8. September 2016
Wie schon früher erwähnt sollte Natasha Rains Leben gehörig auf den Kopf stellen. Sie selbst hatte natürlich keine Ahnung, was sie anstieß, als sie Rain mit einer ganz bestimmten Person bekannt machte: Ihrem Bruder.
Grischa Droochki war eigentlich kein besonders interessanter Mensch. Im Gegensatz zu seiner Schwester war er mit einem Aussehen gesegnet, welches so gut war, dass es darüber hinweg täuschen konnte, dass er nicht der intelligenteste Junge seiner Altersklasse war. Er spielte mit viel Leidenschaft aber wenig Talent Quidditch und hätte er den Mund gehalten, anstatt die Mädchen mit schlechten Sprüchen zu einem Date zu überreden, so hätte er sogar mit ziemlicher Sicherheit eines bekommen. Das einzige, worin er wirklich talentiert war, war es, den ersten Eindruck von sich gründlich zu vermiesen. Er war kein schlechter Mensch, im Gegenteil, er war großartig, aber vermutlich war er der größte Pechvogel, den Hogwarts je gesehen hatte.
Das wohl Interessanteste an Grischa war sein Verhältnis zu seiner Schwester - sie selbst bezeichneten es als "Geschwisterliebe in Entfernung", was so viel bedeutete, wie dass sie sich um des Friedens willen aus dem Weg gingen - nicht, weil sie sich nicht mochten, sondern weil sie sich in keiner Sache ihres Lebens jemals einig geworden waren, nicht einmal über ihr Geburtsjahr, und so war der erste Zwilling kurz vor Mitternacht am 31. Dezember 2000 und der zweite kurz nach Mitternacht am 01. Januar 2001 zur Welt gekommen.
Das einzige, was die beiden Geschwister teilten, war ihre Liebe zu...aber nein, das soll an dieser Stelle noch nicht vorweggenommen werden.
All das bedenkend war es also höchst ungewöhnlich, dass Grischa nach seiner Schwester suchte, noch seltsamer, dass er sie tatsächlich fand und vermutlich ein Wink des Schicksals, dass Rain bei ihr war. Aber trotz der Unmöglichkeit dieser Situation, trafen Grischa und Rain aufeinander und es die Geschichte nahm ihren Lauf.
Rain und Natasha saßen zwei Tage nach dem sie sich kennen gelernt hatten gemeinsam am See. Ohne, dass sie wussten, warum, stimmte die Chemie zwischen ihnen perfekt. Sie waren unterschiedlich wie Tag und Nacht und doch fanden sie immer wieder neue Gesprächsthemen. Die zwei Tage, die sie sich jetzt kannten fühlten sich wie Jahre an. Es gab nur ein Thema, was niemals eine von ihnen anriss und das war das Thema Liebe. Kein "Hast du einen Freund?", kein "Findest du Gerard Finley aus der siebten auch so süß?", kein "Hast du gehört, dass Katy Miller und Evan Bronx zusammen sind?". Sie vermieden das Thema nicht bewusst, es spielte einfach keine Rolle und das war für Rain eine willkommene Abwechslung von ihrem Schlafsaal aka dem nie endenden Kaffeeklatsch.
Eigentlich hatten sie gedacht, dass sie am See ungestört sein würden, da die Temperaturen schon nicht mehr so waren, wie man es sich Anfang September wünschte. Umso überraschter war Rain, als sich ein dank der Abendsonne langer Schatten über die Seiten ihres Romans legte. Irritiert sah sie hoch und erblickte einen Jungen, in ihrem Alter, der ihr schon ein paar Mal im Schloss aufgefallen war. Er trug eine Hufflepuff-Krawatte und war schon mehrfach zum Gesprächsthema in ihrem Schlafsaal geworden - wegen seines "kantigen, männlichen Gesichts" und "bei Merlin, diese Haare, wie macht er das?".
"Grischa.", meinte Natasha wenig begeistert, als sie ihn sah. Und sie ergänzte noch etwas auf Russisch, was so schnell war, dass Rain, die bisher zwar viel in dieser Sprache gelesen, sie aber nur selten gehört hatte, kein Wort verstand. Dem Tonfall her deutete sie es allerdings als eine unfreundliche und vermutlich mit der ein oder anderen Stichelei gespickte Frage nach dem Zweck dieses Zusammentreffens.
Grischa tat das, was er am besten konnte: Er grinste. Dann sagte er:
"Tut mir leid, ich wusste nicht, dass du ein Date hast." und das in dem sarkastischsten Tonfall, den Rain je gehört hatte, bevor er ihr das Paket in die Hand drückte, das er die ganze Zeit in den Händen gehalten hatte. "Das hat Mama geschickt, es ist Unterwäsche von dir, die du nicht mitgenommen hast."
Mit jedem Wort, das er sagte, wurde Natashas Blick kälter und wütender und Rain wusste, dass die letzte Bemerkung nicht nötig gewesen wäre - nein, sie war ganz und gar überflüssig.
Mühsam beherrscht zwang sie sich ein Lächeln aufs Gesicht.
"Rain, das ist mein Bruder, Grischa.", erklärte sie und man hörte, wie sehr sie sich zusammenreißen musste. "Grischa, das ist Rain."
Grischa reichte Rain die Hand. Sie griff danach und er deutete an, ihre zu küssen. Dabei sagte er ein russisches Wort, welches ein wenig klang, wie "Doschd", aber doch ein wenig anders, sodass Rain nicht fähig gewesen wäre, es mit englischen Buchstaben zu beschreiben.
Rain grinste unsicher, nicht genau wissend, wie sie mit der Situation umgehen sollte.
"Das bedeutet Regen.", erklärte Grischa und machte die Situation damit noch unangenehmer für alle Beteiligten. Rain nickte unangenehm berührt und räusperte sich.
"Ich...ähm...ich weiß.", erklärte sie und erinnerte sich jetzt tatsächlich an das Wort, welches sie schon ein paar Mal gelesen hatte. So sprach man den Buchstaben also aus, der so aussah wie ein Sternchen. Sch, aber weicher.
"Du kannst jetzt wieder gehen.", meinte Natasha nachdem Grischa weitere zwei Minuten schweigend neben ihnen gestanden hatte. "Danke für die...Sachen."
"Ja." Grischa nickte fröhlich, deutete eine Verbeugung an, die durch seine schlaksige Figur furchtbar ungelenk aussah und drehte sich dann um, nicht ohne vorher noch zu sagen:
"Man sieht sich, Rain."
Kaum dass er einige Schritte außer Hörweite war, seufzte Natasha.
"Himmel, es tut mir Leid. Er ist so...awkward." Sie stöhnte auf. Rain lachte.
"Das ist er wirklich.", meinte sie. "Aber irgendwie wirkte er auch ganz nett, auf seine Art."
"Ja, das ist er. Er ist eigentlich ein super Kerl. Vermutlich wären wir ein klasse Team, wenn wir nicht so verschieden wären." Sie zuckte mit den Achseln. "Wie auch immer."
Rain wechselte das Thema nach einer kurzen Stille, indem sie auf Natashas Haare deutete.
"Warum weiß?"
"Oh." Natasha zupfte an den gefärbten Haarsträhnen herum. "Ich färbe sie so, dass mich die Farbe an das Wichtigste in meinem Leben erinnert, je nachdem, was gerade aktuell ist. Vor ein paar Wochen hat meine Schwester geheiratet, deshalb sind sie weiß. Und wenn wieder was interessantes passiert, dann färbe ich sie um."
"Klingt schön." Rain lächelte. "Wie oft veränderst du die Farbe?"
"In Hogwarts ist das Leben monoton. Ich denke nicht, dass ich die Farbe vor weihnachten verändern werde."
Sie dachte falsch. Sie würde die Farbe Anfang November ändern. Aber auch das ist etwas, was später erzählt werden soll.
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