,Meinen Sie, er hängt trotzdem irgendwie mit drin?" Renate schien es ganz recht zu sein, dass ihre Vorgesetzte ein Gespräch begonnen hatte und sie sich nun persönlich austauschen konnten, anstatt weiter nur durch die Akten zu scrollen, und auch die übrigen Beamten lösten ihre Blicke neugierig von den Bildschirmen.

Bevor Stefanie ihre Antwort abwägen konnte, ergriff ihr Kollege Alex das Wort: ,,Habt ihr schon die Aussage von dieser Studentin gelesen? Wenn ihr mich fragt: Da sollten wir reingehen!"

,,Nein, noch nicht. Lesen Sie mal vor!", forderte Stefanie auf.

Bereitwillig scrollte Alex ein Stück nach oben und begann: ,,Am 20. Oktober gegen 19 Uhr 50 fiel mir beim Feiern im Lokal ,Die blaue Auster' ein Mann auf, der in einem Mülleimer kramte. Er war etwa 40 Jahre alt, blond und sah nicht aus wie ein typischer Pfandflaschensammler. Er gab einen ‚creepy vibe' ab und hielt sich danach noch mindestens zwei Minuten im Lokal auf. Ich fühlte mich unwohl und schrieb einer Freundin auf Whats App. Den Chatverlauf habe ich offengelegt. Ich glaube den Mann in einem Instagram-Video erkannt zu haben."

Alex drehte sich mit seinem Stuhl und blickte aufgeregt in die Runde. ,,Der war's doch, und so sind die Sachen auch zur Leiche gekommen!"

,,Zeigen Sie mal das Video!", verlangte Stefanie. Sie sah durchaus Potential in dieser Spur, wollte die Euphorie ihres jüngeren Kollegen jedoch vorerst noch nicht teilen.

Kurze Zeit später drängten sich acht Polizisten um einen Computerbildschirm und schauten sich zuerst zwei vergrößerte, unscharfe Screenshots und dann mehrmals ein 17-sekündiges Video an. Hauptsächlich sah man feiernde Menschen etwa Anfang zwanzig, im Hintergrund aber tauchte für wenige Sekunden eine ältere Person mit hellblonden Haaren und schwarzer Jacke auf, die die ausgelassene Stimmung nicht zu teilen schien.

,,Da könnte durchaus was dran sein", stimmte Stefanie schließlich zu, ,,aber mit den Bildern können wir nicht viel anfangen. Gehen Sie mal die Verlinkungen durch, Alex, und schauen Sie, ob er vielleicht noch irgendwo auftaucht! Fabian, Sie klingeln diese Studentin aus dem Bett, wir brauchen bessere Fotos vom dem Typen. Die soll mal bei ihren Freunden rumfragen. Renate und Jakob, Sie beide bringen sich noch auf den neuesten Stand und dann fahren Sie nochmal in die ,Auster'! Zeigen Sie dem Wirt das Video, vielleicht kommt ja doch was dabei rum."


Was die Polizisten so angestrengt suchten, besaß der Reporter Joshua Repp längst, und er hütete es wie einen Schatz, denn es war seine Chance auf die Titelseite. Die Fotos von Frank Tharmann hatte er zwar aus einer großen Entfernung geschossen, aber er hatte sich dabei viel Zeit gelassen und sie waren wirklich gut geworden. Die Gesichtszüge des Mannes waren klar erkennbar, auch wenn die Bilder ihn alle nur von der Seite zeigten. Und außerdem waren die Abzüge, die Joshua am vorigen Tag noch kurz vor Ladenschluss in einem Drogeriemarkt gedruckt und nur mit Handschuhen berührt hatte, nur ein kleiner Teil seines Planes, der ihm weitere sensationelle Fotos und den verdienten Platz auf der ersten Seite der BILD-Zeitung einbringen würde.

Bevor er aber die Verhaftung Tharmanns herbeiführen würde, machte sich Joshua daran, in aller Ruhe seinen Artikel zu verfassen. Er ließ sich so viel Zeit, wie er es noch nie für eine einzelne Story getan hatte, und verbrachte allein eine komplette halbe Stunde damit, sich die bestmögliche Überschrift zu überlegen.

Als er schließlich zufrieden das Dokument schloss, wäre er damit am liebsten direkt zu seinem Redakteur Tilmann gerannt, aber er beherrschte sich. Die Ereignisse, über die er geschrieben hatte, mussten teilweise erst noch passieren, und Joshua wollte seinem Artikel die Krone aufsetzen, indem er ihn mit Fotos von Tharmanns Festnahme illustrierte.


Weder der Reporter noch die Kriminalpolizisten verschwendeten einen Gedanken des Mitleids an Simon Vogt, der - sofern die aktuellen Ermittlungen in die richtige Richtung gingen - unschuldig im Gefängnis saß. Dennoch sorgte sich jemand um sein Wohlergehen. Peter beobachtete Simon mit einem breiten Grinsen, als zur Zeit des Umschlusses plötzlich drei Männer in ihren Haftraum geführt wurden, von denen zwei eine Gitarre mitgebracht hatten. Der Beamte wünschte viel Spaß und sperrte die Tür ab, womit er die fünf Gefangenen für die nächsten drei Stunden ihrem Schicksal überließ.

Überrascht und auch ein wenig ängstlich beäugte Simon die Häftlinge, die ihn ebenfalls leicht skeptisch musterten. Der einzige, der keinen Hauch einer Verunsicherung zeigte und sich stattdessen riesig zu freuen schien, war Peter, der sich natürlich als Organisator dieser merkwürdigen Zusammenkunft entpuppte und sogleich begeistert die Vorstellung übernahm.

Es stellte sich heraus, dass es sich bei dem hageren Mann um denjenigen handelte, der von Peter den klangvollen Spitznamen ,,Klöten-Timmi" erhalten hatte und dem Simon sein Leihinstrument verdankte. Die anderen beiden waren der aus der Türkei stammende Ahmad sowie ein junger Italiener namens Federico, der kaum ein Wort deutsch verstand, dafür aber leidenschaftlich die Gitarre sprechen ließ.

Es dauerte nicht lang und Simon hatte seine anfänglichen Bedenken vergessen, ob er da vielleicht gerade dicht an dicht mit Menschen in einem Raum saß, die fürchterliche Verbrechen begangen hatten. Es fühlte sich fast ein bisschen an wie damals mit seiner alten Band Tax Free, als sie so zwanglos zusammen jammten.

Viel zu schnell war es 21 Uhr und damit Zeit für den Nachtverschluss. Ein ungewohnt wohlwollend dreinblickender Beamter öffnete mit wenigen Minuten Verspätung die Haftraumtür, kurz nachdem die behelfsmäßige Band einen Song von Green Day beendet hatte.

Als Timmi als Letzter den Raum verließ, wendete er sich noch einmal zu Simon um.

,,Du gehörst nicht hierher", sagte er.


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