5. Februar 2017
Eine bunt gemischte Gruppe hatte sich in einer Ecke der Bibliothek zusammen gefunden. Da waren Rain und Natasha, auf einem der Sofas, Natasha tief hinter ihrem Astronomiebuch versunken und Rain verzweifelt über ihren Berechnungen für Arithmantik, in denen sie einen Fehler suchte, der da sein musste - wenn sie nur wüsste, wo.
Zu ihnen gesellt hatten sich auch Sophia und Vicky, die leise murmelnd über Modezeitschriften und Skizzenpapier brüteten. Außerdem Cathy, eine Freundin von Vicky aus Gryffindor, die sich über ihren Kräuterkundeaufsatz hinweg schamlos an Grischa ranmachte - der das allerdings nicht bemerkte. Er war viel zu vertieft in die Erklärung, die er gerade von Daisy, Natashas Schlafsaalkameradin bekam.
Also, kurzum: es war ein wilder Haufen aus diversen Häusern und Jahrgängen, die irgendwie lose miteinander bekannt waren. Es war relativ still, hin und wieder stand jemand auf, um sich ein neues Buch zu holen oder weil er zu wenig Pergament hatte. Rain genoss es - die Atmosphäre, nicht die Tatsache, dass sie immer noch nicht wusste, wie es kam, dass sie 22 Jahre statt drei Wochen als Lösung herausbekommen hatte. Sie radierte etwas daran herum, fand dann auch einen Fehler - nur um nach der Korrektur festzustellen, dass das Ergebnis jetzt negativ war. Sie knüllte ihr Notizpapier zusammen und warf es in (neben) den nächsten Papierkorb.
"Soll ich mal schauen?", bot Sophia an, die sich jetzt zu Rain herüberlehnte, während Vicky offenbar ihre gesammelten Ideen in einer Zeichnung zusammentrug. Rain nickte.
"Bitte." Sie schob Sophia ihre Notizen zu, die einen kritischen Blick darauf warf und dann die Aufgabenstellung verlangte. Rain kramte in ihren Unterlagen nach der Tabelle, aus der sie ihre Werte abgelesen hatte, auf denen sie ihre Berechnung aufgebaut hatte und zu ihrer Erleichterung nickte Sophia zustimmend - das schien also noch zu stimmen.
Sophia brauchte zehn Minuten, um Rains zahlreiche Fehler zu finden und eine geschlagene halbe Stunde, sie ihr zu erklären. Als sie schließlich fertig war, hatte sich die Situation um Rain herum kaum verändert.
Vicky war mit ihrer Zeichnung fertig und diskutierte mit Sophia über die Details. In diese Diskussion mischte sich jetzt auch Cathy ein, die ihren Aufsatz wohl entweder fertig oder aufgegeben hatte. Grischa und Daisy hatten ihre Nachhilfestunde auch abgebrochen und sie las in einer Zeitschrift, während er an Sophias Zauberwürfel herumspielte (ein Geschenk von Rain vor einigen Jahren - sie war überrascht, dass Sophia immer noch Spaß daran hatte, aber sie probierte immer neue Muster aus und übte sich in Geschwindigkeit, ihr Ziel war im Moment unter eine Minute zu kommen).
Auch Natasha hatte ihr Astronomiebuch Astronomiebuch sein lassen und war wieder in einem von Shakespeares Dramen versunken, die so schnell wechselten, wie die Tageszeiten.
Jetzt, wo sich Rain bewusst geworden war, wie sie zu Natasha stand, fiel es ihr zunehmend schwer, diese Zuneigung nicht offen zu zeigen - aber einerseits wusste sie noch immer nicht, wie Natasha dazu stand und ob sie die ganze Sache noch immer so sah, wie vor einem Monat und andererseits wusste sie erst recht nicht, ob im Falle, dass Natasha ebenso empfand, ihr eine öffentliche Bekundung dieser Gefühle recht war.
Rain widerstand also der Versuchung, sich an/auf Natasha zu lehnen und blieb mit ihrem Buch auf ihrer Seite des Sofas. Sie öffnete ihr Buch zu schnell, sonst hätte sie vielleicht Natashas enttäuschten Blick gesehen.
"Sagt mal, wie steht es denn jetzt eigentlich mit dieser Internet-Sache?", fragte Vicky plötzlich in die Runde und Rain kannte Vicky lange genug, um zu wissen, dass sie einen so drastischen Themenwechsel nur dann versuchte, wenn sie von irgendjemandem zu Tode genervt, aber zu höflich war, das direkt zu sagen. In diesem Fall nahm Rain an, dass es Cathy war, deren Kommentare zu Sophias und Vickys Mode wirklich alles andere als konstruktive Kritik gewesen waren. "Wie realistisch ist es denn, dass wir irgendwann modernere Technik als den Bleistift hier nutzen können?"
Sophia schlug das Skizzenbuch zu und wandte ihr ihre volle Aufmerksamkeit zu. Cathy wirkte zwar etwas unzufrieden, aber auch sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück und schien am Gespräch teilnehmen zu wollen.
"Naja, theoretisch ist es denke ich möglich.", erklärte Sophia. "Ich habe mich mal mit der Arbeit von Dr. Creevey auseinandergesetzt. Doktor, übrigens.", ergänzte sie in Richtung von Rain. "Weil wir ja letztens drüber geredet haben. Also auf jeden Fall habe ich einige seiner Publikationen gelesen und es wirkt vom Gesamtkonzept her machbar."
"Das hört sich alles nach einem großen Aber an.", seufzte Cathy mit verschränkten Armen, die sich bisher offenbar nicht mit dem Thema beschäftigt hatte und allem Anschein nach auch keine allzu große Begeisterung dafür aufbringen konnte.
"Naja, es hängt halt alles an der Politik.", erklärte Sophia schulterzuckend. "Die Wissenschaftler können ja nicht einfach in magische Zentren, wie Hogwarts oder das Ministerium marschieren und ihre Versuche machen."
"Warum nicht?", fragte Vicky interessiert. Rain legte jetzt doch ein Lesezeichen zwischen die Seiten ihres Buches.
"Weil keiner weiß, wie die Muggeltechnologie auf Magie reagiert und umgekehrt.", erläuterte Sophia. Rain musste lächeln. Die rationale Sophia musste sich in ihrer Gegenwart vorkommen, wie in einer Grundschule, so viele dumme Fragen, wie sie stellten.
"Aber uns wurde in Muggelkunde beigebracht, dass die Technologie hier einfach versagt.", meinte Cathy, die der ganzen Sache noch immer ablehnend gegenüber zu stehen schien. "Willst du jetzt behaupten, dass die uns was falsches beigebracht haben?", fragte sie anklagend.
Rain konnte sehen, wie Sophia minimal die Augenbrauen hochzog. Sie klappte ihr Buch zu. Das hier war nicht nur informativ, sondern auch noch amüsant. Sie mochte Cathy nicht besonders (gut, sie kannte sie auch nicht wirklich gut) und es gefiel ihr besser, als es vermutlich sollte, zuschauen zu können, wie Sophia sie an die Wand spielte. Denn das würde sie, da war sich Rain sicher.
Sophia richtete sich jetzt auf. Kerzengerade saß sie auf der Kante ihres Sessels.
"Die Technologie funktioniert hier deshalb nicht, weil sie erstens Strom braucht, an den Hogwarts nicht angeschlossen ist. Zweitens funktioniert vieles mit elektromagnetischen Wellen, die von der Magie um Hogwarts gestört werden. Es gibt da noch andere Komponenten, aber im Wesentlichen sind es diese zwei Probleme."
Jetzt hatte sie es endlich auch geschafft, die Aufmerksamkeit von Natasha, Grischa und Daisy zu erlangen. Natasha sah von ihrem Buch auf, Daisy rollte ihre Zeitung zusammen und Grischa legte den Zauberwürfel (ungelöst) auf den Tisch - vermutlich gleichsam aus Interesse und aus Verzweiflung.
"Und diese beiden Probleme kann man aber irgendwie beheben?", fragte Vicky, vor allem um Sophia zu ermutigen, weiter zu reden. Sophia wog den Kopf.
"Das mit dem Strom ist im Grunde nicht schwer. Es wäre ein bisschen Arbeit, aber es ist absolut machbar. Viel komplizierter sind diese Wellen." Sie zog ihren Zauberstab und malte damit einige Zeichen in die Luft, um ein schwebendes Bild von Hogwarts zu erschaffen (Rain konnte es nicht abwarten, auch endlich siebzehn zu sein und außerhalb der Klassenzimmer Magie nutzen zu dürfen).
"Hogwarts umgibt ein Magiefeld." Sie zuckte noch einmal mit dem Stab und um das kleine Schloss erschien eine kugelförmige Aura. "Sie stört die Technologie. Theoretisch könnte man aber die Magie auf Kanäle leiten." Mit einem erneuten Schwung formierte sich die Aura um zu einem spinnennetzartigen dreidimensionalen Gebilde. "Und durch diese Lücken könnte es dann möglich sein, dass es doch geht."
Sophia wischte kurz mit dem Zauberstab durch die Luft und das Bild verschwand. Alle, die sich gerade eben gespannt nach vorn gelehnt hatten, ließen sich jetzt zurück in ihre Stühle sinken.
"Was wären das denn für Zauber?", fragte Rain, nachdem sie einige Minuten lang in ihrem Kopf nach Sprüchen gekramt hatte, und nichts gefunden hatte, was auch nur ansatzweise in die richtige Richtung ging. Andererseits war sie halt aber auch alles andere als ein Experte für so komplizierte Zaubersprüche.
Sophia zuckte mit den Schultern.
"Das wäre ja genau das, was man rausbekommen müsste.", erklärte sie. "Das ist eben das schwierige. Wir brauchen ein ganz neues Gesamtkonzept an Zaubern für diese Sache."
"Aber es ist realistisch?", hakte Vicky nach. Sophia nickte heftig.
"Absolut. Ich meine, so weit ich das beurteilen kann.", ergänzte sie schnell. Rains Gedanken schweiften ab zu den riesigen Rechnungen, die sie Sophia hatte machen sehen und sie beschloss, dass ihre Freundin dazu sicherlich qualifiziert war.
"Es hängt also im Endeffekt alles am Ministerium, wann sie irgendwelche Tests genehmigen?", fasste sie die Problematik zusammen. Sophia nickte.
"Na dann können wir ja froh sein, wenn unsere Kinder davon was mitbekommen.", seufzte Vicky frustriert. Es war schließlich kein Geheimnis, dass das Ministerium nicht gerade die schnellsten waren, wenn es um Veränderungen in der konservativen Zaubererwelt ging.
Jetzt räusperte sich Daisy, die die ganze Zeit zwar zugehört, aber nichts gesagt hatte.
"Tatsächlich stimmt das so nicht ganz.", erklärte sie vorsichtig und rollte die Zeitung auf, die auf ihrem Schoß lag. Sie öffnete sie und blätterte einige Sekunden suchend darin herum, bis sie die richtige Seite fand. Dann drehte sie sie wortlos herum.
Wieder beugten sich alle nach vorn, um die Schlagzeile lesen zu können. Es war kein großer Artikel, kein Wunder im Grunde, dass es bisher noch niemand mitbekommen hatte.
"Ministerium und Schulleitung genehmigen Technologie-Tests im Sommer"
So, hier also noch mal ein Kapitelchen zum Thema Muggeltechnologie, denn auch diesen Handlungsstrang können wir natürlich nicht völlig vernachlässigen. Beim nächsten Mal bekommen Natasha und Rain noch einmal ein bisschen Zeit für sich und stoßen auf erste Differenzen. Und dann...wird es endlich Zeit für ein vernünftiges erstes Date, oder nicht?
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro