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Sie starrte auf die Uhr ihres Handys und seufzte. Sollte sie das wirklich machen? Und mit welchen Worten? Sollte sie um diese Uhrzeit noch schreiben? Es war immerhin schon relativ spät. Kam das blöd? Wieso zum Teufel machte sie sich überhaupt Gedanken darüber? Sie seufzte und tippte hastig eine Nachricht. Bevor sie ihren Mut verlieren konnte, schickte sie die SMS schnell ab.
„Hi. Sorry, dass ich mich
so spät melde. Ich wollte
mich nochmal bei dir für
deine Hilfe bedanken."
Die Häkchen wurden blau und sie schluckte hektisch gegen den Kloß an, der sich rasend in ihrem Hals bildete, als sie die Info bekam, dass er zurückschrieb. Was hatte sie getan? Was, wenn jetzt ein blöder Spruch kam? Sie hatte sich doch schon bedankt! Nicht sehr geschickt, doch sie hatte es ihm gesagt.
„Immer wieder gerne. Aber
ich wäre sehr froh, wenn
ich wüsste, wer du bist."
‚Scheiße, wie peinlich! Natürlich weiß er nicht, wer ihm schreibt!', dachte sie und Hitze stieg ihr ins Gesicht.
Oder vergab er seine Nummer so oft, dass es ihm entfallen war? Was sollte sie antworten? Wollte sie darauf Stellung nehmen? Es wäre unhöflich, es nicht zu tun. Sie mochte keine Unhöflichkeit. Aber wie machte sie diesen Fauxpas jetzt wett?
„Natürlich, weißt du das
nicht. Ich bin die Frau aus
dem Café, deren
Weiterbildungsunterlagen
du vor dem sicheren
Cola-Tod gerettet hast."
„Die hübsche 35-Jährige
mit dem tollen Lächeln,
das plötzlich auf ihr
Gesicht geflogen ist? Die
mit den warmen braunen
Augen, die mich etwas
verunsichert angesehen
haben?"
„Ich bin keine 35."
‚Ehrlich jetzt, Ella? Das ist deine Antwort? Nicht so schnell abschicken, ok!?!', schimpfte sie sich und verdrehte die Augen, während die nächste Nachricht eintrudelte.
„Oh, sorry. Ich wollte
dir nicht zu nahe treten.
Im Schätzen bin ich schlecht.
Aber ich hab dich so auf 33
bis 36 geschätzt. Falls du das
bist... Musst du fast. Ich hab
sonst keine Unterlagen vorm
Ertrinken gerettet."
„Ja, das bin dann wohl ich.
Aber ich bin älter. Also nicht
schlimm, dass du mich als
35-Jährige betitelst."
„Da bin ich aber
erleichtert. Der Zorn
einer Frau kann ziemlich
ausufernd sein, wenn man
sie zu alt schätzt und das
noch ausplaudert. Es war
jedenfalls kein Problem,
ich hab deine Weiterbildungs-
unterlagen sehr gerne vorm
Cola-Tod bewahrt,..."
Was sollten jetzt die drei Pünktchen bedeuten, fragte sie sich und merkte, dass sie trotzdem blöde grinste. Er schien wirklich Humor zu haben. Welche Frauen kannte er denn, wenn sie ausufernden Zorn hatten? Sie hatte nicht so große Probleme mit ihrem Alter. Zumindest redete sie sich das immer wieder ein. Dass es nur eine Zahl wäre und nichts auszusagen hätte. Aber das war gerade nicht das Thema. Was bedeuteten diese Pünktchen? Plötzlich ging nochmal eine Nachricht ein.
„Das war meine Art, dich
nach deinem Namen zu
fragen. Also, ich bin Ben.
Du bist..."
‚Oh, ja, klar', dachte sie und schrieb: „Ella."
„Ella. Freut mich. Dann
kann ich jetzt einen
Namen zu der Nummer
speichern. Sieht doch
gleich viel netter aus."
„Du speicherst meine
Nummer?"
„Ja... wenn ich darf? Du
klingst sympathisch.
Zumindest hab ich aus
deinen Nachrichten einen
Hauch Humor herausgelesen.
Das mag ich. Und du hast
mich angeschrieben. Das
heißt, dass du vielleicht
mal einen Kaffee mit
mir trinken gehst. Wobei in
deiner Tasse ja Cappuccino
war. Koffein hat beides."
„Ok, klar darfst du das.
Da darf ich dir bestimmt
keine Vorschriften machen.
Ich wollte mich jetzt
jedenfalls nochmal
bedanken. Weil ich im Café
ja nur gestammelt habe.
Ich wollte mich schon
früher melden, hab mich
aber nicht getraut."
Sie las die Nachricht. Sollte sie das wirklich so abschicken? Das wäre ehrlich, oder? Sie nahm ihren Mut zusammen und drückte auf senden. Sie schluckte trocken, weil nicht sofort die Info kam, dass er ihr zurückschrieb. Scheiße, das war wohl zu ehrlich gewesen. Sie war echt nicht geübt darin, mit jemanden abgesehen von ihren Liebsten zu schreiben.
„Ok, keine Aussage zu
der Kaffee-Sache. Bin
ich so furchterregend?
Dann muss ich definitiv
an meiner Ausstrahlung
arbeiten."
Ihr Herz machte einen Hops, als sie die Worte las und tippte: „Liegt nicht an dir. Deine Ausstrahlung ist ok."
Nun kam ein tränenlachendes Emoji zurück und die Nachricht: „Gut, dass meine Ausstrahlung ok ist. Das bessert mein Ego jetzt wirklich wieder auf. Du bist witzig, Ella."
„War jetzt nicht witzig
gemeint, wenn ich
ehrlich bin. War eher
die falsche Wortwahl.
Wollte keinesfalls dein
Ego kränken."
„Schon ok. Wenn es nicht
ab und zu einen Dämpfer
bekäme, würde es ins
Unermessliche wachsen,
oder?"
„Vielleicht. Damit hab
ich keine Erfahrungen.
Ich muss jetzt aber
Schluss machen. Ich
liege schon im Bett
und wollte dir nur kurz
schreiben, bevor mich
der Mut wieder verlässt."
Warum schrieb sie ihm sowas? Sie kannte ihn im Grunde nicht und sie glaubte nicht, dass ihn das interessierte. Wieso sollte es das? Sie war praktisch schon wieder von einem Fettnäpfchen ins Nächste gesprungen. Es war gut, die Konversation jetzt zu beenden. Dann konnte sie sich nicht weiter blamieren. Hatte er wirklich geschrieben, dass er ihr Lächeln schön fand? Sie hatte gelächelt? Das war ihr gar nicht aufgefallen. Und dass sie hübsch war? Hatte er Tomaten auf den Augen? Das Bing ihres Handys riss sie aus den Gedanken.
„Dann freue ich mich
umso mehr, dass dich
der Mut nicht verlassen
hat. Ich wünsche dir
eine gute Nacht, Ella.
Obwohl ich diese
Unterhaltung genieße.
Vielleicht hast du ja
nochmal den Mut mir zu
schreiben, welche
Weiterbildungsunterlagen
ich da gerettet habe.
Schlaf gut."
„Ja, du auch, Ben", tippte sie noch und legte dann kopfschüttelnd ihr Telefon zur Seite.
Das war abgefahren gewesen. Wirklich schön eigentlich. Das half ihr jetzt aber nicht weiter. Sie hatte irgendwo ganz tief drin in sich gehofft, er wäre ein Arschloch. Dann hätte sie die leuchtenden Augen verdrängen können, die sie verfolgten. Er hatte echt ein tolles Lächeln. Und sie mochte Grübchen, wenn sie sich in die Wangen ihres Gegenübers gruben. Da waren auch leichte Lachfältchen um seine Augen gewesen.
Obwohl sie ihn jünger schätzte, als sie war. Na ja, sie hatte ebenfalls Falten in den Augenwinkeln. Eigentlich war sie kein Sauerdrops, sondern sie lachte schon gerne. Am liebsten, bis ihr Tränen über die Wangen liefen und sie sich den Bauch hielt, weil er sich total verkrampfte. Das fehlte ihr. So herzhaft zu lachen, dass sich alles in ihr zusammenzog und sie nach Luft japsen musste, während dieses Quietschen aus ihr herausbrach. Das war im Moment selten geworden. Aber Ben hatte ihren Lachnerv zumindest gekitzelt. Das war gut.
Vielleicht hatte Juli Recht und sie sollte nach vorne sehen, auch was so Beziehungskisten anging. Womöglich sollte sie das Scheitern ihrer Ehe in der Kategorie „Scheiße gelaufen" einordnen und einfach weitermachen. Aber sie hatte doch gar keine Ahnung, wie das ganze Dating-Ding funktionierte. Darin war sie noch nie eine große Leuchte gewesen und es war so viel Zeit vergangen, seit sie das letzte Mal eine Verabredung gehabt hatte.
„Schluss jetzt, Ella. Mach deine Augen zu und schlafe. Morgen ist ein neuer Tag und du musst fit sein", murmelte sie und zwang sich, alle Grübeleien wegzuschieben.
Sie schloss die Augenlider und ehe sie einschlief, baute sich nochmal ein maskulines Gesicht mit amüsiertblitzenden Augen und einem schelmischen Grinsen in ihren Gedanken auf.
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