Gern hätte Rain mit Vicky über die ganze Natasha-Sache geredet - schließlich waren sie beste Freundinnen für immer und ewig. Allerdings wusste sie auch, dass Vicky ihr, wenn es nicht gerade um Jungs ging, keine wirkliche Hilfe sein würde - und darum ging es gerade nun mal nicht. Also suchte sie stattdessen nach Sophia, von der sie sich bessere Ratschläge erhoffte, oder zumindest einen ernsthaften Versuch.

Sie fand sie im Gemeinschaftsraum an einem der Arbeitstische. Vor ihr lag ein Block mit Ringbindung und sie drehte einen Kugelschreiber zwischen den Fingern. Rain musste lächeln, als sie an Pergament und Federhalter dachte, die immer noch zur offiziellen Schulausstattung gehörten (und die die wenigsten Schüler wirklich gern benutzten).

Rain ließ sich neben ihre Freundin fallen und versuchte sich einen Reim darauf zu machen, was zur Hölle Sophia da tat. Es beinhaltete Zahlen - ein Grund für Rain schon grundsätzlich Abstand zu nehmen. Interessanterweise waren da aber auch noch Buchstaben und andere Zeichen die Sophia scheinbar zusammenhanglos aneinander setzte. War das eine Art Domino für Hochbegabte?

Mit einem Lächeln unterstrich Sophia eine Zeile doppelt und freute sich offenbar wie ein kleines Kind, als sie die Buchstaben "q.e.d." daneben kritzelte. Rain runzelte die Stirn.

"Was zur Hölle machst du da?", fragte sie.

"Mathematik.", meinte Sophia nur und klappte das Heft zu. "Es entspannt mich."

Rain bezweifelte dass Zahlen jemals eine derartige Wirkung auf sie haben könnten. Sie erinnerte sich an Mathematik aus der Muggelgrundschule und auch daran, dass es mit jeder Woche verwirrender geworden war, bis es sich am Ende jeglicher Logik entzog und sie dankenswerter Weise nach Hogwarts flüchten durfte.

"Du hast keine Lust, Arabisch zu lernen, aber sowas machst du als Entspannung?", seufzte Rain zweifelnd. Sophia zuckte mit den Schultern.

"Jedem das Seine, Hauptsache er ist glücklich, meinst du nicht?", fragte sie. "Was gibt's?"

Rain starrte einen Moment ins Leere, bevor ihr wieder einfiel, warum sie hier war.

"Natasha!", platzte es aus ihr heraus.

"Was ist mit ihr?", fragte Sophia und schob ihre Sachen zu einem ordentlichen Stapel zusammen.

"Denkst du es ist eine gute Idee, mit ihr befreundet zu sein?", spezifizierte Rain ihr Anliegen.

"Rain Mary Granger." Sophia bedachte sie mit einem strengen Blick. "Was ist das denn für eine bescheuerte Frage?"

"Wieso denn?", verteidigte Rain sich.

"Okay, pass auf. Wenn ich dir jetzt sagen würde, dass es keine gute Idee ist, was würdest du dann machen? Eine spontane Ent-Freundung?" Sophias Ton war spöttisch, aber ihr Blick liebevoll. "Ihr habt euch getroffen und es hat klick gemacht. Ihr passt einfach gut zusammen, warum sollte es keine gute Sache sein?"

"Ich weiß einfach nicht, wie ich mit ihr umgehen soll.", erklärte Rain. "Sie ist so eigensinnig, redet nie über sich selbst und macht komische Sachen. Ich weiß nicht, ob ich damit auf Dauer umgehen kann? Was ist, wenn ich mich nur mit ihr angefreundet habe, weil es mir Leidtat sie allein zu sehen?"

Sophias Blick schlug um und sie legte den Kopf leicht schräg.

"Das ist lächerlich. Ich habe gemerkt, wie du dich freust, sie zu sehen. Man könnte meinen, du wärst verknallt in sie.", meinte sie. Rain runzelte die Stirn.

"Dieses Gespräch nimmt eine Wendung, die ich nicht vorhergesehen habe.", meinte sie irritiert.

"So meine ich das nicht.", winkte Sophia ab, gerade so, als hätte sie nicht gerade total abwegige homoromantische Anspielungen gemacht. "Freundschaft ist auch nur eine Art von Liebe. Ich liebe dich, Vicky liebt dich auch und du liebst Natasha. In einem komplett nicht-sexuellen Kontext."

Rain setzte an, etwas zu sagen, aber Sophia schnitt ihr das Wort ab.

"Weißt du was? Ich glaube du denkst zu viel nach. Versuch mal, diese ganze Natasha-Geschichte nicht zu analysieren. Und wer weiß, vielleicht überrascht sie dich ja noch."

"Aber...", setzte Rain an.

"Nein, pass auf. Denk an was anderes...denk an..." Sophias Blick huschte im Raum umher und fiel schließlich auf eine magische Jugendzeitschrift, den Brooomstikk. "An das hier: Warum noch kein Internet in Hogwarts? - Ministerium schafft neue Abteilung zu Integration von Muggeltechnologie in den Alltag. Könnte das bedeuten, dass die schon lange erträumte Verbindung von Hogwarts mit dem Internet endlich mehr als Wunschdenken werden kann?"

Rain schnappte sich das Magazin.

"Was gibt es da schon groß zu diskutieren? Wenn das geht, warum zur Hölle schreiben wir immer noch mit Federkielen?"

"Naja, so einfach ist das jetzt auch nicht. Wegen der ganzen Magie in Hogwarts funktioniert die Muggeltechnik hier ja überhaupt nicht.", warf Sophia ein und steckte ihren Kopf wieder in die Zeitung. Die Mädchen überflogen den Artikel.

"Hier, schau dir das an." Rain deutete schließlich auf einen Abschnitt. "Dennis Creevey, der Typ ist genial. Er ist Hogwarts-Absolvent aus dem Jahr 2001, hat dann in der Muggelwelt Physik studiert und erklärt, ich zitiere: 'Die Muggeltechnologie basiert auf elektromagnetischen Wellen, die von der Magie in Zauberereinrichtungen, wie Hogwarts, dem St. Mungo's und dem Ministerium gestört werden. Durch verschiedene, aber nicht sonderlich komplizierte Zauber könnte in besagten Instituten eine Art Leitungssystem für Magie errichtet werden, sodass diese den Wellenfluss der Technologie nicht mehr behindert. So könnten Magie und Muggeltechnologie im Idealfall problemlos koexistieren und unter zukunftsorientierter Forschung sogar kombiniert werden und damit ein neues Spektrum von bisher unvorstellbaren Zaubern erschaffen.'"

"Das..." Sophia runzelte die Stirn. "Das könnte tatsächlich funktionieren. Das wäre...Wahnsinn. Eine neue Dimension Magie!"

"Ja, wäre es.", erklärte jetzt jemand hinter ihnen. Die beiden Mädchen fuhren herum und blickten direkt ins Gesicht ihrer Mitbewohnerinnen. Vicky hatte ihre Krawatte gelöst und Asha trug keine Schuhe. Die hatte sie in der Hand und stellte sie auf einen leeren Stuhl.

"Leider gibt es ziemlich viele erwachsene Zauberer, die der Meinung sind, dass wenn man uns Zugang zum Internet gewährend würde, wir unsere Bildung vernachlässigen würden.", meinte Asha. "Allen voran..." Sie hielt den Tagespropheten in die Höhe. "Mrs. Hermine Granger."

Rain schnappte sich die Zeitung und überflog den Artikel. Er war winzig, etwa zwanzig Zeilen einer Spalte und nicht mal ein Bild. Auf der siebten Seite, also wirklich keine große Sache. Trotzdem irritierte es Rain.

"Das kann nicht sein.", meinte sie. "Man sollte der Presse nicht alles glauben. Meine Mum ist Aurorin, was hat sie damit zu tun? Außerdem ist sie immer wissbegierig gewesen, was also sollte sie gegen das Internet haben, eine gigantische federleichte Bibliothek ohne Öffnungszeiten?"

"Du kannst sie ja mal fragen.", schlug Sophia vor.

"Bist du verrückt? Ich habe mit meiner Mutter seit zwei Jahren nicht mehr über tiefsinnigere Dinge geredet, als den Unterschied zwischen dem kyrillischen Б und dem В." Rain verschränkte die Arme. Sophias Augen weiteten sich in Entsetzen und auch Asha sah geschockt aus, Vicky hingegen warf Rain nur einen mitfühlenden Blick zu. Sie und Rain lebten in den Sommerferien quasi beieinander, natürlich war ihr also aufgefallen, dass Hermine nie zuhause war.

"Okay." Vicky klatschte in die Hände. "Du hast zu viel Zeit. Und du solltest jetzt an was anderes denken, als deine Mum. Und du..." Sie deutete zuerst auf Sophia, dann auf Rain und schließlich auf Asha. "Hast gerade versucht, Muscheln zu ertränken." Sophia und Rain kicherten. "Wir brauchen eine Auszeit. Wir gehen jetzt hoch in den Schlafsaal und ziehen uns unsere kuscheligsten Schlafsachen an und dann spielen wir Zauber-Schnippschnapp bis wir irgendetwas anzünden."

Ein Grinsen schlich sich auf die Gesichter der Mädchen und Sophia raffte eilig ihre Notizen zusammen, bevor sie nach oben verschwanden.

Hey, nach langem Mal wieder ein Kapitel. Leider sind meine Notizen zum Storyverlauf ein einziges Chaos und ich bin mir fast sicher einige wichtige Sachen verschlampt zu haben. Deshalb muss ich jetzt einen kompletten Handlungsstrang neu ausarbeiten. Aber im Endeffekt zählt eins, nämlich dass ich ein neues Kapitel fertig habe. Ich hoffe es gefällt euch und wurde euch nicht zu wissenschaftlich. Leider hasse ich Handlungslöcher und Logiklücken und wollte diese Technikfrage klären. Ihr werdet auch in ein paar Kapiteln (aka Monaten, hoffentlich nicht) mal wieder was von Hermine und Draco hören.
Liebe Grüße und bis zum nächsten Mal!