Sollte man die Polizei rufen?
CN: Es geht in diesem Text — logischerweise — um Polizeigewalt und zwar auch detaillierter. Auch ist immer mal wieder von Vergewaltigung die Rede.
In den letzten Wochen ist sehr vieles passiert. Zugegebenermaßen habe ich mich selbst für jemanden gehalten, der nicht viel davon mitverfolgt und daher mitbekommen hat, was damit zusammenhängt, dass da wo ich mich seit Monaten befinde kein Netz ist, aber dann kam ich auf Wattpad und habe bemerkt, es gibt Leute mit weniger Ahnung von all dem, worüber gesprochen wird, als ich und sie haben anscheinend, laut eigener Aussage, grundlegende Sachen gar nicht erst mitbekommen und rätseln rum. Es ist aber natürlich nicht einfach nur Wattpad, ich würde mal sagen enorm viele Menschen, die nicht so viel im Internet rumhängen, haben auch keine Ahnung, wer George Floyd, Breonna Taylor, Elijah McClain,... sind.
Bei manchen habe ich das Gefühl, für sie wäre Polizeigewalt etwas Neues, als ob Antirassist*innen und andere Aktivist*innen nicht tagtäglich darüber berichten würden, weil jeden einzelnen Tag überall auf der Welt etwas passiert, jeden einzelnen Tag gibt es neue Videos, die auf Soziale Netzwerken viral gehen, wo Polizist*innen in Gruppen auf einzelne und unbewaffnete Menschen losgehen, Minderjährige eingeschlossen, mit Schlagstöcken schlagen, treten, misogyn, queerfeindlich, rassistisch oder in irgendeiner anderen Weise beleidigen, foltern, ohne logischen Grund erschießen, die Pfefferspray und Tränengas einsetzen (was KEINE harmlosen Waffen sind, das muss extra betont werden), die sexuell übergriffig werden, die Haustiere erschießen, weil sie während der Untersuchungen nicht still bleiben oder weil man einen Obdachlosen verhaftet und den Hund nicht mitnehmen will, behinderten Menschen die Rollstühle und Prothesen wegnehmen, auf sie einschlagen, obwohl sie eigentlich wehrlos sind, etc.
Abgesehen von diesen Videos gibt es jeden einzelnen Tag neue Berichte von Menschen, die meinen von der Polizei grundlos verhaftet worden zu sein, von insbesondere nicht-weißen Menschen, die grundlos zu Hause besucht wurden und dort von mehreren Polizist*innen geschlagen wurden, Schwangere, alte Menschen und Kinder eingeschlossen, die ins Krankenhaus mussten, die Augen, Hände und Beine verloren haben, die von Polizisten vergewaltigt wurden (und zwar kommen diese Berichte sehr oft auch von Männern), die berichten schon als Kind belästigt und mit rassistischen Slurs angesprochen worden zu sein, Frauen die schon als kleine Mädchen von männlichen Polizisten gecatcalled wurden, die als sie sich in einer psychischen Krise befunden haben und Außenstehende die Polizei gerufen haben, weil sie dachten man sollte das so machen, eigentlich nur verhaftet wurden, statt tatsächlich Hilfe zu bekommen, Leute, die nicht nur gezwungen wurden, ihr Kopftuch auszuziehen, sondern auch ganz, damit man schaut, ob unter der Kleidung denn keine Waffen zu finden sind, und vieles mehr.
Es gibt ab und zu mal auch Berichte von Ex-Polizist*innen, die erklären, wieso sie diesen Berufswunsch aufgegeben haben; Gründe, die regelmäßig vorkommen, sind: „Ich habe den Rassismus nicht mehr ausgehalten", „Man bekommt dort Rassismus aktiv beigebracht", „Ich fand es schon immer sinnlos, Menschen in Situationen zu verhaften, wo es eigentlich gar nicht notwendig war", etc.
Es gibt auch Ex-Polizist*innen, die ganz einfach gefeuert wurden, weil sie Vorgesetzte nicht decken wollten, weil sie ihr Verhalten kritisiert haben, weil sie Polizeigewalt versucht haben zu verhindern, usw.
Auch gibt es immer mal wieder Artikel darüber, wie Chats aus WhatsApp-Gruppen, E-Mails, geschlossene Facebook-Gruppen von Polizist*innen, wo sie sich darüber unterhalten, wie sehr sie queere Menschen, migrantische Jugendliche und nicht-weiße Menschen im Allgemeinen, Demonstratinnen auf feministische Demos, usw. verachten, und wie sie sie am besten vergewaltigen und/oder auslöschen.
Wie gesagt, täglich passiert es und es ist kein Thema, das ganz plötzlich da ist. Wenn man bisher nichts von Polizeigewalt mitbekommen hat, dann liegt — zwar nicht nur, aber zum größten Teil — daran, dass man sich nicht für das Thema interessiert und da ist man ganz einfach selbst Teil des Problems.
Ich finde es auch spannend, wie die „Black Lives Matter"-Demos hier in Deutschland, Österreich und Europa im Allgemeinen anscheinend Rekorde gebrochen haben, nachdem was in den USA passiert ist, obwohl es ja auch in Deutschland regelmäßig Fälle gibt und die anscheinend niemanden interessieren. Nein, da muss es erst zuerst den Umweg über die USA geben.
Nach dem Mord an George Floyd einem Schwarzen Mann durch einen weißen Polizisten in Minneapolis (der wohlgemerkt nicht der einzige war, es gibt noch die Polizist*innen, die herumstanden und nichts unternommen haben, die da mitschuldig sind) sind, wie gesagt, ausgehend von den USA Schwarze Menschen gemeinsam mit anderen solidarischen Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Rassismus, Polizeigewalt und Faschismus zu protestieren. In den USA waren es Proteste, die von ständiger Eskalation und Gewalt seitens der Polizei geprägt sind, es gab bereits unzählige dokumentierte und wie man auch annehmen kann undokumentierte Festnahmen, Schläge, Tritte, Schüsse, Tränengas-, Pfefferspray-Angriffe und auch Morde durch Polizist*innen gegenüber mehrheitlich Schwarzen Protestierenden. Und ja, ein paar Wochen davor gab es die Amerikaner*innen, die gegen „Corona" protestiert haben, die also keinen Bock mehr auf die Einschränkungen hatten, sondern zum Friseur wollten oder auch sonst wo hin, nur ohne Maske, aber die haben nicht so viel Repression erfahren. Woran das mal wieder liegen könnte...
Diejenigen, die von der Gefängnisindustrie profitieren, freuen sich natürlich besonders über das ganze.
Bei diesem Thema geht es sehr viel um antischwarzen Rassismus, worüber ich nicht detailliert eingehen werde, weil ich dafür ganz einfach nicht qualifiziert bin, aber ihr könnt euch ja wo anders informieren, insbesondere in den letzten Tagen haben so viele davon betroffenen Menschen so viele Informationen dazu geteilt, dafür gab es auch extra mehrere Hashtags.
Hier geht es um die Polizei und ihre Rolle in der Gesellschaft — und zwar sowohl in der aktuellen Gesellschaft, in der wir gerade leben, als auch in der Vorstellung einer besseren Gesellschaft.
Da hieß es in den letzten Wochen oft „abolish the police" — eine Message, die auch von vielen Prominenten oder anderen Influencer*innen weitergetragen wurde, was mich persönlich ein bisschen überrascht hat, aber da zeigt ja nur, wie die Dinge voran kommen. Ich persönlich folge nicht sehr vielen von ihnen, aber z. B. habe ich mitbekommen, wie beinahe der ganze Cast von The 100 über die Polizei versucht haben aufzuklären, ganz vorne dabei Shelby Flannery (was daran liegen könnte, dass ihr Bruder selbst im Gefängnis sitzt), aber auch Sachin Sahel, Bethany Brown, Tasya Teles, Adina Porter, Jessica Harmon, Ivana Miličević, etc.
Auch viele vom 13 Reasons Why Cast, wie Dylan Minnette, Deaken Bluman, Brandon Finn,... aber in der Serie selbst geht es auch in vielen Stellen darum, Polizeigewalt zu denunzieren.
// An dieser Stelle Spoiler-Warnung für den nächsten Absatz:
Bereits in der ersten Staffel, als Tony einen da verprügelt und Clay meint, man macht sowas nicht, dafür ruft man die Polizei und Tony darauf antwortet, dass es so nicht funktioniert, dass die Polizei bei ihm „anders" ist und er das deshalb so regeln muss, wenn er Probleme hat. In den weiteren Staffeln zeigt er immer wieder, wie er sich aus Angst vor der Polizei verhält, z. B. zeigt er es nicht an, als sein Auto zerkratzt wird, er hilft Tyler zwar, die Waffen wegzuschaffen, weil er sein Freund ist, betont aber immer mal wieder, wie wichtig es ist, dass man ihn nicht erwischt und wie Angst er davor hat. Aber ganz besonders in der letzten Staffel geht es sehr viel um Polizeigewalt und polizeiliche Kontrolle, das ist zusammen mit Clays Trauma-Symptome eigentlich das Thema. Jessica merkt an, dass man wenigstens auch Frauen einstellen sollte, wenn man schon grundlos Schülerinnen untersucht, weil von einem Mann gegen seinen Willen angefasst zu werden Vergewaltigungsopfer triggern kann und es ist faktisch auch so, dass es Polizisten gibt, die diese Situationen ausnutzen, um Frauen und andere, die sie als solche halten, zu betatschen. Dann gibt es die Situation, wo zwar Justin einen Streit anfängt, Diego darauf eingeht und als der Polizist kommt, dann Diego direkt für den Schuldigen hält und sehr gewaltsam mehrfach gegen die Wand drückt, damit er ihm die Handschellen anlegen kann, weil er ihn für einen Mexikaner hält, was er nicht ist, aber das ist ja irrelevant, darum geht es bei Rassismus ja auch. Es gibt auch die Szenen, wo Tony mal wieder die ganze Zeit von einem Polizisten gestichelt wird, der irgendwann sinngemäß zu ihm meint, „wenn du nichts zu verbergen hast, warum bist du gerade dann so genervt?" Also wieder ein Fall von: der Polizist provoziert, die nicht-weiße Person ist daher genervt und genau das wird genommen, nachher zu zeigen, dass der Verdacht schon irgendwie berechtigt gewesen sein muss. Besonders prägend ist auch die Szene, wo die gesamte Schule gegen die Polizei(kontrolle) protestiert und der Schulleiter mehrere bewaffnete Polizisten (wie man erfahren hat, eigentlich nur Männer) wie Schutzschildern auf unbewaffnete Minderjährige losschickt, nur weil sie sich das Ganze nicht gefallen lassen wollen und der Schulleiter immer noch argumentiert, das sei für ihre Sicherheit, weil ihre Sicherheit das allerwichtigste wäre, obwohl er eben diese ganzen Polizisten auf sie loslässt und auch sonst in vorherigen Episoden Gewalt und Retraumatisierung aussetzt, durch eben diese „Sicherheitsmaßnahmen".
Ich muss sagen, ich fand die Szene an manchen Stellen ein bisschen lächerlich, zum Beispiel gehen fünf Polizisten auf einen Schüler, er gibt einen Fußtritt, zwei davon fallen um oder wenn der Punk (mir fällt der Name nicht mehr ein) anfängt zu lachen, als er verhaftet wird; ich dachte am Anfang auch, das wäre deshalb lächerlich, weil eine solche Situation niemals in echt passieren würde, wo eine ganze Schule merkt, dass das Problem die Polizei ist und sobald sie das merkt, auch was dagegen unternimmt, bis ich realisiert habe, dass es eigentlich nur in DEUTSCHLAND unrealistisch wäre. Und dafür braucht man nicht auf ferne Länder zu schauen, sondern beispielsweise in Frankreich gab's das die letzten Jahre schon mehrfach. Man erinnert sich an das Video, das letztes Jahr viral gibt, mit den ganzen Jugendlichen, die von Polizist*innen stundenlang auf die Knie gezwungen wurden (was Folter ist) und da auch von den Polizist*innen schikaniert. Man erinnert sich, als vor ein paar Jahren Studierende ganze Unis besetzt haben, um gegen die Reformen zu protestieren, da auch die Polizei kam und versucht haben, Beweismaterial zu zerstören, was sie aber nicht geschafft haben, weshalb es trotzdem Videos davon gibt, wo sie aufs Band sagen, dass sie Sachbeschädigung auf einmal doch ganz toll finden und Studentinnen, denen das Material gehört, als Huren bezeichnen. Auch die Gelbwesten, die massiv Gewalt durch die Polizei erfahren haben, unter anderem Körperteile verloren haben, würden es in Deutschland nicht geben. Ganz einfach, weil Deutsche die Polizei lieben.
// Spoiler Ende
Selbst GNTM-Kandidatinnen, insbesondere Tamara, haben ihre Reichweite ausgenutzt, nicht nur um auf die Proteste und Rassismus aufmerksam zu machen, sondern auch darauf, was das Problem an der Polizei ist und warum man sie abschaffen sollte.
Warum schreibe ich das ganze überhaupt? Erstmal wollte ich die Gelegenheit nutzen, um meine Meinung zu 13 Reasons Why zu sagen, zweitens wollte ich ursprünglich eigentlich darauf hinweisen, dass das Thema so groß wurde, dass selbst Menschen, die eigentlich keine Aktivist*innen sind, die teilweise Millionen von Followers haben, wenn nicht über zehn Millionen, es daher nichts mit „politischen Blasen" zu tun haben kann, darauf aufmerksam gemacht haben und versucht haben, aufzuklären, was das Problem an der Polizei und an Gefängnissen ist und dass wenn man also selbst keinen Aktivist*innen folgt, man trotzdem diese ganzen Informationen zu sehen bekommen könnte, es sei denn man hat alles geskipt, ignoriert, überflogen, oder man folgt eigentlich niemanden außer seine paar nicht-für-Rassismus-und-aktuellen-Themen-interessierten-Freund*innen oder man hat gar kein Instagram oder Twitter oder sonst was.
Und dann kommen Wattpad-User*innen und schreiben ganze Text darüber voller Ignoranz darüber, dass sie von nichts mitbekommen hätten und gar nichts verstehen würden und niemand hätte versucht, es zu erklären und Verbesserungsvorschläge zu geben. Selbst ich, die wie gesagt kein Netz hat, hat das alles mitbekommen. Okay, dann habt ihr kein Instagram, kein Twitter, ihr hört nur Radio und habt nur Wattpad. Auf Wattpad passiert sowas aber nicht, da braucht ihr nichts zu erwarten und es ist unfair, sich da einen einzelnen User zu nehmen, der angefangen hat, über das Thema zu schreiben, ihn zur Schau zu stellen und auf spöttische und passiv-aggressive Weise zu kommentieren und von dieser Einzelperson zu erwarten, alle, die ihn schon feindselig begegnen, über jeden Detail dieses umfangreiche Thema aufzuklären, obwohl sich einfach mal erstmal alle selbstständig über das Grundlegendste informieren könnten. Nur weil du nicht verstehst, warum Gesetze nichts mit Moral zu tun haben, weil es dir neu ist, gibt es dir nicht die Berechtigung, die Person dafür als „dumm" oder andersartig respektlos zu begegnen, die diese Tatsache ausspricht.
Also — warum don't call the cops? Warum abolish the police? Warum all cops are bad? Klingt das nicht... bäm bäm bäm... radikal?
Ich werde jetzt nur wiederholen, was eh schon überall auf Sozialen Medien diskutiert wurde, damit es auch mal auf Wattpad ankommt.
Warm klingt es „radikal"? Ein Teil der Antwort ist, dass die Existenz der Polizei und ihre Funktion in der Gesellschaft, also dass sie vermeintlich für die Sicherheit von Menschen untereinander Sorgen, insbesondere für nicht von Rassismus betroffenen, nicht-marginalisierten, weißen Personen, eine Selbsrverständlichkeit ist. Warum ich die weißen Personen betone? Weil es sehr wahrscheinlich ist, dass nicht-weiße Personen das früher merken, weil sie bereits das eine oder andere Mal schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben. Weiße kennen diese Geschichten meist aus Erzählungen. Und ja, es gibt Polizeigewalt gegen Weiße. Z. B. gegen wie gesagt den Gelbwesten, gegen weiße Umweltaktivist*innen, gegen weiße Linke, gegen anderen Aktivist*innen, aber das sind meist alles Sachen, die man jemanden nicht ansehen kann, währenddessen kannst du als beispielsweise Schwarze Person deine Hautfarbe nicht ablegen. Es ist also egal, was du machst, wie du dich verhälst, du bleibst eine Zielscheibe.
Menschen, die Polizeigewalt leugnen, können manchmal einsehen, dass es ja schon „einzelne" rassistische Beamte gibt und dass sie verantwortlich gemacht werden sollten, aber dann haben sie das Problem grundsätzlich nicht verstanden, weil es bei Polizeikritik nicht um Kritik an Individuen geht, sondern Kritik an die Berufsgruppe, dass sie überhaupt existiert. Jetzt extra ganz langsam, für diejenigen, die immer noch nicht mitkommen:
A) Gesetze hängen nicht mit Moral zusammen. Gesetze hängen mit den Interessen der Mächtigen zusammen.
B) Der Sinn der Polizei ist es, dafür zu Sorgen, dass Gesetze eingehalten werden.
Konklusion: Der Sinn der Polizei ist nicht, moralisch zu handeln. Der Sinn der Polizei ist es, die Interessen der Mächtigen zu verteidigen und zu schützen. Es ist also ein schlechter Beruf.
Man kann sich auch die Geschichte anschauen. Immer als es soziale Kämpfe um Menschenrechte gab, stand die Polizei noch NIE auf der Seite derjenigen, die Rechte gefordert haben. Aber sie stand auf der Seite der beispielsweise Nazis oder anderen, die in Diktaturen an der Macht waren/sind. Wer das leugnet, der soll mir mal bitte erklären, wie er sich vorstellt, dass eine Diktatur ohne Repression überhaupt funktionieren kann. Warum wehren sich die Menschen, inklusive die Polizist*innen mit ihren Waffen, nicht gegen die Machthabenden?
Die Polizei hat da eine ganz wichtige Rolle. Und nur weil wir nicht in einer Diktatur leben, heißt es nicht, dass Polizist*innen plötzlich nicht mehr die Interessen der Machthabenden verteidigen. Wie gesagt, das ist genau ihre Aufgabe.
Also manche kommen nur dazu, zu erkennen, dass „einzelne" Polizist*innen rechts sind, aber die Polizei als Institution wird seltener hinterfragt, dass ihre Existenz schon inherent rechts ist. Deshalb zieht es auch Rechte an und wer es nicht ist, der wird während der Ausbildung schon rechts gemacht.
Leute fragen sich viel zu selten:
Wofür gibt es die Polizei eigentlich?
Wie wurde sie gegründet?
Sind die Gefahren in der Gesellschaft wirklich die, die wir denken?
Was haven die ganzen Gefangenen eigentlich angestellt? Und was sind ihre Lebensverhältnisse?
Wir lernen die Rufnummer der Polizei gleichzeitig mit der der Rettung und der Feuerwehr, als wären ihre Dienste für die Gesellschaft vergleichbar.
Ich will nicht sagen, dass es beispielsweise keine rechten Feuerwehrleute gibt. Es gab ja z. B. Fälle, wo sie sich geweigert haben, das Feuer bei brennenden Flüchtlingsunterkünften zu löschen. Aber der Beruf ist halt nicht inherent rechts. Die Berufsgruppe muss nicht weg, wollen wir eine gerechte Gesellschaft erreichen.
Wir lernen, dass es wichtig ist, Gesetze einzuhalten. Falls sie es nicht werden, lernen wir, dass Strafen die richtige Antwort darauf sind. Wir lernen, dass Menschen, die in Gefängnissen eingesperrt sind, es zurecht sind, weil sie eine Bedrohung für die Sicherheit sind. Was sie auch immer gemacht haben, interessiert uns nicht, diese Leute interessieren uns allgemein nicht, sie sind dann ja einfach weg.
Polizist*innen werden auch in den Medien als coole Held*innen dargestellt, es gibt viele Bücher für Kinder, Polizist*in zu sein ist ein typischer Traumberuf, alle Polizei-Accounts in den Sozialen Medien versuchen ständig lustig zu sein und sympathisch rüberzukommen, durch Witze, durch lustige Bilder, es gibt viele heroische Polizei-Serien, in denen Individuen und ihr privates Leben zum Thema gemacht werden und wo ihre Dienste für die Gesellschaft der Plot sind. Und das ist irgendwie spannend, weil es dann entweder schon einzelne schlechte Polizist*innen gibt, aber die werden intern bekämpft, oder die Polizist*innen sind entweder alle schlecht und es wird einfach von den Zuschauer*innen akzeptiert, weil das sind doch Polizist*innen, die dürfen das ja und das ist cool, so jemanden mit Macht haben, weil dann kommt es ja in der Geschichte voran.
Ich weiß, Stranger Things ist keine Polizei-Serie, aber Fans sind einfach so krass unkritisch gegenüber der Serie, es heißt sie ist feministisch nur weil Nancy eine Waffe hält, Jonathan ist gut, trotz der Tatsache, dass er Nancy gestalkt hat und als die Jugendlichen das mitbekommen und wütend darüber sind, sind sie aber die bösen, und Hopper ist auch irgendwie gut, obwohl er seine Position als Sheriff die ganze Zeit missbraucht à la „Ich weiß, ich darf das nicht, aber ich bin der Sheriff und wenn du das nicht zulässt, füge ich dir Gewalt zu" und dann tut er das tatsächlich.
Aber jedenfalls, immer wenn es schlechte Polizist*innenin Serien gibt, dann geht es nie um Rassismus, nie um Rechtsextremismus, White Supremacy,... die sind nur anderweitig schlecht. Die gehorchen nicht auf Befehle, haben ihren eigenen Kopf und verschlimmern Situationen oder so.
Auch Gefängnis-Serien sind stark romantisierend. Klar, es geht um Unterhaltung, aber diese schlechten Repräsentation sind, wie bei Geschlechtsrollen und Heteronormativität, auch nur Brainwashing.
Beim Thema Gefängnis muss man da die USA aber auch besonders betonen, weil das ganze System dort auf der historischen Sklaverei wurzelt, die bloß in anderen Formen reinstalliert wurde und weil dort ein besonders hoher Anteil der Bevölkerung im Gefängnis sitzen (hauptsächlich nicht-weiße Männer).
Die Polizei dient der staatlichen Kontrolle, der Durchsetzung von Interessen und der Aufrechterhaltung von Machtverhältnissen, die auf faschistischen Ideologien und auf Ausbeutung aufbauen. Man kann den Kapitalismus nicht abschaffen ohne Dir Polizei in ihrer jetzigen Form abzuschaffen, weil es ihre Aufgabe ist, diesen Status Quo zu behalten und zu verschärfen.
Gefängnisse in den USA sind eine Milliarden-Dollar-Industrie. Marken profitieren davon, dass die Produktion von Gefängnisinsassen errichtet wird, weil es weniger kostet, schließlich darf man ja ihre Menschenrechte missachten (oh... ein weiteres Beispiel dafür, dass Gesetze nichts mit Moral zu tun haben *pretends to be shocked*) Deshalb ist es im Interesse des Kapitalismus, dass Gefängnisse dort voll bleiben, weil so Profit gemacht wird und Profit ja wichtiger als Menschen ist. Eine Liste der Marken, die das betrifft, ging auch die ganze Zeit überall im Internet rum.
Damit Gefängnisse voll bleiben, müssen die Gefangene auch „produziert" werden. Wie schon zwei Kapitel als Beispiel genommen erwähnt, einfach Drogen kriminalisieren, obwohl Sucht eine Krankheit ist und man eigentlich Hilfe bräuchte... man kriminalisiert die Versuche armer Menschen, in dem System zu überleben... man kontrolliert insbesondere gewisse Menschengruppen, z. B. Schwarze Männer, Stichwort Racial Profiling,... etc.
Jemand auf Wattpad hat sinngemäß geschrieben „Was können alle anderen Polizist*innen dafür, dass einer seinen Job nicht gemacht hat?" Aber das Problem ist nicht, dass sie ihre Arbeit nicht erledigen, das Problem ist, dass sie es tun. Solche Kommentare zeigen auch wieder nur, dass die Kritik an der Polizei grundlegend nicht verstanden wurde.
Deshalb gibt es in der Theorie keine guten Polizist*innen, und zwar auch nicht diejenigen in den USA, die bei den Protesten auf die Knie gegangen sind, um ein paar Schnappschüsse zu machen, wie sie Schwarze Menschen umarmen. Vor allem gibt's User*innen auf Twitter, die durch Fotos herausgefunden haben, dass manche von ihnen schon am nächsten Tag wieder bei Polizeigewalt beteiligt waren, lol.
„Gute" (im Sinne von moralische) Polizist*innen sind in diesem System nicht vorgesehen.
Es gibt oft das Argument, dass es doch gute Polizist*innen gibt, weil sie am Anfang ihrer Ausbildung gute Intentionen haben, aber da fängst du eh klein an und kannst dich nicht gegen die Hierarchie durchsetzen. Ich hab sogar mal ein Video von irgendeiner kleinen YouTuberin gesehen, die meine, Linke sollte mal aufhören, sich über die Polizei zu beschweren und stattdessen einfach mal selbst Polizist*innen werden sollten, um die Institution von innen herauszuverändern, was einfach nur auf so vielen Ebenen kompletter irrealistischer Unsinn ist.
Deshalb sind Reformen auch sinnlos, weil sie den Zweck der Polizei an sich nicht verändern, das sollen sie auch nicht, sondern irgendwas oberflächlich verändern, was irgendwie am Ende besser sein sollte, warum auch immer. Ein System, das auf der Entrechtung Schwarzer Menschen aufgebaut ist, kann nicht reformiert werden, sondern es muss niedergerissen und abolitioniert werden. Die armen Polizist*innen, die dann ihre Jobs verlieren, sind nicht meine Priorität.
Nächster Punkt ist, dass man „nicht die Polizei rufen" sollte; das heißt: nicht wenn die Nachbar*innen zu laut sind, weil dann kann man... Achtung... vorher darüber REDEN. Man ruft die Polizei auch nicht, wenn jemand unter Drogeneinfluss stehen, weil um solche Menschen kümmert man sich und redet auch, statt sie auszuliefern. Wenn sich jemand in einer psychischen Krise befindet, sich umbringen will, dann ruft man auch nicht die Polizei, weil die keine Ahnung hat, wie man mit psychisch Kranken umgeht, dafür sind andere Menschen viel besser geeignet und in so einem Zustand werden dich Polizist*innen um dich herum sicher nicht zur Ruhe bringen. Usw.
Ansonsten könnt ihr das Leben eines Menschen zerstören, was bei manchen Gruppen wahrscheinlicher ist als bei anderen, also z. B. wenn eine Polizeikontrolle dich direkt in die Abschiebehaft bringen oder wenn es dich körperlicher und psychischer Gewalt durch die Polizei aussetzt.
Bei irgendwelchen offiziellen Straftaten, die niemanden schaden, aber trotzdem unberechtigerweise kriminalisiert sind oder sich gegen Konzerne und nicht Menschen richten muss keine Polizei gerufen werden.
Natürlich ist es jetzt aber so, dass unserer Gesellschaft auf eine bestimmte Weise aufgebaut ist und daher gibt es auch Gründe, die Polizei zu rufen. In einer anderen (utopischen) Gesellschaft würde es für diese Gründe auch Leute geben, aber sie wären anders organisiert und da würde es tatsächlich um die Sicherheit von Menschen gehen und nicht um Kontrolle, Macht, Kriminalisierung, Datensammlung...
Was sind denn solche Situationen, in denen man im heutigen System die Polizei rufen muss?
Wenn es um Gewalt gegen Menschen geht. Wenn man Zeug*in ist, schaut man, wie viel man riskiert, wenn man selbst einschreitet und wie viel Zeit bleibt, bis etwas passiert. Wenn das nicht geht, ruft man natürlich die Polizei.
Wenn man aber nur etwas ahnt, z. B. häusliche Gewalt bei den Nachbar*innen, kann man erstmal — wenn das geht — mit der Person, die man für betroffen hält, zu reden. Unabhängig davon, kann man zuerst bei NGOs, Frauenhäusern, feministischen Vereinen, usw. nachhaken.
Es gibt weitere Notwendigkeiten, die Polizei zu rufen, auch wenn man nicht weiter weiß und in einer gefährlichen Situation steckt.
Wenn es nicht allzu dramatisch ist und es möglich ist, dann sollte man selbst zu einer Station gehen, statt die Polizei zu holen, denn es gibt andere Leute in der Nähe, im Haus, etc. die aus unterschiedlichen Gründen Angst vor der Polizei haben.
Es gibt auch das Argument, dass es wichtig sei, Anzeige zu erstatten, egal bei was, damit es in der Kriminalstatistik aufgenommen werden kann.
Besonders im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt wird das gesagt und das setzt die Opfer unter enormen Druck, weil sie wissen, dass die Wahrscheinlichkeit sehr klein ist, dass etwas da rauskommt und sie keine Energie haben, ein Verfahren ohne Aussicht auf Erfolg durchzustehen. Es sind jetzt schon so viele Anzeigen, was sexualisierte Gewalt angeht, aber anscheinend ist es trotzdem nicht Anlass genug, Betroffene besser durch staatliche Maßnahmen zu schützen, aber wen interessiert es überhaupt.
Also wie auch sonst immer an Betroffenen: Ihr müsst nicht anzeigen, wenn ihr das nicht möchtet.
Am Ende noch Dokus- und Bücher-Empfehlungen über das Thema — wer sie nicht schaut/liest, der ist selbst dafür verantwortlich, man sollte halt nicht über Themen reden, wenn man sich vorher nicht über sie informiert hat.
Die erste Doku ist „13th", die gibt es auf Netflix, die wurde in den letzten Wochen überall von selbst in der Regel unpolitischen Leuten empfohlen, es geht um das Gefängnis in den USA und was es mit Rassismus und Kapitalismus zu tun hat.
Da gibt es das Buch „are prisons obsolete?" von Angela Davis, es ist sogar ziemlich kurz, nur 65 Seiten und das ist auch super leicht geschrieben. Es gibt im Internet überall PDFs davon, gibt das einfach bei Google ein, im Notfall könnt ihr mich fragen.
Und die dritte Empfehlung ist „Überwachen und Strafen — die Geburt des Gefängnisses" von Michel Foucault, das ist länger, aber das ist sehr ausführlich, außerdem nützlich für andere Bereiche. Auch davon kann man leicht im Internet PDFs finden.
Ansonsten gibt es natürlich nicht nur das, verschiedene Sendungen haben Dokus gemacht, manche sind auf YouTube zu finden oder auch wo anders kostenlos erhältlich.
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