Was passiert im Kongo?
Seit einem Jahr sieht man überall auf Social Media oder bei Protesten den Aufruf "Free Congo". Nichtsdestotrotz bin ich mir sicher, dass die wenigsten wissen, was hinter diesem Slogan steckt. Deshalb wollte ich es hier einmal erklären.
Zuerst: Es gibt zwei Länder, die "Kongo" heißen - und wir reden nicht über beide.
Die Demokratische Republik Kongo ist nicht zu verwechseln mit der Republik Kongo, die ein anderes Land ist. Beide Länder werden durch den Fluss Kongo getrennt.
Die Existenz von zwei Kongos geht auf die Kolonialgeschichte zurück: Die Republik Kongo war eine französische Kolonie, während die Demokratische Republik Kongo von Belgien kolonisiert wurde. Wenn Menschen "Free Congo" sagen, sprechen sie von der Demokratischen Republik Kongo.
Um die heutigen Geschehnisse dort zu verstehen, muss man zuerst auf eine andere ehemalige belgische Kolonie blicken: Ruanda.
Dort begann 1994 der Völkermord an den Tutsi. Innerhalb von drei Monaten hat die hutu-dominierte ruandische Regierung 800.000 bis 1.000.000 Tutsi massakrieren lassen, während die Vereinten Nationen nichts taten. Hutu und Tutsi teilen dieselbe Kultur und Sprache, wurden jedoch während der belgischen Kolonialherrschaft als unterschiedliche Ethnien konstruiert.
Nach dem Ende des Genozids im Juli 1994 und der Machtübernahme durch die überwiegend Tutsi-geführte Ruandische Patriotische Front unter Paul Kagame flohen viele Hutu - darunter Verantwortliche des Genozids - aus Angst vor Vergeltung in die benachbarte Demokratische Republik Kongo, die damals als Republik Zaire bezeichnet wurde.
Diese Ereignisse führten zwischen 1996 und 1997 zu einem ersten Krieg, gefolgt von einem zweiten, der 2003 endete. Leider war dies erst der Anfang, denn seit 2004 herrscht im Osten der Demokratischen Republik der Kivu-Krieg, benannt nach der Region Kivu.
Der Konflikt hat etwa 5-6 Millionen Menschenleben gekostet, was durchschnittlich 23 Toten pro Stunde auf einer Zeitspanne von 30 Jahren entspricht entspricht. Heute dauert der Kivu-Krieg seit 20 Jahren an und befindet sich in einer Phase zunehmender Gewalt.
Die Bewegung M23 ist eine 2012 gegründete Rebellengruppe in Nord-Kivu und steht im Konflikt mit den kongolesischen Streitkräften. Sie besteht hauptsächlich aus Tutsi, die vorgeben, die Interessen der im Kongo lebenden Tutsi zu verteidigen, die laut ihnen von einem Genozid gedroht seien.
Die kongolesische Regierung beschuldigt die M23, Kriegsverbrechen gegen Zivilist*innen zu begehen. Mehrere Länder und die UNO beschuldigen die Gruppe, Unterstützung von der ruandischen Regierung und Armee zu erhalten. Nur Ruanda bestreitet, dass sie es tun.
Auf der anderen Seite wird die kongolesische Armee von anderen bewaffneten Gruppen unterstützt, darunter die Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas (FDLR) - eine Gruppe, die aus den Hutu-Milizen hervorging, die 1994 den Genozid begangen haben.
Die Folge des Konflikts ist, dass mehrere Millionen Menschen humanitäre Hilfe brauchen. Die Stadt Goma (Hauptstadt von Nord-Kivu) hat Aufmerksamkeit auf sich gezogen, als die M23 Anfang Februar 2022 eine Offensive gestartet hat, um die Kontrolle über Goma zu übernehmen. Seit Jahren ist Goma von Flüchtlingslagern umgeben, in denen heute 600.000 Menschen unter schwierigen Bedingungen leben. Hinzu kommen das systematische Vergewaltigen als Kriegswaffe durch beide Seiten, sowie die steigende Zahl ziviler Opfer, die zwischen die Fronten der Konfliktparteien geraten. Die Einwohner*innen von Goma beklagen die Untätigkeit der internationalen Gemeinschaft.
Der Konflikt ist auch eng mit der Kontrolle strategischer Ressourcen wie Coltan verbunden, einem Metall, das für die Herstellung vieler elektronischer Komponenten verwendet wird. Etwa 60-80% der weltweiten Coltan-Vorkommen befinden sich in Nord-Kivu. Der Verkauf dieser Ressourcen finanziert bewaffnete Gruppen, die unter anderem um die Kontrolle der Minen kämpfen, und somit die Kriege. Internationale Unternehmen wie Microsoft, Google und Apple kaufen die Rohstoffe billig, wurden aber bereits wegen der Ausbeutung von Kindern bei der Cobaltgewinnung verklagt.
Der Kivu-Konflikt ist ein Krieg auf den Ruinen des belgischen Konoliareiches, der heute durch Korruption, Staatsversagen, internationale Untätigkeit und die Intransparenz des globalisierten Kapitalismus weitergeführt wird. Es ist kein Krieg in weiter Ferne, denn dieser Konflikt steckt in unseren elektronischen Geräten, wie beispielsweise Handys.
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