Wolfstar: Eine Erinnerung an Schnee
Ein Luftzug fuhr scharf über die kantigen und ausgehöhlten Wagen von Sirius Black, den angeblich engsten Vertrauten von Du weißt schon wer.
Der Wind zischte durch das kleine Loch in der Wand, was man hier als „Fenster" bezeichnete. Sah man hindurch, erkannte man die Wellen, die gegen das Gebäude seines Schreckens brandeten. Dem Wetter zu folge müsste es mittlerweile Winter sein. Ständig regnete es und die Wellen schienen höher als je zuvor. Der Wind war noch kälter als im Herbst und nicht selten konnte man den Geruch von Schnee wahr nehmen.
Schnee. Wie er dieses Zeug doch früher geliebt hatte.
Die kleinen Flocken, vom Himmel fallen gelassen, jede auf ihre eigene Art wunderschön und bezaubernd. Zerbrechlich und kalt wie nur wahre Schönheit es sein konnte
.
Wie viele Stunden hatte er damals da gesessen, vor dem großen Fenster im Schlafsaal, und hatte sie auf ihrer langen Reise nach unten gezählt.
Er erinnerte sich, als wäre es gestern gewesen. Sein Gesicht gegen das Glas gepresst, sein Atem an der Scheibe beschlagend. Er lehnte seinen Kopf an die Mauer und schloss die Augen.
Für einen Moment schien er wieder ein Teenager zu sein. Ein Schüler in Hogwarts im 5 Jahr.
Fast schon konnte er die aufgeregten Stimmen der anderen Jungen und Mädchen unten im Gemeinschaftsraum hören, die sich über die Ferien, Weihnachten und Neujahr unterhielten.
Noch gut konnte er sich an das Knacken des brennenden Holzes im Kamin erinnern.
Das Lachen von Peter, die Witze von James und das genervte Schimpfen von Evans, alles halte von den Wänden zu ihm herüber. Doch die vielen Jahre, die er diese Stimmen nicht mehr vernommen hatte, trübten die Klänge und ließen sie so nah und doch unendlich weit weg erscheinen.
Nur eine war ganz nah bei ihm. Klarer als Glas, weicher als Schnee und süßer als Honig.Nur ihr gelang es den Abstand von Zeit und Raum zu durchbrechen.
„Was findest du nur so interessant an ein paar gefrorenen Wassertropfen?"
Die Stimme lies leisen Spott hören, aber noch viel mehr Belustigung.
„Jedes Jahr Sitz du stundenlang, wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal Schnee sieht, vor dem Fenster."
Und obwohl der andere Junge nicht das geringste Interesse an den Schönheiten draußen zu haben schien, kam er doch näher und stellte sich direkt hinter ihn.
Neben dem Klang der Stimme gesellte sich nun noch etwas anderes hinzu. Als der Andere näher kam, konnte Sirius ihn riechen.
Remus roch perfekt. Wie ein eiskalter klarer Wintertag im Dezember.
Nach frischem Schnee, etwas Rauch vom Kamin und heißer Schokolade. So viel Schickoldae.
Ein leichtes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. Noch heute schaffte bloß der Gedanke an diesem Augenblick eine wohlige Wärme in Sirius und beinahe hätte er mit seinem jüngeren Ich mitgesprochen.
Doch er traute sich lediglich die Worte leise mit den Lippen zu formen.
„Ihre Einzigartigkeit, die sie gleichzeitig so schön und zerbrechlich macht." antwortete er leise, ohne vom Gewimmel draußen aufzusehen. Seine Lippen formten ein weiches Lächeln.
„Jedes Mal wenn eine von ihnen auf deiner Hand landet und daraufhin schmilzt zerstörtet du ein Unikat"
„Dir ist schon klar, dass das eine rhetorische Frage war, oder?" Das Lachen Floß in seine Stimme, wie Honig in warme Milch, die dadurch noch ein Stück süßer wurde. Sicher begann gerade draußen der Schnee zu schmilzen, allein wegen der Wärme in diesen wenigen Worten.
Doch seine Worte erreichten nicht nur das, denn der Junge Black lächelte noch etwas breiter und schaffte es sich von dem Getümmel draußen los zu reißen.
Sein übliches Blackgrinsen blitzte aus, als er nun den braunhaarigen ansah.
Geflissentlich überhörte er Remus zweite rhetorische Frage an diesem Abend und fügte seiner Antwort noch etwas hinzu.
„Und Schneebälle."
Sein Gesicht verzog sich schalkhaft und er vollführte eine Wurfbewegung.
„Vor allem, wenn sie jemanden wie meine blöde Cousine treffen."
Remus begann laut zu lachen. So laut, dass selbst der Erwachsene Sirius anfing zu lachen und für einen Moment die Augen schloss.
Remus Lupin und das Schneegestöber. Ein Gedanken, der ihm selbst hier ein Gefühl der Vollkommenheit gab und die triste Zelle gegen einen farbenfrohen Schlafraum austauschte.
Für einen Moment schien Sirius wieder dort zu sein. Und nicht hier in Azkaban.
Er war in Hogwarts. Zuhause. Bei Remus.
Das Karamell Braune Haar flog durch die Luft, als dieser den Kopf schüttelte und etwas sagte wie: „Du bist so ein Idiot"
Und dann setzte er sich neben ihn.
Ohne weiter etwas zu sagen. Sein Blick, wie eben der von Sirius aus das Schneegestöber vor dem Fenster gerichtet.
Ein kleines Lächeln auf den Lippen.
Beide hatten sie den Rücken an die kalte Mauer hinter sich gelehnt. Das Gesicht an der Scheibe.
Um die angewinkelten Beine Schlangen die Jungen ihre Arme. So das sich lediglich ihre Fußspitzen berührten.
Nach einer Weile würde es sogar ihm zu langweilig und zu unbequem.
Er begann sich zu recken. Die Arme über den Kopf ausstreckend.
„Na, ist der Stein auf einmal hart?" belustigt sah der Jünger ihn aus Honigfarbenen Augen an. Sie glitzerten Sirius voll wohl wollen an und ließen ihn fast dahin schmelzen. Doch wie immer drängte er die Gefühlte zurück.
„Ne eher die Mauer hinter mir kalt"
Wie zur Verdeutlichung seiner Worte verschränkte er seine Arme.
„Wenn es nur das ist!" Eine einladenden Geste lud den Jungen ein sich statt an den harten Stein sich an Remus an zu lehnen.
Etwas zögerlich nahm er das Angebot an.
Remus war wie eine warme Hülle die sich um ihn legte. Als sein Rücken an dem Bauch des jungen Werwolfs lag fror er nicht mehr und die steifen Knochen waren vergessen.
Langsam hebte und senkte sich Remus Brust. Selbst durch den dicken Stoff der Pullis fühlte er ein schnellschlagendes Herz, das sich seinem eigenen anzupassen schien.
Sirius lehnte seinen Kopf zurück, so das dieser nun auf der Schulter des Zweiten ruhte.
Er rückte noch etwas näher zu ihm. Dann drehte sich leicht seitwärts, um weiter hin das Schneegestöber hinter dem großen Fenster betrachte zu können.
Scheinbar ganz ausversehen streiften dabei seine Lippen den Hals des größer. Dieser schien davon nichts mitbekommen zu haben.
Langsam atmete er einmal tief ein. Zum einen, um seinen Herzschlag zu beruhigen, zum anderen um Remus herrlichen Duft in sich aufzunehmen.
Gut getarnt als eine Art Gähnen.
„Hey, schlaf jetzt bloß nicht ein" lachte Remus leise und fügte noch hinzu „Ich hab keine Lust du ganze Nacht hier zu sitzen. Dann geh lieber ins Bett"
Ich schloss die Augen und schüttelte energisch den Kopf. „Dann hätte ich ja mein Kuscheltier nicht mehr. Oder du musst mit ins Bett kommen, Remilein!"
Jetzt war es an im den Kopf zu schütteln, wobei er erneut den Duft von Schokolade und einem Feuer im Kamin aufwirbelte.
Dann sagte er belustigt, doch mit zusammengezogenen Augenbrauen.
„Nenn mich nie wieder so." Bedingt durch die geschlossenen Augen, konnte Sirius es zwar nicht sehen, dennoch wusste er, dass Remus gerade den Mund verzog.
„Der Name ist schrecklich"
Er begann an den Locken auf Tatzes Kopf zu spielen, wobei er drei kleine Strähnen zu einem Zopf zusammen flocht.
„Ich find ihn süß"
„Ja du fandest auch, dass Cammila Davidson süß ist." erwiederte Angesprochener nur schlicht. Er durchforstete weiter Sirius Haar und trennte die eben geflochtenen Haare wieder von einander.
„Cammila war doch nicht süß." er ließ eine Kunstpause, um Remus Aufmerksamkeit mehr auf sich zu lenken. Bei seinem nächsten Worten blickte er zu dem Anderen hoch, um die Reaktion auf die folgenden Worte zuerkennen
„Camilla war heiß"
Eine dreiste Lüge.
Er war mit diesem Huffelpuffmädchen nur ausgegangen, weil sie eine leicht zuhaben war und als eine Art Trophäe von einem Jungen zum nächsten rüber gereicht wurde.
Und sie küssen konnte sie. Das müsste man ihr lassen.
Ein weiteres Mal verzog Remus das Gesicht und konnte sich das Augenrollen nicht verkneifen. Doch diesmal war das funkeln darin verschwunden und ä kein Lächeln lag auf seinen Lippen.
Schnell sah Sirius wieder weg. Der Scherz war auf seine Kosten gegangen.
Seine Haare schienen wieder halbwegs in Ordnung, denn kurz lagen Remus Hände ruhig in seinen Haaren.
Dann begann er immer wieder eine der braunen Locken in seinen Finger zu wickeln.
„Was genau machst du da eigentlich?" fragte der Ältere Gryffindor in die aufkommende Stille, die er langsam unangenehm empfand.
Angesprochener hielt Inne, als hätte er sich selbst bei etwas erwischt, das er eigentlich nicht mehr hatte tun wollen.
„Heißt nicht, das du aufhören sollst" flüsterte Sirius mit geschlossenen Augen.
„Entspannt irgendwie"
Okay das verdankte er weniger der Tatsache, das ihm sein „Remilein" die Frisur zerstörte, sondern eher an diesem Selbst.
Schon immer fühlte er sich in Remus Gegenwart geborgen und sicher.
Wahrscheinlich, weil der Junge Werwolf das komplette Gegenteil zu seiner Familie darstellte.
Sie waren Reinblüter, Remus ein Halbblüter.
Sie waren Slytherin, Remus ein Gryffindor.
Sie waren reich und Remzs war arm.
Seine Familie hasste Sirius, doch Remus...
Selbst in seinen Gedanken traute er sich nicht den Gedanken tuende zu führen.
Ja, manchmal war auch der tapferste Gryffindor ein Feigling.
So saßen sie da. Sirius an Remus geschmiegt. In Gedanken versunken und aus dem Fenster starrend.
Beide in ihrer eigenen kleinen glücklichen Welt. Und doch zusammen dort.
Nur, um sich nicht zu treffen.
Er konnte nicht mehr sagen, wann genau sie aufgestanden waren. Vielleicht waren sie auch einfach auf der Fensterbank eingeschlafen und Evans hatte sie am nächsten Morgen mit belustigter und doch strenger Stimme geweckt.
Er konnte es nicht mehr sagen. Zu verschwommen waren die Erinnerungen an einen Winterabend in einem Schloss, dass für 7 Jahre sein zuhause gewesen war.
Genauso gut hätte es ein Traum sein können. Diese Zeit schien so unendlich weit weg. Zu weit um sie zu greifen.
Vielleicht sogar aus einem anderen Leben.
Die Kälte an seinem Rücken kehrte zurück und er registrierte, dass nicht mehr den süßen Gryffindor hinter ihn saß, sondern nur noch die harte Mauer seiner Zelle.
Wie hatte das alles nur so schnell schief laufen können?
Wie war aus ihrem behaglichen Alltag, nur das hier geworden?
Wie hatten sie sich nur so sehr täuschen können?
Einst waren sie so glücklich gewesen. Unbekümmert, Voller Freude und so lebensfroh.
Nicht könnte Ihnen etwas antun.
Doch der Krieg kam näher. Und machte auch vor ihnen nicht halt.
Er nahm so viel und gab nur Kummer und Sorgen.
Nichts war ihm von der einst so goldenen Zeit geblieben.
Seine Freunde waren Tod, hatten sich als Verräter heraus gestellt oder hassten ihn, für etwas, das er nicht einmal getan hatte.
Remus hasste ihn.
Ein Kloß bildete sich in seinem Hals, und beinahe wäre eine Träne aus seinem Auge geronnen. Doch wie immer hielt er sie zurück.
Er durfte keine Schwäche zeigen. Nie wieder. Nicht ohne Rückendeckung.
Er war allein. Da war keine Wärme mehr. Niemand der sie ihm gab.
Kein James mit blöden Witzen, nicht mal eine spiessige Lilly die ihm versuchte etwas auszureden.
Und noch weniger ein Remus. Mit seinem lächelnden Lippen, den klugen Augen und seinen wundervollen Worten.
Was hätte er nicht gegeben, um einen von ihnen wieder zu sehen. Und wenn es nur für eine Sekunde war.
Was würde er nicht alles geben, um noch einmal Evans nervige Stimme zu hören, wie sie James zur Schnecke machte.
Remus Kopfschütteln gesehen und sein eigenes schallendes Lachen gehört.
Nur einmal wollte er in die Zeit vor dem Krieg zurück.
Und dort wollte er für immer bleiben. Irgendwie würde er die Zeit anhalten und für immer in seiner kleinen geschützten Welt bleiben.
Ein Teenager unter seinen besten Freunden.
Dafür würde er alles geben.
Doch was könnte er noch geben?
Er besaß doch nichts mehr.
Nur noch seine Erinnerungen und selbst die nahmen ihm die Dementoren langsam.
Selbst an das einst so vertraute Kribbeln im Bauch immer wenn er an sein Remilein dachte verschwamm in seinem Kopf.
Würde er ihn je wieder sehen? Sicher nicht.
Also sprang Sirius zurück in seine Erinnerungen und versuchte dort wiederzufinden, was er vor so langer Zeit verloren hatte.
Und doch drängte sich immer wieder eine Frage in ihm auf.
Was wäre wenn..?
Was wäre passiert, hätte er es einfach gesagt.
Nur einmal.
Remus, ich liebe dich.
Was wäre wenn...
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