Trost
Ich hörte das schrille Klingeln, als ich an der Tür klingelte. Das Rumpeln, das davor zuhören war verstummte für einen Moment, bevor es wieder von neuem begann. Kurz darauf hörte ich Schritte, dann öffnete mir Regina, eine Freundin von mir, die Tür. Sofort hörte man das Gekicher und Gekreische von Kinderstimmen.
Sie sah müde aus, ihre Haare ungekämmt. Sie warf mir ein schwaches Lächeln zu, welches sofort verschwand. Wahrscheinlich sah sie die verschmierte Mascara oder den Koffer mit der Tasche. Ohne ein Wort zu sagen trat sie einen Schritt zu Seite, damit ich an ihr vorbei ins Haus gehen konnte.
"Ich mach dir einen Tee und dann erzählst du mir, was passiert ist", sagte sie und legte mir eine warme Hand in den Rücken um mich in das Wohnzimmer zu führen. Dort drückte sie mich auf das Sofa. Auf dem Teppich rangelten Tobi und Marcel, ihre zwei Kinder. Gerade kloppte Marcel mit einem Bauklotz auf Tobi ein, welcher laut kreischte und mit den Beinen strampelte. Als Marcel mich bemerkte, hellte sich sein Gesicht auf und er ließ seinen jüngeren Bruder los und sprang neben mich auf das Sofa.
"Tante Yuna! Tobi will nicht mit mir ein Bauernhof bauen, baust du mit mir einen?", fragte er, schaute mich dabei aus seinen braunen Augen an und kuschelte sich an mich ran. Seine braune Lockenmähne, die er von Regina geerbt hatte, kitzelte mich an der Nase. Ich musste kichern, als auch noch Tobi, der mit seinen blauen Augen und den blonden Haaren genau das Gegenteil von seinem Bruder war, neben mich gesprungen kam.
"Aber er hat mein Bauklotz geklaut!", protestierte er und wollte ihm den Bauklotz aus der Hand reißen.
"Marcel! Tobi! Geht bitte zu eurem Vater. Wir müssen etwas wichtiges besprechen", befahl sie den Beiden aus der Küche aus, die sofort artig nickten, obwohl Regina sie nicht sah, und nach oben verschwanden.
Regina balancierte eine Tasse und ein Zuckerschälchen auf einem Tablett ins Wohnzimmer und stellte es auf dem kleinen Tisch neben dem Sofa hin. Dann ließ sie sich seufzend neben mich sinken.
"Ich bin so froh, dass du da bist. Ich liebe die Beiden zwar sehr, aber sie können sehr anstrengend werden. Was ist denn los, Maus?", fragte sie mit ihrer warmen Stimme, die so besorgt klang, dass ich automatisch wieder zu Weinen begann. Salzige Tränen liefen über meine Wangen und lautlose Schluchzer schüttelten meinen Körper. Ich zog meine Beine an meine Brust, dann haute ich ohne irgendwie groß rumzureden die gesamte Wahrheit raus.
"Jonas hat mich betrogen."
Regina sog scharf die Luft ein.
"Ich wusste schon immer, dass man ihm nicht trauen kann! Dieses kleine Arschloch!", stieß sie wütend hervor und haute mit ihrer Faust auf den Tisch, sodass etwas Tee aus der Tasse schwappte. Ich schaute sie erschrocken an, denn ich erlebte nicht so oft, dass die sonst so ruhige Frau solch Worte benutzte. Noch weniger, seit sie Mutter geworden ist.
"Yuna, ich hoffe du weißt, dass er dich nicht verdient hat! Du bist so viel mehr wert als ihn", spuckte sie verächtlich aus und gab mir von der Seite eine Umarmung.
"Sei bitte nicht traurig. Ich kann es nicht mit ansehen", sie streichelte liebevoll durch mein Haar und ich lehnte mich gegen ihre Schulter.
"Ich kann es nur nicht fassen, dass er sowas tun konnte! Er hat doch gerade erst vor drei Monaten einen Hochzeitsantrag gemacht", ich wischte mir kurz über die Nase.
"Der Typ ist dumm wie Scheiße! Wie kann er es mit seinem Aussehen überhaupt wagen?", beleidigte sie ihn weiter.
"Du bist ein toller Mensch, siehst gut aus, hast einen sehr sympathischen Charakter und du kannst toll singen! Du hast viele Talente, die dich so einzigartig machen und er wagt es dir fremdzugehen und dich zu verlieren, obwohl er aussieht, als hätte er seid vier Wochen nicht geduscht, nicht kochen kann und gar keine Talente hat?", regte sie sich weiter auf.
"Ist hier alles gut? Ich habe ein Krachen gehört", fragte eine Stimme und Phillip, der Ehemann von Regina, tauchte im Wohnzimmer auf. Auf seinem Rücken hing Tobi.
"Oh", machte er dann, als er seine aufgelöste Frau und ihre heulende Freundin auf dem Sofa entdeckte.
"Tut mir Leid, ich wollte euch nicht stören. Ich war nur ein bisschen besorgt. Na dann, macht weiter, wo ich euch gestört habe", entschuldigte er sich.
Doch Reginas Gesicht hatte sich aufgehellt, als ich wieder zu ihr sah.
"Wir gehen feiern."
Der Kopf von Phillip tauchte wieder am Türrahmen auf.
"Kein Problem, ihr könnt gehen und ich passe auf die Kinder auf", meinte er und lächelte seine Frau warm an. Und weil ich mich so sehr für die beiden freute, weil sie sich gegenseitig gefunden hatten und sich über alles liebten, musste ich nochmal ein Schluchzen unterdrücken.
"Danke, Phillip. Und wir betrinken uns dieses Mal, nicht wahr Yuna?"
Ich war ihr so dankbar, dass ich kein Wort rausbringen konnte, sondern nur ein Nicken zustande brachte. Das klang ziemlich gut. Und so könnte ich vielleicht auch den angeschlagenen Blick von Jonas aus meinem Gehirn bekommen und für heute Nacht einfach nur ein feiernder Single sein.
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