Erklärungen ( Überarbeitet )
Es vergingen weitere zwei Wochen.
14 Tage in denen Mila weiter jeden Kontakt abblockte.
Der Versuch, Kontakt aufzunehmen, war seltener geworden, aber Marcel versuchte es weiterhin jeden Tag. Er versuchte sie anzurufen, er schrieb ihr, er hatte sogar Blumen geschickt. Er schickte Sprachnachrichten, er bettelte um ein Zeichen. Mila litt unter dieser unausgesprochenen Trennung, die sie selber forciert hatte. Sie ließ ihn außen vor.
Sie hatte einen Nachtdienst gemacht, bei welchem Helene erschrocken war. Die Freundin ihres Enkels war blass und abgemagert, aber sie blockte auch bei ihr ab. Ihre größte Angst war gewesen, daß an dem Tag Marcel vorbei käme, aber dem war nicht so. Das seine Oma es ihm verboten hatte, konnte Mila nicht ahnen. Das Marcel sich dem aber widersetzt hatte und er doch vor der Fensterfront gestanden hatte, um wenigstens einen Blick auf sie zu erhaschen, das bekam niemand mit. Er beobachtete sie, sah wie blass sie war, das sie dünner war. Er sah, daß sie wegen etwas litt. Er wollte sie trösten, aber sie hatte ihn ausgeschlossen.
Morgens als sie gefahren war, hatte Helene nur gesagt: „Ich weiß nicht was geschehen ist, aber es muss schwer sein. Du siehst schlecht aus, etwas quält dich. Die Öffentlichkeit ist hart, aber bitte, wenn Du es doch nur auf das Geld von dem Jungen abgesehen hast, dann halt dich von ihm fern! Beende es, gib ihn frei und halt Dich von ihm fern!" Mila hatte sie entsetzt angesehen. Etwas dazu sagen hatte sie nicht können.
Bis zu sich nach Hause schaffte sie es, ohne zu weinen, aber in ihrem Loft vergoss sie Tränen. Sie weinte sich in den Schlaf, wachte aber nach nur zwei Stunden wieder auf.
Danach wusste sie, das sie handeln musste. Wenn Helene darüber nachdachte, dann hätte auch Marcel diese Gedanken.
Und diese Gedanken hatte er nicht verdient.
Sie musste mit ihm reden. Sie musste ihm begreiflich machen, daß es nichts mit ihm zu tun hatte.
Sie musste ihm sagen, daß er ihr etwas bedeutete.
An diesem Abend suchte sie ein Bild raus, sowie den Auszug von ihrem Kontostand. Sie wollte zu ihm, wusste sie doch das er streamte.
Sie lief zu Fuß zu ihm, was ihr eine halbe Stunde verschaffte. Sie hoffte dadurch etwas zu entspannen.
Der Code für das Tor war noch nicht geändert, so dass sie auf das Grundstück kam. In Leggins mit schlabbrigem Shirt, war sie in der lauen Nacht niemandem begegnet. Sie schloss mit ihrem Schlüssel auf und betrat den Flur. Ihre Zehentrennerlatschen in quietschgelb ließ sie beim Schuhreagal.
Sie ging nach unten.
Sie schlüpfte ins Streaming Zimmer. Dieses war verqualmt und voller Menschen. Marcel saß im Sessel. Auf der Couch Dennis, Rene und Memo, auf der kleinen Couch ein ihr unbekannter Typ. Über den riesigen Flat Tv sah sie, das er zockte.
Niemand bemerkte sie, bis auf dem riesigen TV auch für sie zu erkennen war, das sie im Bild, was die zockende Gruppe zeigte, im Hintergrund zu sehen war. Im Chat waren massivste Beleidigungen zu lesen.
„Die Schlampe" oder die „famegeile Bitch" waren noch die netteren.
Dennis blickte kurz über seine Schulter. Er griff nach der Fernbedienung, wollte die Kamera muten aber Mila ging dazwischen. „Lass das Mikro und den Stream laufen. Sie sollen ruhig hören was die famegeile Goldgräberin zu sagen hat!", gab sie leise zu verstehen. Marcel zuckte kurz, sah aber nicht zu ihr. Er drehte sich nicht um. Dennis zuckte kaum merklich mit den Schultern, sah zu ihr. Dieser sah, daß sie ebenso litt, wie sein streamender Kumpel.
Sie trat näher an den Sessel zu Marcel, der stur auf den Bildschirm starrte und den Controller fest in den Händen hielt. Sie legte ihm das Photo ihrer Familie auf den Controller.
Dann begann sie leise zu erzählen.
„Ich war gerade 19 geworden. Meine Ausbildung war in den letzten Zügen. Mein Vater hatte Geburtstag. Alle waren da. Meine Schwester mit meinem Schwager und dem Baby. Der kleine Jeremy war zwei Monate alt. Mein Vater, meine Stiefmutter. Unser Stiefbruder, der eigentlich in der Psychiartrie sein sollte, war bei einem Freigang entflohen. Er war drogenabhängig, Meth, in Verbindung mit einer Psychose. Er hat einen Brand gelegt. Die Explosion dazu kam überraschend. Im Keller hatte er eine Propangasflasche präpariert."
Sie schluckte, Tränen rannen lautlos über ihre Wangen.
„Als ich zu mir kam hatte ich vier Operationen, ein Polytrauma und eine Woche künstliches Koma hinter mir. Als man mir sagte, das alle tot waren, konnte ich nichts sagen. Das Baby hatte fünf Tage gekämpft, aber hatte dann aufgeben müssen. In einem Moment war da eine Familie und im nächsten Moment war ich allein."
Wieder pausierte sie. Alle schwiegen, niemand sah zu ihr. Sie blickte nur zu Marcel. Niemanden sonst sah sie an. Niemand sonst zählte.
„Vom Krankenbett aus organisierte ich die Beerdigungen, schrieb mein Examen und engagierte einen Anwalt. Ich klagte gegen das Land NRW und den Bund. Warum war er nicht forensisch untergebracht? Wieso hatte er Freigang? Man kann es nachlesen, es ging durch die Presse. Womit niemand rechnete, es gab ein Urteil und sie mussten Schmerzensgeld zahlen. Das Erbe meiner Familie war ein beruhigendes Polster, aber das Schmerzensgeld von Land und vom Bund waren unverschämt hoch. Die Hälfte spendete ich. Danach verschwand ich mit „Medicines sans Frontieres" ins Ausland."
Sie zückte den Kontoauszug und hielt ihn in die Kamera. Als man die mittlere achtstellige Zahl lesen konnte, schnappten einige der Jungs nach Luft und dann legte sie ihn vor Marcel ab.
„Ihr wisst nichts von mir, ihr wusstet bis zu dem Photo nichts von uns, aber ich bin keine Goldgräberin. Das habe ich nicht nötig.", sprach sie in die Kamera ehe sie sich umwandte. Sie blickte ihn an, aber er vermied es weiter sie anzugucken.
„Ich weiß, das ich nicht reagiert habe, auf keinen Deiner Versuche mich zu erreichen. Ich konnte es nicht. Es wusste doch niemand was so ein Feuer auslösen konnte, ich hatte doch selber keine Ahnung was es auslöst. In Afrika, in Asien und all den Kriegsgebieten gab es Vorfälle die mein Schicksal bei weitem abhängten, die so viel schlimmer waren als das was ich erlebt hatte, aber das es nach sieben Jahren so auf mich zurückfällt, das habe ich nicht erwartet! Es hat mich überrollt."
Mila atmete einmal tief durch. Wie sehr wollte sie ihn berühren, wollte ihn spüren, aber sie versagte sich das.
„Ich werde den Schlüssel oben liegen lassen, den Zettel mit dem Torcode wegschmeißen. Ich weiß, ich habe Dich verletzt, was mir sehr leid tut. Wenn Du es wirklich willst, dann werde ich deine Nummer löschen, werde mich nicht mehr melden. Der Sportprolet, der Asi und der Badboy werden mir fehlen, aber am allermeisten werde ich Marcel vermissen. Er war mir der liebste von allen. Es tut mir leid." Ihre Stimme war nur noch ein Stammeln.
Eine kurze Weile wartete sie auf eine Reaktion, aber nichts geschah. Sie wischte sich die Tränen erneut weg, weinte leise, und verließ dann das Streaming Zimmer. Als die Tür zufiel sah Marcel sich um, blickte auf diese. Er haderte mit sich, er zögerte.
Dennis stiess ihn an, nach dem er den Stream doch gemutet hatte. "Nun los, lauf ihr nach! Du vermisst sie! Sie hat Dir ihr Leben mitgeteilt! Es wird sie eine unmenschliche Überwindung gekostet haben. Wenn Du sie so willst, wie ich es denke, wonach ihr beide aussieht, dann gibt es jetzt nur eine Entscheidung.", gab er ihm den Wink, den er befolgte.
Sie ging schnell nach oben, legte den Schlüssel in der Küche auf den Frühstückstresen. Sie zog ihre Schuhe an und verließ das Haus. Als sie das Grundstück verlassen hatte schlug sie den Weg zu ihrem Loft ein. Mit jedem Schritt, der sie von dem Tor forttrug, glaubte sie mehr und mehr Marcel und ihr neues Leben verloren zu haben. Lautlos schluchzte sie. Tränen vernebelten ihre Sicht.
Die Rufe hörte die junge Frau nicht, die näher kommenden Schritte hörte sie nicht.
Erst die Wand aus Mann vor ihr stoppte sie. Er presste sie mit einem Arm an sich und legte seine freie Hand auf ihre tränennasse Wange. Mila war perplex, das er vor ihr stand, ihr gefolgt war.
„Ich habe nie geglaubt, nicht eine Sekunde, das Du eine Goldgräberin bist. Ich habe mich nur so gefürchtet, das Du wieder aus meinem Leben verschwindest!", flüsterte er um sie dann zu küssen, als würde ihr hören und sehen vergehen. Diesen Kuss erwiderte sie.
Er presste sie an den Baum der dort stand. Immer wieder löste er sich kurz, um ihr zu sagen, daß er sie nicht gehen lassen würde, um sie erneut zu küssen. Der Kuss wurde derart fordernd, das sie an ihm hochsprang und ihre Beine hinter seinem Rücken kreuzte. Während sie sich weiter küssten, machte er sich auf den Weg zurück zum Haus.
Er trug sie den ganzen Weg, ließ sie nicht los. Jetzt in dem Moment wollte er sie nie wieder loslassen.
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