Allein
Kapitel 13
Winter
Als er gegangen war und nur das Drachentier bei mir ließ - wahrscheinlich damit es mich bewachte - brach ich auf den groben Holzdielen zusammen und spürte, wie ein Anfall von Hysterie sich in meinen Magen anzusammeln drohte.
Was hatte ich getan?
Was hatte ich da zugestimmt? Wem hatte ich mich ergeben, was sollte nun aus mir werden? Wer war ich, wo würden wir hingehen?
Diese ganzen Fragen wurden in meinen Verstand hin und her gespült, wie ein Blatt, dass sich auf unruhigen Oberfläche eines Sees niedergelassen hatte.
Ich zitterte, ließ die Schultern hängen und gönnte mir diesen kurzen Moment der Panik, ließ all die Fragen kurz in meinem Kopf gegeneinander kämpfen, sich anschrien und tausende Schlüsse ziehen, von denen keine Antwort eine bot. Dann holte ich tief Luft.
Das Zittern, das durch meinen Körper glitt, verstummte und ich begann mich zu beruhigen. Das Drachentier ließ sich mit seinen großen, gehörnten Kopf in meinen Schoß nieder und blinzelte mich aus seinen violetten, Reptilien Augen an. Ich wollte es verjagen, doch die Wärme, die es ausstrahlte, besänftigte das Zittern meiner Hände zusätzlich und so hob ich die Hand, um es dort zu berühren, wo die Flügel aus seinen Rücken traten.
Drumherum gab es Federn, die so weich waren, dass ich fast tranceartig darüber strich. Er streckte einen Flügel aus, präsentierte die beeindruckende Spanne seiner ledernen Haut, die ebenfalls Federn an den Knochen aufwies und ließ sich von mir streicheln.
Wie merkwürdig.
Zwar hatte ich noch nie ein Drachentier aus der Nähe gesehen, aber ich konnte mich nicht daran erinnern, dass Federn je erwähnt worden waren. Weder von meinem Vater noch von eines der Büchern, die ich über die Wesen dieses Kontinentes gelesen hatte.
Diese hier schimmerten dunkelblau im Kaminfeuer und erinnerten mich stark an die eines Kükens. War er noch ein Jungtier? Ich stöhnte.
Noch mehr Fragen in meinem Kopf. Großartig.
Das Tier in meinen Schoß, schloss die Augen und als ich meine andere Hand dazunahm, um es zu streicheln, drehte das Drachentier sich auf seinen Rücken, öffnete das Maul leicht und ließ seine gespaltene Zunge an der Seite heraushängen.
"Du bist ziemlich verschmust, oder? Wirkst so gar nicht wie etwas, dass in Schlachten Feinde auseinander reißt", redete ich mit ihm.
Es blinzelte mich nacheinander mit seinen Augen an und schnaufte. Ich lächelte, weil es fast nach einer Zustimmung klang.
Und so blieb ich sitzen, verarbeitete die Tatsache, dass ich mein Heimatdorf und meine Eltern würde verlassen müssen, dass ich wohl keinen der Menschen hier, je wieder sehen würde. Und das alles nur um einem Mann zu folgen, denn ich nicht leiden konnte. Letzteres beruhte allerdings auf Gegenseitigkeit.
Doch was für eine Wahl hatte ich? Wie sahen meine Möglichkeiten aus und was würde aus meinen Eltern werden? Sie würden nicht mehr jünger werden und ich hatte immer geglaubt sie im Alter pflegen zu können. Was passierte mit ihnen, wenn ich nicht da war? Und was aus mir?
Ich spürte die Tränen meine Wange herabkullern und konnte das verzweifelte Schluchzen, das aus meine Kehle trat, nicht aufhalten. Verwirrt öffnete das Drachentier in meinem Schoß die Augen, blinzelte mich wieder an und ein salziger Tropfen landete genau zwischen seinen beiden Nasenlöchern. Er schielte kurz, um auszumachen, was das auf seinen Nüstern war und brachte mich damit kurz zum Lachen, bevor seine Zunge hervorschnellte und meine Träne ableckte.
"Tut mir leid, ich wollte dich nicht vollheulen", schniefte ich und wischte mir mein Gesicht an meinem Ärmel ab.
Ich war noch nie länger als eine Tagesreise von diesem Dort entfernt gewesen und hatte auch nie das Bedürfnis gehabt, die große weite Welt zu sehen. Ich hatte davon in Büchern gelesen und gerne Erzählungen gelauscht. Und das, was ich davon gehört hatte, war sowohl aufregend als auch furchteinflößend gewesen.
Wechselhäuter und wandelnde Tote, die Heerscharen der verdorbenen Hexenkönigin und andere magische Wesen, die von ihr ausgesaugt wurden, weil sie alle Magie in ihren Ländern verschlang. Dieser Berserker, Lore, hatte einer seiner Männer ihn genannt, hatte von den Zwillingen geredet. Die beiden Brücken, die über die Schlucht führte, die die Ländereien der Hexenkönigin vom Rest der Welt trennte.
Die letzte natürliche Hürde für ihre gefräßige Macht und dennoch gab es immerwieder Flüchtlinge, die berichteten, dass sie stellenweise den Graben längst überwunden hatte und der Tod auch andere Ländereien erfasst hatte.
Viele dieser Flüchtlinge wollten durch die Enge nach Andersheit, dem Zwillingskontinent zu dem, auf dem wir wohnten. Doch hatte man einmal den dichten Wald durchquerrt, hörte man nie wieder etwas von ihnen. Nur Gerüchte. Der Gedanke genau in die entgegengesetzte Richtung zu ziehen, machte mir Angst.
Ich schniefte noch ein paar Mal und erinnerte mich wieder daran, dass ich sowieso keine Wahl hatte.
Lore war mein Gefährte und er würde mich nicht gehen lassen. Das konnte er gar nicht, sonst würde er dahin sichen. Angeblich war die Gefährtschaft etwas Wundervolles und Erhabenes. Doch ich und ein Berserker? Das kam mir so verkehrt vor. Er war ein so brutaler Mann und ich wusste jetzt schon, dass wir vermutlich ständig streiten würden, von einer harmonischen Beziehung konnte da keine Rede sein. Ich würde zwar freiwillig mit ihm gehen, aber mein Herz, das würde sich weiter nach mein Zuhause sehnen. Wahrscheinlich für immer.
Ich musste stark sein, musste darauf vertrauen, dass die Natur wusste, was sie tat und vielleicht würde ich so auch erfahren, was es mit dem Rabenkind, das ich angeblich sein sollte, auf sich hatte. War ich tatsächlich eine Wechselhäuterin?
Meine Eltern hatten darauf wenig überrascht reagiert und dennoch hatte ich mich nie verwandelt oder gedacht, ich wäre anders. Letzteres zumindest nicht über das Maß hinaus, was wohl jedes Findelkind verspürte. Waren meine leiblichen Eltern Raben gewesen und hatten mich ausgesetzt? Wieso? War ich ein Halbling?
Man hörte immer mal wieder von Kindern, die aus der Verbindung von Wechselhäutern und Menschen hervorgingen. In der Regel wurden sie von den Stämmen und Gemeinschaften der Wechselhäuter verstoßen.
Hatte meine leibliche Mutter mich deshalb ausgesetzt und hatte ich mich vielleicht deshalb nie verwandelt und roch dennoch nach einen Rabenwechselhäuter?
Was bedeutete das für mich, wenn Lore mich in seine Heimat brachte? Ich würde dort verachtet werden. Wegen meiner Menschlichkeit, meines Rabenbluts und wahrscheinlich auch wegen allem anderen.
Ich gehörte nicht gerade zu den Menschen, die leicht Freunde fand und war gerne für mich, jemanden von mir als Person zu überzeugen würde also auch eher weniger funktionieren. Das würde mir nicht helfen mich dort in dieser Gemeinschaft einzugliedern, und mein Gefährte? Der würde mich hassen und jeden Moment in meiner Nähe, der ihn aufgezwungen wurde, verachten.
Ich seufzte. Deprimierende Aussichten.
"Wirst du zumindest mein Freund sein?", fragte ich das Drachentier, dass sich weiter in meinen Schoß wälzte und ich musste lächeln als etwas Sabber auf meinem Rock fiel. Eklig und doch...auch unfassbar niedlich. Dennoch schob ich es sanft von meinem Schoß.
Es würde alles nicht bringe. Hier zu sitzen, während die Schwere des vergangenen Tages auf mir lastete, würde mein Gemüt nur weiter nach unten ziehen und so beschloss ich, mich auf der einzigen Liegefläche im Zimmer auszubreiten und zu ruhen, bis meine Eltern kamen.
Denn sie würden kommen. Wenn ich etwas wusste, dann dass meine Eltern mich nicht gehen lassen würden, ohne sich von mir zu verabschieden.
Die Laken rochen nach Fichten, Erde und etwas anderen, herberen, was ich nicht wirklich zuordnen konnte, was meinen Muskeln aber entspannte. Ich hörte wie das Drachentier sich schwerfällig vor dem Bett fallen ließ und drückte meinen Kopf in das Kissen. Es wurde Abend und meine Sorgen würde ebenso ruhen müssen wie der Rest von meinem Körper.
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