Zwanzig Minuten
,,Herzlich willkommen zum letzten Spiel der diesjährigen Quidditch-Saison! Ravenclaw gegen Gryffindor! Wir alle stellen uns zwei Fragen! Nämlich erstens, ob Gryffindor es schafft seinen Titel als amtierenden Champion zu verteidigen! Und zweitens, wie sich denn die Tatsache auf das Spiel auswirkt, dass Sirius Black den Kapitän der Ravenclaws ge-...!"
,,JORDAN!!!" wurde der Kommentator sofort von einer empörten Professor McGonagall unterbrochen.
,,Äh... Verzeihung, Professor... Na, wie auch immer! In wenigen Minuten beginnt das alles entscheidende Spiel!!"
Wie so oft hallte Applaus über das Quidditch-Feld. Doch die großartige Stimmung, die sich bei den Zuschauern abspielte, war bei den Mannschaften unten außerhalb des Spielfeldes nicht ansatzweise vorzufinden. Wenige Minuten vor dem Spiel waren alle dabei sich aufzuwärmen. Sirius, der drüben bei den Gryffindors stand, warf einen kurzen Blick zu den Ravenclaws hinüber.
Die Treiber waren gerade dabei ihre Schultern zu dehnen. Der neue Hüter wirkte, als ob er sich vor Panik gleich in die Hose machen würde. Der Sucher stand gerade bei zwei von den Jägern und schien sich über irgendetwas zu unterhalten. Und Mel? Diese saß mit trübem Blick unten im Gras und zupfte demotiviert ein paar Halme heraus.
So deprimiert wie heute hatte Sirius sie noch nie erlebt. Er hatte ihr strahlendes Gesicht vor Augen, das immer leuchtete, sobald sie ein Quidditch-Feld betrat. Genau wie ihr breites Grinsen, welches das ganze Spiel über kaum verschwand. Doch jetzt fehlte alles davon... Mel sah alles andere als glücklich aus. Ihre Augen strahlten nicht, sie waren traurig und matt.
Ein mulmiges Gefühl zog sich durch Sirius' Magen. Er hatte in den letzten Tagen immer wieder versucht mit ihr zu reden und ihr alles zu erklären. Doch sie war ihm stur aus dem Weg gegangen.
,,Hey, Mann! Alles in Ordnung?" fragte plötzlich James, der seinem Freund eine Hand auf die Schulter legte. Sirius seufzte.
,,Ja..." murmelte er. Jedoch wusste James genau, dass sein Freund ihn gerade angelogen hatte.
,,Hör' mal... Wenn du willst, dann werde ich ihr alles erklären! Ich sag ihr, dass ich derjenige war, der euch bei Valerie verraten hat. Du wirst sehen, das mit euch beiden kriegt sich schon wieder ein!" versicherte ihm James.
,,Ja... aber dadurch wird Valerie ihr auch nicht verzeihen..." meinte Sirius demotiviert.
„Und sie ist doch der Grund, warum Mel so geknickt ist..."
Bei den Ravenclaws war die Stimmung genauso angespannt wie bei James und Sirius. Alle hatten bereits eine böse Vorahnung, was das Spiel betraf. Gut, dass sie alle nur auf Besen sitzen mussten, denn mit derartig weichen Knien hätte keiner von ihnen länger als zehn Minuten im Stand ausgehalten.
,,Bist du bereit, Mel?" fragte Auggie an die Kapitänin gewandt. Mel seufzte und wandte ihm ihren Blick zu.
,,Klar... Immer." antwortete sie und zwang sich zu einem Lächeln. Auggie kräuselte die Lippen. Er kannte sie mittlerweile gut genug, um zu wissen, wann sie log.
,,Wir schaffen das! Ich bin davon überzeugt!" versuchte er ihr Mut zu machen. Mel nickte nur.
,,Leute, es geht gleich los!" rief Jacob ihnen zu. Auggie rappelte sich auf und hielt Mel seine Hand hin, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Sie griff nach seiner Hand und zog sich nach oben.
,,Also gut!" sagte sie laut und klatschte in die Hände.
,,Bringen wir es hinter uns!"
Als die beiden Mannschaften beim Einzug über das Spielfeld flogen, wurden sie von allen Seiten angefeuert. Sogar der Ravenclaw Turm war voller Zuschauer! Allerdings wusste Mel genau, dass Valerie nicht darunter war. Sie war im Zimmer geblieben. Wieder fuhr ihr ein Stich durch das Herz.
,,Die beiden Mannschaften haben sich in der Mitte des Spielfeldes versammelt! Die beiden Kapitäne James Potter und Melody Moreau, die Tochter des French Falcon, geben sich zu Beginn des Spiels die Hände!" sagte Jordan ins Mikrophon. Mel schnaubte kurz belustigt auf. Seit die Leute wussten, wer ihr Vater war, konnte plötzlich auf wundersame Weise jeder ihren Nachnamen richtig aussprechen...
,,Viel Glück!" zischte James Mel zu, während sie seine Hand schüttelte. Doch Mel antwortete ihm nicht. Sie nickte ihm nur einigermaßen dankbar zu, während ihre Augen kurz nach rechts huschten. Als wäre er magnetisch von ihnen angezogen worden, traf ihr Blick sofort auf Sirius Augen, die sie ganz bewusst anstarrten. Mel schluckte enttäuscht und wandte ihren Blick sofort wieder ab.
,,Das Startsignal ist gefallen!!!" kommentierte Jordan, als der Startpfiff ertönte und der Quaffel in die Mitte der Spieler geworfen wurde. Mel war sofort hervorgeschnellt und hatte sich den roten Ball geschnappt. Sie steuerte geradewegs auf die gegnerischen Tore zu.
,,Moreau ist im Quaffelbesitz. Doch Potter und die beiden anderen Gryffindor-Jäger sind ihr dich auf den Fersen! Sie passt hinüber zu Stuart Attenborough und-... OH! Die Gryffindors haben ihn abgefangen! Ein etwas zu waghalsiger Wurf von Moreau! Die Ravenclaws versuchen den Quaffel wieder in ihren Besitz zu bringen!"
Mel versuchte das ganze Spiel über sich zusammenzureißen. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, sie wurde von einem Gefühl übermannt, das sie auf dem Quidditchfeld noch nie zu Spüren bekommen hatte... Sie wollte einfach nur, dass es vorbei ging. Und obwohl sie sich so sehr ins Zeug legte, um die anderen nicht zu enttäuschen, passierten ihr trotzdem immer wieder irgendwelche Schlampigkeitsfehler durch ihre mangelnde Konzentration.
Zudem versuchte sie sich nicht auf Sirius zu konzentrieren. Sie versuchte seine Anwesenheit auszublenden, genau wie seine stechenden Blicke, die sie gefühlt pausenlos verfolgten. Das machte sie nicht nur wahnsinnig, sondern ehrlich gesagt auch irrsinnig nervös, auch wenn sie es niemals zugeben würde.
,,Ein weiteres Tor für Gryffindor! Ravenclaws neuer Hüter Louis Dixon scheint heute nicht in bester Form zu sein! Wie bestimmt alle schon gehört haben hat Valerie Lawrence das Team verlassen, was wohl fatale Auswirkungen auf den Rest der Mannschaft hatte! Da hätte sich Moreau wohl besser überlegen müssen, mit wem sie sich nachts so herum-..."
,,JORDAN!! Würden sie bitte derartige Privatangelegenheiten aus dem Spiel herauslassen!" fuhr McGonagall ihn wieder an. Ein belustigtes Raunen ging durch die Menge.
Mels Magen verzog sich ein wenig. Louis spielte leider genau so, wie sie es befürchtet hatte. Er war wahnsinnig nervös und jeder seiner Spielzüge war hektisch, weswegen er mehrmals den Quaffel verfehlte. Leider war das nicht ihr einziges Problem.
In ihrem Nacken spürte sie schon wieder Sirius Blick Doch sie zwang sich instinktiv dazu, nicht hinzusehen. Diese beiden grauen Augen waren das letzte, was sie jetzt noch brauchte. Sie versuchte sich zu fokussieren und flog mit dem Quaffel in der Hand weiter auf die Ringe der Gryffindors zu. Mit einem flink abgehakten Flugmanöver schaffte sie es den Quaffel durch den linken Ring zu versenken und einen Punkt für Ravenclaw zu holen.
,,Tor für Ravenclaw! Es steht nun 70 zu 40 für Gryffindor, die Ravenclaws hängen deutlich hinterher! Werden sie es wohl schaffen diesen Rückstand wieder aufzuholen?"
Mel schnaubte und verdrehte die Augen. Am liebsten wäre sie zu Jordan hinaufgeflogen und hätte ihm sein dämliches Maul mit ihren vollgeschwitzten Sportsocken gestopft. Doch zu seinem Glück konnte sie sich zusammenreißen.
,,Stu! Übernimm von links!" rief sie Stuart zu und flog hinüber zu James, der gerade im Quaffelbesitz war. Gemeinsam mit ihm versuchte Mel seine Bewegungsfreiheit einzuschränken. Sie wusste, dass er nun versuchen würde, den Quaffel an einen seiner Teamkollegen weiterzupassen. Genau das tat er Doch zu seinem Pech hatte Augustus genau darauf gewartet und fing ihn geschickt in der Luft ab.
Die drei Ravenclaw Jäger steuerten nun wieder auf die Ringe der Gryffindors zu. Gerade wollte Auggie den Quaffel zu Stu hinüber passen. Stu war drauf und dran ihn zu fangen, als er plötzlich aus den Augenwinkeln etwas bemerkte.
Geschockt wandte er ruckartig seinen Kopf nach rechts, woraufhin der Quaffel links von ihm Richtung Boden flog. Mel riss ungläubig die Augen auf und hätte Stu am liebsten den Schädel weggeblasen... Doch als sie ihren Kopf ebenfalls nach rechts wandte, um zu sehen, was Stu so abgelenkt hatte, wurde auch sie kreidebleich im Gesicht.
Wie in Zeitlupe sah sie einen Klatscher durch die Luft segeln, der gefährlich schnell in Richtung der Ravenclaw-Ringe zischte. Sie konnte noch sehen wie Louis, der davor flog erschrocken die Augen weitete und sich schützend die Hände vor den Kopf schlagen wollte. Doch seine Reaktionszeit war zu langsam gewesen... Mit einer irrsinnigen Wucht donnerte der Klatscher direkt in sein Gesicht, woraufhin Louis rücklings, wie eine schlaffe Puppe von seinem Besen fiel und Richtung Boden raste.
,,STOP!!!" schrie Mel ganz laut, um das Spiel zu unterbrechen und raste so schnell sie konnte auf den fallenden Louis zu.
Sie hörte wie von den Türmen oben jemand von den Lehrern ,,Arresto Momentum" schrie, woraufhin Louis kurz vor seinem Aufprall auf den Boden in der Luft aufgefangen wurde. Ein beunruhigtes Raunen hallte durch die Menge, als auf einmal jeder bemerkt hatte, was mit dem Hüter der Ravenclaws passiert war.
Mel sprang sofort von ihrem Besen ab, als sie bei ihm am Boden angekommen war. Louis lag bereits im Gras. Besorgt kniete sie sich zu ihm hinunter und beugte sich über ihn drüber.
,,Louis! Hallo, Louis! Hörst du mich?!" fragte sie ihn immer wieder und versuchte mit ihm Kontakt aufzunehmen. Der Rest der Mannschaft trudelte nacheinander hinzu. Alle hatten sich besorgt um Louis versammelt, der am Boden lag und Mel mit schmerzverzerrtem Gesicht anblinzelte. Allerdings wirkte er nicht ganz bei sich. Aus seiner Nase trat dunkelrotes Blut.
,,Verdammt Marwin, Darwin! Wie konntet ihr den Klatscher nicht bemerken?!" fuhr sie ihre beiden Treiber an.
,,E-Es tut uns leid!" stammelte Darwin.
,,Wir haben uns auf euch Jäger konzentriert, dass sie auf den Hüter zielen war total unerwartet!" kam es geschockt von Marwin.
,,Aus dem Weg!" ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihnen. Madam Pomfrey war auf dem Spielfeld aufgetaucht. Hinter ihr dackelte Professor Flitwick, der ebenfalls mitgekommen war. Die Mannschaft machte Platz, während Madam Pomfrey sich zu Louis kniete.
,,Der Hüter der Ravenclaws, Louis Dixon, ist von einem Klatscher des Gryffindor Treibers Collin Overstreet getroffen worden! So wie es aussieht ist Dixon verletzt! Es wird eine kurze Auszeit gegeben!" hallte Aaron Jordans Stimme über das Quidditchfeld.
,,Madam Pomfrey, sie kriegen ihn doch wieder hin, oder?" fragte Mel besorgt, während die Heilerin Louis Nase unter die Lupe nahm.
,,Hm... Das sieht mir nach einer Gehirnerschütterung aus... und eine gebrochene Nase..." seufzte sie.
,,Er muss sofort in der Krankenflügel!"
,,Was? Jetzt?" fragte Jacob ungläubig.
,,Aber... Dann stehen wir doch ohne Hüter da!" kam es Stu in den Sinn.
,,Er kann in diesem Zustand unmöglich weiterspielen! Er ist schwer verletzt!" meinte Madam Pomfrey vorwurfsvoll.
,,Aber, Madam Pomfrey!" protestierte Marwin.
,,Mel, sag doch etwas!" meinte Augustus hoffnungsvoll. Mel biss sich verzwickt auf die Unterlippe. Sie blickte hinab auf Louis, dessen Gesicht kreidebleich war und ihr schwirrten augenblicklich wieder die Bilder von ihrem Vater durch den Kopf. Dieser war ebenfalls von einem Klatscher so schwer verletzt worden, dass weiterzuspielen für ihn unmöglich gewesen wäre...
,,Nein, sie haben recht! Er kann so nicht spielen!" stimmte sie Madam Pomfrey zu. Diese nickte. Professor Flitwick schwang seinen Zauberstab, woraufhin eine schwebende Trage unter Louis erschien.
,,Verdammt, was sollen wir denn jetzt machen?" kam es verzweifelt von Jacob. Verzwickt blickten die sechs Madam Pomfrey hinterher, die mit Louis auf der schwebenden Trage davoneilte.
,,Sie werden wohl einen ihrer Ersatzspieler einsetzen müssen!" meldete sich Professor Flitwick zu Wort.
,,Aber... Aber wir haben doch keine Ersatzspieler!" stammelte Mel völlig aufgelöst. Professor Flitwick kräuselte die Lippen.
,,Nun... Ihnen wurde eine Auszeit von etwa zwanzig Minuten gegeben. Aber wenn Mister Dixon allerdings nicht mehr fähig ist zu spielen und sie keine Ersatzspieler haben, werden sie wohl oder übel disqualifiziert." sagte er wehmütig.
,,Wie bitte?" fragte Mel erschüttert.
,,Sie sind zu wenige Spieler! Wenn nicht alle Positionen besetzt sind, werden sie vom Spiel ausgeschlossen, so sind eben die Regeln." meinte Professor Flitwick.
,,Mist... So eine Scheiße..." schimpfte Stu verärgert. Mel hätte am liebsten begonnen zu schreien. So viel Pech konnte eine Mannschaft doch gar nicht haben.
,,Tja, wie es aussieht steht der Entschluss wohl fest. Dann werde ich der Schiedsrichterin ausrichten, dass sie wohl das Spiel nicht fortsetzen werden." seufzte Professor Flitwick etwas betrübt.
Plötzlich schoss Mel eine Idee ins Gedächtnis.
,,Warten Sie!" platzte es barsch aus ihr heraus. Professor Flitwick blickte etwas verwundert zu ihr hinauf.
,,Sie sagten wir haben zwanzig Minuten Auszeit, richtig?" wiederholte Mel seinen Satz von vorhin.
,,Ja, in der Tat!" sagte Flitwick und rückte seine Brille zurecht.
,,Und wenn wir in zwanzig Minuten noch immer ohne Hüter dastehen, sind wir disqualifiziert?" hakte sie weiterhin nach.
,,Nun, sofern sie diese Auszeit tatsächlich brauchen, wenn sie ohnehin nicht weiterspielen können... Aber ja, streng genommen werden sie erst in zwanzig Minuten disqualifiziert." meinte der Professor und zuckte mit den Schultern.
,,Also haben wir so gesehen noch zwanzig Minuten Zeit, um einen Hüter aufzutreiben!" murmelte Mel. Ihre Teamkollegen blickten sie an, als wäre sie durchgedreht.
,,Bist du übergeschnappt? Ein neuer Hüter in zwanzig Minuten? Da sollten wir lieber gleich aufgeben!" schnaubte Darwin fassungslos. Doch Mel schüttelte den Kopf.
,,Nein!" sagte sie entschlossen.
,,Ich hole Valerie!"
Die Jungs rissen ungläubig die Augen auf.
,,Was?!" platzte es fassungslos aus den Arwins.
,,Sie ist unsere letzte Chance!" meinte Mel bestimmt.
,,Aber Valerie ist unfassbar wütend auf dich, Mel! Nie im Leben kommt sie zurück!" versuchte Jacob ihr das klarzumachen. Doch Mel schüttelte den Kopf.
,,Ich muss es versuchen! Wir haben so hart trainiert... das hier darf nicht das Ende sein!" schnaubte sie. Sie griff nach ihrem Besen und setzte sich drauf.
,,Ich habe zwanzig Minuten..." murmelte sie. Die Jungs standen nervös um sie herum. Professor Flitwick nickte ihr anerkennend zu.
Mel nahm einen tiefen Atemzug, ehe sie sich vom Boden abstieß und in Richtung Hogwarts-Schloss preschte. Ihre Teamkollegen blickten ihr solange hinterher, bis sie als winziger Punkt in der Ferne verschwand. Noch nie hatten sie so viel Hoffnung in Mel gesetzt...
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