~ 44 ~
Er spürte Ellas Blick auf sich ruhen und wie der Kloß in seinem Hals zusehends anschwoll. Wie hatte er nochmal anfangen wollen, als er sich milliardenfach vorgestellt hatte, er dürfe Ella alles erklären? Es fiel ihm nicht mehr ein. Stattdessen mühte er sich, überhaupt Luft in seine Lunge zu pressen. Er lenkte seinen Blick in die Tasse, verfolgte mit den Augen den Dampf, der daraus hervorbrach und versuchte, die Antwort darin zu finden.
„Ich hab mich wie ein Arschloch benommen." Er bemerkte, dass Ella lediglich ihre linke Braue hob, ansonsten schwieg sie und er räusperte sich nochmal. „Ich bin an dem Abend mit Mo aneinandergeraten, das hattest du ja schon registriert. Nach dem Vorfall mit diesem ... TYPEN hat er Tatsachen benannt, die ich nicht wahrhaben wollte. Er hat wie ein Wasserfall auf mich eingeredet und als es mir zu viel wurde, bin ich geplatzt und hab diesen Müll gesagt. Ich wollte ihn nur schockieren und außerdem verleugnen, dass er recht hatte mit allem, was er mir an den Kopf geworfen hat."
„Was wäre?"
Der Knoten in seinem Magen zog sich noch fester zu und er schluckte gegen die Enge in seinem Hals an, während er Ellas stechendem Blick auswich, mit dem sie ihn musterte. „Dass ich tiefere Gefühle für dich habe, dass ich Schiss habe, dass ich dich nicht halten kann und ... dass ich den Kerl vermöbelt habe, weil ich nicht nur Mos Ehre wiederherstellen wollte. Sondern auch meine."
Während Ella ihn verwirrt ansah, begann sein Knie auf und ab zu wackeln. Jeden Moment würde sich die Haut von seinem Schädel lösen, so fixierte sie ihn. „Wieso solltest du deine Ehre verteidigen müssen? Weil du mit mir unterwegs warst?!"
„Was? Nein! Wie kommst du jetzt darauf?" Seine Verwunderung lenkte ihn wenigstens kurz von seinem Gefühlschaos ab, während Ella seinem Blick wieder auswich und mit den Schultern zuckte.
„Ich hab schon gemerkt, wie sie mich belächelt haben, weil ich figurtechnisch nicht in Schema F passe." Automatisch vertiefte sich sein Stirnrunzeln und er kramte in seinem Gedächtnis, ob er diese Tatsache wahrgenommen hatte. Hatte er nicht. Wieso auch? Sie war wunderschön, so wie sie war.
„Nein, du warst nicht der Grund. Darin würde ich keinen Anlass sehen. An dir ist nichts falsch, nicht das Geringste und deswegen kann es meine Ehre nicht beschneiden, mit dir unterwegs zu sein. Das kannst du also getrost vergessen."
Er sah, wie Ella so etwas wie ein Nicken andeutete und mit den Achseln zuckte. Überzeugt wirkte sie nicht, das unterstrich auch die Tatsache, dass sie ihre Hände knetete und die Schultern nun hochgezogen hatte, als würde sie sich unwohl fühlen. Zumindest das konnte er nachvollziehen. Er fühlte sich momentan ebenso nicht sonderlich wohl in seiner Haut. Wieder kroch Angst sein Rückgrat hinauf und erinnerte ihn daran, dass er ein Geständnis abzulegen hatte.
„Hätte ja sein können. Ich weiß ja, dass ich nur eine Drei auf einer Skala bis zehn bin." Ihr Murmeln riss ihn erneut aus seinen Gedanken und er schaute sie verdutzt an. Ihr Kinn war trotzig vorgeschoben, obwohl ihre Stimme verriet, dass dieser Müll weniger ihren Trotz als ihre Selbstzweifel anfachte.
„Wer hat das gesagt? Tobi?" Erneut wich Ella seinem Blick aus und er nickte verstehend. „Dann ist er nicht nur bescheuert, sondern auch blind, denn ein paar Kilos mehr oder weniger entscheiden definitiv nicht über Attraktivität. Aber gut, das seh vielleicht nur ich so."
Ihr Blick klebte sich wieder an sein Gesicht und er bemerkte, dass sie ihn forschend ansah, als würde sie nicht so recht glauben können, was er gesagt hatte. Da sie aber weiterhin schwieg und ihn nur anschaute, wurde seine Kehle wieder enger. Er hätte sich jetzt lieber über die Tatsache aufgeregt, dass manche Menschen andere so behandelten, dass diese mit sich haderten.
Aber dazu musst du dich ebenfalls zählen, vergessen? Um Zeit zu gewinnen, nahm er einen Schluck aus seiner Tasse und widerstand dem Impuls, das Gesicht zu verziehen. Der Kaffee war weiterhin bitter, obwohl er schon zwei Teelöffel Zucker hineingerührt hatte. Augen zu und durch.
Doch die Worte steckten in seiner Kehle fest, sammelten sich da, brachten seine Hände zum Zittern, während sich seine Brust wieder schmerzhaft zusammenkrampfte. „Ich mag es nicht, wenn die Ehre eines anderen Menschen infrage gestellt wird. So generell. Bei Mo noch weniger, weil es nichts mit Sexualität zu tun hat, wie ehrbar eine Person ist und er – wie du danach mitbekommen hast – schon oft damit zu kämpfen hatte. Aber wie gesagt, die Tatsache, dass der Kerl sich über Mo lustiggemacht hat, war der Auslöser, dass ich mich ebenfalls angegriffen gefühlt habe."
Alles in ihm wehrte sich dagegen, die Worte zu äußern, die so wichtig waren. Für Ella, denn sie wirkte weiterhin nicht überzeugt. „Du hattest recht. Was in der Vergangenheit war, beeinflusst das Künftige und die Gegenwart. Scheiße, ich eiere hier nur herum."
Weiter brannte Ellas unbewegtes Gesicht in seinen Augen und er kämpfte mit dem Impuls, aufzuspringen, um sich zu bewegen. Dann wäre es vielleicht leichter. „Becca, meine Ex, hat mich aus einem besonderen Grund verlassen. Ich hab ihn wahrgenommen, aber weggeschoben, weil ... es tat zu weh. Ich konnte nicht beeinflussen, was sie zur Trennung bewogen hat... Ich hab es versucht."
Erneut baute sich Beccas Gesicht in seinen Gedanken auf, wie sie ihn mit tränenschwangerem Blick anschaute und ihrer Beziehung den Todesstoß gab. Er kniff hastig die Augen zu, wollte es so verscheuchen und es wie immer als Vergangenheit abtun, doch stattdessen platzte der Kloß in seinem Hals. Seine Brust zu heben, um den Sauerstoff aufzunehmen, den er eingeatmet hatte, war plötzlich fast nicht zu bewältigen, während sich Tränen hinter seinen Lidern auftürmten. Ich hab gedacht, ich käme klar.
Überrascht riss er die Augen auf, als er spürte, dass kalte Finger seine Faust umschlossen. Wann hatte er die geballt, hallte durch seinen Kopf und registrierte, dass Mitgefühl auf Ellas Gesicht wie eine Leuchtreklame blinkte. Er wollte ihr die Hand entziehen, denn die Berührung machte den Schmerz noch präsenter, der durch ihn tobte. Stattdessen verschlang er seine Finger mit ihren und versuchte, tief Luft zu holen.
Bevor er es verhindern konnte, rannen Tränen über seine Wangen und er dachte, er müsse sich innerlich krümmen, weil der Schmerz von damals mit aller Wucht zurückkam. Potenziert mit der Unendlichkeit, da er nicht nur Becca, sondern auch die Frau verloren hatte, die vor ihm saß und sanft mit dem Daumen über seinen Handrücken streichelte. Um ihm Trost zu spenden. Das war falsch. Er hatte sie beruhigen wollen. Mit seiner freien Hand strich er sich fahrig über seine Wangen. Was für eine bemitleidenswerte Kreatur er doch war.
„Ich musste mich verteidigen, weil ... Ich ... Becca hat ... Ich hatte solche Angst, dass du gehst, wenn du erfährst, dass ich kein ganzer Mann bin."
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