~ 33 ~
Er bemerkte verwundert, wie Ellas Gesichtsfarbe um ein paar Nuancen heller wurde, während sie aus dem Fenster auf sein Haus starrte. Als würde sie einen Geist sehen. Was er sich nicht erklären konnte.
„Alles ok, Sunny?"
„Ja ... äh ... klar ... natürlich."
„Du lügst immer noch beschissen. Also raus damit."
Jetzt sah er, wie sie schluckte und sich räusperte, ehe ein bedauernder Blick in ihre Augen trat, die sie unter der gerunzelten Stirn beherbergte. Automatisch hob er die Augenbrauen und legte die Hand auf Ellas Oberschenkel.
„Ich ... ich dachte, dein Haus wäre so ... also ... äh ... kleiner. Keine halbe Villa oder so. Da kann ich gar nicht mithalten."
Jetzt biss sie sich rasendschnell auf die Lippe und senkte den Blick auf den Boden ihres Wagens. Sie hatte den letzten Satz also nicht äußern wollen. Sanft strich er mit dem Daumen über ihren Handrücken und ihre Augen wanderten wieder zu seinem Gesicht.
„Ist das ein Wettstreit?"
„Ich ... nein. Ich ... hm... ich weiß, es ist dämlich. Ich hab ... du bist nicht Tobi. Das weiß ich."
„Ella, du hast wirklich keinen Grund dafür, dich mir unterlegen zu fühlen, verstehst du? Du bist alleinerziehende Mutter und rockst dein Leben mit Weiterbildung und einem Ex, der ein absolutes Arschloch ist. Ich bin für mich und meine Firma verantwortlich. Und das Haus habe ich nicht für mich gebaut. Ich bin nur allein hier eingezogen, weil meine damalige Verlobte mich eine Woche vor der Schlüsselübergabe verlassen hat. Ich durfte noch in der gemeinsamen Wohnung wohnen, bis ich den Schlüssel hatte. Wäre bescheuert gewesen, sich eine Bleibe zu suchen, was wesentlich länger gedauert hätte. Also hab ich sie ausbezahlt und wohne seitdem hier. War eine rein pragmatische Entscheidung. Das ist alles."
Er hoffte wirklich, dass sie jetzt nicht nachfragte. Denn dann würde er mit seiner Geschichte herausrücken müssen, was er lieber noch vermied. Er wusste nicht, wie Ella zu dem Thema stand, und wollte es vorher unverfänglich abklopfen. Wobei er letztlich ohnehin längst am Abgrund balancierte.
„Oh." Sie schaute ihn an und verschlang ihre Finger mit seinen. „Glück gehabt."
Irritiert sah er sie an und sie schob hastig nach: „Also ich. Ich hab dann wohl Glück gehabt."
„Hm. Wenn du das so sehen willst, wäre es dämlich, dir zu widersprechen."
Jetzt schlich Belustigung auf ihre Züge und ließ ihre braunen Augen zugleich warmherzig funkeln. Sofort musste er sich zusammenreißen, weiter zu atmen. Er balancierte WIRKLICH am Abgrund, dachte er und räusperte sich.
„Dann sollten wir den Wagen wechseln."
„Wieso?"
„Hm?"
„Warum wir Autos umtauschen. Ich hatte den Eindruck, du kommst mit meinem gut zurecht."
„Ich dachte, es wäre unfair, wenn wir so viele Kilometer auf deinen fahren. Ich werde mehr subventioniert vom Staat, weil ich selbstständig bin."
„Gerade fühle ich mich wieder kleiner..."
„So war das aber nicht gemeint, Ella. Ich sehe nur nicht ein, wieso du die Spritpreise berappen sollst, wenn meine hauptsächlich von Vater Staat getragen werden. Pragmatisch, verstehst du?"
„Hm." Er bemerkte, dass sie seine Worte kritisch abwog und unterdrückte ein Seufzen. Das hatte er wahrscheinlich falsch ausgedrückt. Er hatte ja schon eine Ahnung davon gehabt, dass sie da leicht aus der Ruhe zu bringen war, doch er hatte nicht erwartet, dass sie so sehr mit sich haderte. Wobei es ihn womöglich nicht überraschen sollte. „Wir fahren also länger?"
„Wenn ich dir das verrate, ist es doch ein Tipp auf meine Überraschung..."
„Ok, verstanden. Äh ... wenn wir länger als eine halbe Stunde unterwegs sind, müsste ich nochmal deine Toilette benutzen. Wenn ... äh ... das ok ist?!"
„Wo denkst du hin? Wenn du keine Stahlblase eingepackt hast, bist du selbst schuld. Natürlich ist das ok. Muss Shelby auch nochmal?"
Er grinste, als Ella erst kopfschüttelnd die Augen verdrehte, ehe sie verneinte. „Du hast wohl einen Clown geschluckt."
„Nö, die sind meist entweder zu zäh oder zu fettig. Ich hatte selten ein gutes Stück Clown. Deswegen ess ich die nicht mehr."
Ihr Kichern war wie Musik in seinen Ohren. Er mochte den Klang so sehr. Vor allem, wenn er daran dachte, was sich seit vergangenen Abend ereignet hatte. Die giggelnde Frau vor ihm hatte wenig mit der zu tun, die gestern kaum hatte sprechen können, weil sie so heftig geweint hatte.
„Scherzkeks."
„Die finde ich allerdings sehr lecker, das muss ich zugeben." Jetzt wurde das Kichern zu einem heiseren Ton und sein Atem stockte nochmal, als er in ihr ins vergnügt verzogene Gesicht schaute und ihre bebende Schultern wahrnahm, die ihr tonloses Lachen weiter unterstrichen.
So wollte er sie noch oft sehen, sagte er sich, als sie quietschend nach Luft holte. Ob sie merkte, dass seine Hände ganz schwitzig geworden waren? Er hob eine davon und wischte automatisch eine Lachträne von ihrer Wange. So kostbar, durchfuhr ihn, als Ella daraufhin still wurde und ihn anstarrte.
Er lächelte sie nur an, um den Drang zu unterdrücken, sie an sich zu reißen und sie zu küssen. Sie hatte sich gewünscht, dass er keinen Druck aufbaute. Darum war es wohl besser, wenn er genoss, was sie ihm bot, und nicht selbst in die Offensive ging.
Trotzdem tanzte sein Herz in seiner Brust Polka. Doch wenigstens rieselten keine Schauer mehr sein Rückgrat hinunter. „Das hat gut getan. Normalerweise lache ich viel öfter. Ist befreiend."
„Hm, ja. Aber hat fatale Auswirkungen auf volle Blasen, hab ich mir sagen lassen. Deswegen sollten wir wohl dafür sorgen, dass deine sich leeren kann." Bewusst schlug er einen leichten Ton an, merkte jedoch selbst, dass seine Stimme etwas belegt war.
Zum Glück nickte Ella nur und grinste ihn weiter vergnügt an. Wie kam er aus der Nummer heraus? Immerhin hatte die Range der Töne, die sie so ausstieß, gerade himmlischen Zuwachs bekommen und er hatte weiterhin Gänsehaut.
Er schaute ihr nach, als sie aus dem Wagen stieg, nachdem sie ihn nochmals vergnügt angeblitzt hatte. Diese Frau würde wahrscheinlich sein Verderben werden. Bei ihr war das Problem nicht, dass sie zu viel forderte, sondern zu wenig, sagte er sich.
„Dein Frauchchen hat mir ziemlich den Kopf verdreht, Shelby. Macht sie das immer so?" Er wollte sich gerade dafür maßregeln, dass er mit Ellas Hund sprach, als dieser ein leises Hecheln gefolgt von einem kleinen Winseln hören ließ.
„Da kann ich dir nur zustimmen. So fühle ich mich in ihrer Gegenwart auch", entschied er und verließ den Wagen ebenfalls. „Möchtest du Shelby mit rein nehmen? Wir könnten gleich noch einen Kaffee trinken, wenn wir jetzt reingehen."
Ihr freudiges Lächeln beantwortete die Frage und so entließ er Shelby noch aus dem Korb. Er hatte sich auch einen Hund anschaffen wollen, bevor Becca sich von ihm getrennt hatte. Doch dann war ihm seine Unabhängigkeit wichtiger gewesen, erinnerte er sich und öffnete das Gartentor, damit Ella sein Zuhause kennenlernen konnte.
Wieso fühlte er sich plötzlich wie ein kleiner Schuljunge, der zum ersten Mal jemanden von Bedeutung sein Zuhause zeigte?
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