~ 14 ~
Fast zwei Wochen hatte Ben jetzt kaum mehr mit Ella gesprochen oder geschrieben. Er fragte sich, wieso. Hatte sie sich umentschieden, hatte er sie zu schockiert, als er die Telefonepisode vorgeschlagen hatte oder warum war sie so abweisend? Sie hatte ganz locker geklungen, als sie das Telefongespräch beendet hatten. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, weshalb sie so kurzangebunden war.
Das war wohl der Grund dafür, dass er vor ihrer Haustür stand und sich ernsthaft überlegte, ob er klingeln sollte. Er dachte ständig an sie und wenn sie kein Interesse hatte, wollte er das wissen. Noch lieber würde er sie zum Essen ausführen, die Kinder dürften bei Tobi sein. Irgendwie wirkte er wie ein Stalker, sollte er plötzlich vor der Tür stehen, oder nicht?
Er seufzte und überlegte nochmal, ob er nicht lieber fuhr, als es an der Fahrerscheibe klopfte. Erschrocken zuckte er zusammen und ließ die Scheibe herunter, nur um in Ellas braune Augen zu sehen, die ihn fragend ansahen. Sie wirkte erschöpft, fiel ihm automatisch auf, während sie die Hände in die Taschen ihrer ausgebeulten Jogginghose schob.
„Hi."
„Äh, hi, Ella."
„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Du bist käseweiß im Gesicht."
„Schon ok. Ich war nur ... in Gedanken. Ich hab nachgedacht."
„Ja, wenn man in Gedanken ist, denkt man meistens auch nach. Was machst du hier, Ben?"
„Äh, ja, ich ... hm. Ich führ mich wie ein beschissener Stalker auf und stehe vor dem Haus, in dem du wohnst, während ich darüber nachdenke, ob ich klingeln und dich fragen soll, womit ich es verkackt hab", fasste er die Situation zusammen und über Ellas Kopf schwebten noch mehr Fragezeichen.
‚Ich könnte sie fast greifen', dachte er automatisch und beobachtete, wie Ella die Stirn runzelte, bevor er hörte: „Wieso sollst du es verkackt haben?"
„Na ja, du gehst nicht ans Telefon, wenn ich anrufe, und auf die Nachrichten antwortest du wenig bis gar nicht. Falls du antwortest, dann kurzangebunden und distanziert. Es ist ok, insofern du kein Interesse hast, das mit uns zu vertiefen, aber das wüsste ich gern."
Jetzt zeichnete sich zu seiner Überraschung Schock auf ihren Zügen ab und er bemerkte, wie sie schluckte und sich räusperte, ehe sie sagte: „Scheiße, das wollte ich nicht."
„Was wolltest du nicht?"
„Dir das Gefühl vermitteln, du hättest es verkackt oder ich hätte kein Interesse, unser Was-auch-immer zu vertiefen. Ich ... es war die letzten beiden Wochen einiges los und mein Kopf war voll. Ich wusste oft nicht, was ich schreiben sollte. Dann hab ich es teilweise vergessen, weil wieder irgendwas anderes zu tun war und... Ok, kurz: Es tut mir leid."
„So schlimm die letzten Wochen?"
Ella zuckte mit den Schultern und lächelte ein schiefes Lächeln, ehe sie sagte: „Nur der ganz normale Wahnsinn."
„Hm, der muss echt fordernd sein, wenn du so müde aussiehst."
„Es geht schon. Irgendwann gewöhn ich mich dran. Dann ist es halb so schlimm. Max war krank und deswegen war ... kein Muttergeschwafel."
„Doch Muttergeschwafel. Aber vielleicht beim Essen? Ich kenne eine gute Pizzeria und..."
„Das geht leider nicht. Nicht, dass ich nicht möchte, aber..."
„Mama! Mami! Wo bist du?"
„Ich bin hier, Max! Sorry. Deswegen klappt es nicht. Er ist immer noch nicht ganz fit. Ich bin dieses Wochenende Vollzeitmama."
Er runzelte verwirrt die Stirn. Sie hatte alle zwei Wochen frei, wenigstens war er davon ausgegangen. Doch er hatte sich wohl getäuscht. Zumindest tappte nun Max auf seine Mutter zu, die ihn schüchtern anlächelte, ehe sie sich ihrem Sohn zuwandte.
„Hey, mein Süßer. Was machst du hier unten? Du hast weder Jacke oder Schuhe an. Noch nicht mal Socken."
„Ich hab Durst und mein Bauch ist so leer. Da muss Naschi rein. Hallo Ben."
„Hallo Max", sagte er und musste grinsen, weil Ellas Sohn seine Mutter mit seinen großen blauen Augen ansah.
‚Fehlt nur noch, dass er ihr zublinzelt', schoss ihm durch den Kopf und er vernahm: „Ich bin gleich oben, ok, Max? Dann geb ich dir was zu trinken."
„Und Chips."
„Nein, bestimmt nicht. Es gibt jetzt dann was?", fragte Ella und grinste breit, weil ihr Sohn sie ebenfalls anlächelte.
Offenbar wusste Max genau, wie seine Mama auf die Bitte reagieren würde, und wollte es trotzdem versuchen. Ein kleiner Lausbub also, erkannte er und die Liebe zwischen Mutter und Sohn war in diesem Moment fast greifbar. Genauso wie der gegenseitige Respekt füreinander.
„Abendessen?"
„Ja, genau: Essen. Also nichts mit Naschi und das weißt du auch. Und jetzt geh hoch, ja? Du bist noch ein bisschen krank, es ist kühl und du bist barfuß. Ich komme gleich und dann bekommst du etwas zu trinken."
„Ok", entschied Max, winkte ihm zu und ging nach drinnen, während er sagte: „Ich hab dich lieb, Mama."
„Ich dich auch und das heißt trotzdem nicht, dass du Naschi bekommst", erklärte Ella erneut breit grinsend und er fand sie einfach nur wunderschön.
‚Genau in diesem Augenblick', dachte er und Ella wandte sich ihm wieder zu, schüttelte amüsiert den Kopf und meinte: „Ich hätte deine Einladung gerne angenommen. Schade, dass es nicht klappt."
„Weil?"
„Weil ich gerade bemerke, wie sehr ich das vermisst habe."
„Was hat dir gefehlt?"
„Du hast mir gefehlt. Und mit dir zu reden", gab sie kleinlaut zu und sein Herz machte einen Hopser in seiner Brust, während Ella ihn verlegen ansah, und erklärte: „Es tut mir so leid, dass ich nicht wirklich geantwortet hab und keine Zeit zum Telefonieren hatte."
„Schon ok. Offenbar hattest du alle Hände voll zu tun. Das versteh ich. Wieso sind die Kinder bei dir?"
„Ach so, ja. Tobi muss arbeiten. Normalerweise hat er jedes zweite Wochenende frei, aber manchmal muss er auch zwei hintereinander zur Arbeit. Wir könnten uns nächste Woche zum Essen verabreden, wenn du möchtest. Oder..."
Ella unterbrach sich nun und er sah sie fragend an, ehe er nachhakte: „Oder..."
„Oder du lässt dich heute von mir zum Abendessen einladen. Es gibt nichts Besonderes und du kannst es dir auch noch in Ruhe überlegen. Ich muss hoch. Also, wenn du Lust hast, mit uns zu essen, kannst du klingeln. Ansonsten... schreiben wir wohl. Hm, ok. Bis später dann ... vielleicht."
Zu seiner Überraschung wollte sie nun gehen und er hielt sie fix fest, indem er seine Hand blitzschnell aus dem Fenster schießen ließ. Irritiert schaute sie ihn an und er zog sanft an ihrem Ärmel, sodass sie sich zu ihm beugte. Da er nicht widerstehen konnte, strich er kurz sachte mit seinen Lippen über ihre. Er hatte sie ebenfalls vermisst.
„Was gibt es denn Schönes?", raunte er danach und bemerkte, dass Ellas Wangen jetzt einen rosigen Schimmer hatten.
„Rumfort", murmelte sie und er zog die Augenbrauen hoch.
„Rum... was?"
Nun kicherte sie hinreißend und erklärte: „Liegt rum und muss fort."
„Klingt ja sehr lecker", zog er sie auf und freute sich, dass ihre Augen belustigt aufleuchteten.
„Ist es. Meistens zumindest, falls die Zutaten zusammenpassen. Heute hab ich ein gutes Gefühl und wenn ich es verkacke, hab ich im Tiefkühler Pizza."
„Das klingt nach einem Plan."
Ella grinste, ehe sie ernst wurde und meinte: „Wie auch immer, du kannst dir hier in deinem Auto überlegen, ob du echt mit den Kids und mir essen willst oder lieber doch das Weite suchst. Ich muss jetzt nämlich wirklich hoch. Bis später ... vielleicht."
Damit machte sie sich los, beugte sich nochmal zu ihm, hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen und setzte sich in Bewegung, um im Haus zu verschwinden. Dabei rief sie kurz nach Shelby, die er gar nicht wahrgenommen hatte. Sie hatte die Hände wieder in den Taschen ihrer Jogginghose vergraben und er fand, dass ihr die ausgezeichnet stand. Sie sah viel entspannter darin aus. Er schüttelte den Kopf. War er bereit zu einem Familienessen? Denn allein der Gedanke versetzte ihm wie immer einen Stich. Er überlegte und als er zu einer Entscheidung gekommen war, ließ er den Motor an.
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