now i'm ready to run ☼
Ein paar Mondphasen später...☾☼
"Ach Sun, was machst du denn auch wieder?"
Schmunzelnd betrachte ich Harry, der mir bedröppelt sein aufgeschürftes Knie hinhält. "Das brennt so doll..." jammert er und schnieft mir demonstrativ ins Ohr, als er sich theatralisch gegen meine Schulter fallen lässt. "Na komm, Mutti guckt sich das mal an." schmunzle ich. Murrend wie ein kleiner, bockiger Junge drückt er mit dem Finger auf meiner Schulter herum, als ich mich vor ihn knie. "Ich habe dir vorher gesagt, du tust dir nur weh, wenn du da hoch kletterst, aber auf mich hört ja wieder keiner."
"Du hast immer Recht, ich wollte dir nur beweisen, dass das so ist." schwört er. Ich sehe zu ihm hoch, als er leise zischt, während ich die kleine Wunde mit Desinfektionsspray reinige. "Man könnte meinen, du bist 4 und nicht 22." Er schiebt bockig seine Unterlippe vor. "...und du liebst mich trotzdem."
Vorsichtig klebe ich das Pflaster mit der dicken Hummel darauf über die abgeschürfte Haut, bevor ich den Kopf schüttle. "Nope." Er sieht mich traurig an. "Ich liebe dich nicht trotzdem, sondern genau deshalb, mein kleines, schmollenden Fröschchen." Ich küsse sanft sein geschundenes Knie, richte mich dann auf, schiebe seinen gelben Froschhut gerade und drücke ein weiteres Küsschen auf besagte Schmolllippen, werde im Nacken festgehalten und in eine Umarmung gezogen.
"Danke..." nuschelt er in meinen Nacken, beginnt zu kichern, als ich seinen mit Liebesbissen versehe. "Babe, wenn du so weiter machst..." brummt er und drückt mir sein Becken ein Stück entgegen. "Diesmal nicht, da hinten ist eine 5-köpfige Familie. Eine empörte, mich auf französisch beleidigende Mutter reicht mir..." Er beginnt zu lachen. "Sie hat dich nicht beleidigt, sie hat nur mitteilen wollen, wie... unpassend sie fand, was wir da am Fahrbahnrand gemacht haben."
Grinsend beiße ich mir auf die Lippe, als ich mich daran erinnere. Wir waren gerade erst von der Normandie runter an die Südküste Frankreichs gefahren, da es hier in der zweiten Jahreshälfte noch deutlich wärmer ist, als dort oben und haben ohne darüber nachzudenken angehalten, um ins Wasser zu springen.
Das Mittelmeer war nach dem eisigen Atlantik so viel angenehmer, noch so richtig schön aufgeheizt von der Sommersonne. Eine Mischung aus dem Glücksgefühl, endlich angekommen zu sein und der Tatsache, dass die körperliche Anziehung zwischen uns beiden in den letzten Tagen, die wir fast nur auf der Straße verbracht hatten, nahezu kaum noch auszuhalten war, ist es dann wohl irgendwie passiert.
Es war das erste Mal, dass wir so richtig intim miteinander geworden waren, auch wenn wir damals erst knapp eine Woche zusammen unterwegs waren.
Nach weniger als 24h Stunden mit Harry hatte ich die Entscheidung getroffen, ihn auf seinem weiteren Weg zu begleiten. Die Tatsache, wie wenig es meine Firma interessiert hat, dass ich aus dem nichts heraus gekündigt, meinen Resturlaub genommen habe und nie wieder gekommen bin, bestätigt mir nur umso mehr, wie richtig diese Entscheidung war. Meine Wohnung habe ich momentan untervermietet und mein Auto... naja, sagen wir so: Eddie hat nun ein Ersatzteillager mehr.
Weniger begeistert war meine Familie, was ich natürlich durchaus nachvollziehen kann. Vermutlich hätte ich genauso sparsam reagiert, hätte man mir bloß ein Foto geschickt, auf dem mein Bruder einen Jungen mit Blumenkrone küsst, lediglich mit dem Kommentar 'Ich habe mich verliebt. Harry, Bibo und ich fahren nun nach Süden' versehen.
Doch all die 'Hast du den Verstand verloren, dein Leben für einen dahergelaufenen Hippie wegzuwerfen?!'-Nachrichten haben mich nicht gestört. Denn ja, vermutlich habe ich das.
Aber wer braucht schon einen Verstand, wenn man glücklich ist?
Abgesehen davon gebe ich mein Leben nicht auf. Ich tausche bloß die doofen Parts gegen schönere aus. Und das auch nicht für Harry, sondern für mich allein. Besagter Hippie ist nur die Kirsche auf meinem bunten, neuen Lebens-Eisbecher.
Denn wenn ich eins in diesem Moment auf dem Foto war, dann glücklich - und ich bin es noch immer. Ich kann und will es nicht mal erklären. Ohne es zu suchen, habe ich beides gefunden, was Harry mit dieser Reise für sich entdecken wollte.
Mich selbst und mein Glück.
So unrealistisch es klingen mag, doch es ist genau so simpel. Ich habe von jetzt auf gleich alles hinter mir gelassen, nicht ein einziges Mal an meiner Entscheidung gezweifelt.
Nicht, als wir festgenommen wurden, da eine ältere Dame dachte, wir wollten sie ausrauben, obwohl unsere Intention bloß war, ihr mit den schweren Einkäufen zu helfen.
Nicht, als wir uns wegen eines Missverständnisses so gestritten haben, dass Harry kurz davor war, mir einen Flug nach London zu buchen, nicht verstehen konnte, dass ich trotzdem noch bei ihm bleiben wollte. Und ich ihm erklärt habe, dass man Menschen, die man liebt, nicht einfach verlässt.
Nie werde ich sein Gesicht vergessen, denn es war das erste Mal, dass einer von uns beiden diese drei Worte ausgesprochen hatte.
Genauso wenig habe ich bereut, ihm mein erstes Mal geschenkt zu haben. Ich habe mich erst getraut, es ihm zu sagen, als es bereits passiert war und habe es damit tatsächlich geschafft, ihn sprachlos zu machen. Nicht, weil ich bereits 27 bin, sondern weil es ihn überrascht hat, wie wenig man mir angemerkt hat, dass ich das noch nie zuvor getan habe. Aber genau das war der Grund dafür, ich wollte nicht, dass er sich deswegen anders verhält. Doch das war auch überhaupt nicht notwendig.
Obwohl wir beide kaum genug voneinander bekommen konnten, war er fürsorglich, hingebungsvoll und sanft, hat mir die Gelegenheit gegeben, jede Berührung und jedes Kribbeln voll und ganz zu genießen. Sex mit ihm ist, wie alles, das wir gemeinsam erleben, atemberaubend und wunderschön.
Und eventuell haben wir den auch schon an Orten gehabt, die öffentlicher waren, als ich mir je zugetraut hätte. Aber naja, wer kann schon von sich behaupten, sich mitten in der Nacht nackt hinter einem Haufen Kartoffeln versteckt zu haben, um nicht vom Bauern dabei erwischt zu werden, wie man auf der Nähmaschine für die Jutesäcke bumst?
Bis heute bin ich mir sicher, er weiß genau, was dort passiert ist, aber da seine Ernte nur durch unsere Hilfe so gut ausgefallen ist, wie seit Jahren nicht, hat er uns den kleinen Ausrutscher wohl gern verziehen.
So high wie wir waren, ist es unmöglich, dass er uns nicht dämlich hat kichern hören...
"Kommst du denn nun mit hoch?" Mit großen, klimpernden Augen sieht er mich an und schiebt ein bisschen die Unterlippe vor. "Es kann wirklich nichts passieren, glaub mir. Das Wasser ist tief genug, keine gefährlichen Felsen oder sonstiges, hoch und heilig versprochen, es besteht ke-" Ich drücke meine Hand auf seinen Mund. "Ist ja gut, ich komme mit." Seine Augen beginnen zu strahlen, er greift nach meinem Arm, damit ich seinen Mund wieder freigegebe. "Wirklich?! Ich freue mich so, du wirst es lieben, glaub mir!"
Augen rollend grinse ich ihn an, als er T-Shirt und Haremshose loswird, Unterwäsche trägt er wie immer keine, und beides einfach in den Bulli wirft. Auch ich entkleide mich also komplett, folge ihm die paar Stufen, die ein unbekannter, waghalsiger Held bereits vor uns in den Fels gekloppt hat, hinauf auf die Klippe. Sie ist nicht besonders hoch, doch für mich noch immer eine Herausforderung. Ich bin einfach kein Mensch, der aus großer Höhe irgendwo runter springt, sodass das bisher das Einzige war, von dem mich Harry nie überzeugen konnte.
Keine Ahnung, warum ich gerade heute der Meinung bin, ich sollte das ändern...
Zittrig atme ich ein, als ich vorsichtig an die Kante heran trete und hinunter blicke. "Mach dich nicht so verrückt, du kannst das, Babe!" Er zieht mich von der Klippe in seine Arme und flüstert "Wenn du dich traust, bin ich so stolz wie nie zuvor auf dich..." Ich schließe die Augen und erinnere mich unweigerlich an das letzte Mal, als er besonders stolz auf mich war und mich belohnen wollte.
Ich hatte unser komplettes Essen selbst und komplett fehlerfrei allein auf französisch bestellt, nachdem er mir über Wochen versucht hatte, die Grundlagen beizubringen.
Übrigens ebenfalls eines der Dinge, die ich erst nach Wochen über ihn herausgefunden habe: Er spricht nicht nur fließend Englisch und Französisch, sondern außerdem Spanisch, Italienisch, Schwedisch und Niederländisch. Ich will gar nicht wissen, wie viele kleine Geheimnisse er wohl noch hat, doch ich freue mich wahnsinnig, sie alle nach und nach herauszufinden...
"Ready?"
Ermutigend hält er mir seine offene Hand hin, die ich nach kurzem Zögern ergreife. "Wehe, du lässt mich los..." murmle ich, woraufhin er seine Finger noch etwas fester um meine Hand schließt. "Ich hab dich, Lou, hatte ich immer und werde ich immer, das weißt du." Er beugt sich zu mir runter und drückt mir liebevoll seine Lippen auf den Mund.
"Ich liebe dich, Sunshine." wispert er dagegen.
Ich lege meine Lippen erneut kurz auf seine. "Ich liebe dich, Sunflower."
Als ich mich löse, atme ich ein letztes Mal tief durch, blicke ihm dann in die Augen und hauche "Ready."
Und ja, das bin ich tatsächlich.
Mit ihm an meiner Hand.
ready to run...☼
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